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V wusste, dass Jimin stumm war.
Die beiden hatten sich im Internet erst kennengelernt, nachdem der Unfall passiert war, deshalb kannte V ihn gar nicht anders. Er hatte Jimin sofort akzeptiert, und vielleicht hatte ihm das ja geholfen, es selbst etwas mehr zu akzeptieren. Jimin liebte es, ihm zuzuhören, denn V redete gern und viel und es entstanden nie irgendwelche unangenehmen Situationen. Noch dazu wussten die beiden nur ihre Gamer-Namen und sonst nichts aus ihrem Privatleben, was es Jimin einfacher machte, ihm privatere Dinge zu schreiben - alle seine Sorgen und Ängste.

"... und dann hat er seinen Kaffee wirklich nicht bezahlen müssen und sogar Schadensersatz von Starbucks bekommen! Ich würde auch gerne so eine unglaubliche Überredungskunst haben. Wahrscheinlich wussten die ganzen Angestellten gar nicht mehr, worum es eigentlich ging."
Grinsend hörte Jimin ihm zu und versuchte derweil zeitgleich, im Spiel nicht zu sterben, denn er war der letzte Überlebende in seinem Team. Wenn er es nur noch ein paar Sekunden durchhielt, nicht zu sterben, würde die Runde als Unentschieden ausgehen, wenn er starb, hätte das andere Team gewonnen.
Jimin starb, aber er war nicht verbittert deshalb.
"Außerdem war ich am Wochenende noch bei einem anderen Kumpel, da haben wir auch ganz schön krasses Zeug veranstaltet. Ich-"
Da hörte Jimin im Hintergrund bei V jemanden herumbrüllen, eine weibliche Stimme. Sofort wurde sein Spielpartner still.
"Ich muss gehen", meinte er dann leise, "wir sprechen uns wieder, Chim."
Damit kappte er die Verbindung zwischen ihnen und Jimin kehrte wieder zurück in sein Leben.

Seine Mutter war schon wieder zu Hause.
Sie war im Wohnzimmer und schaute lethargisch auf den laufenden Fernseherbildschirm.
Vorsichtig ging Jimin von hinten zu ihr und umarmte sie.
"Schatz, du arbeitest so hart", meinte sie und seufzte. "Du solltest dich etwas mehr amüsieren. Abends mit Freunden weggehen."
Sanft den Kopf schüttelnd ging er um ihren Rollstuhl herum und begann vorsichtig, zu sprechen. Er war noch immer nicht besonders gut in der Zeichensprache, aber nur Übung macht den Meister.
"Das ist schon okay", gebärdete er, "ich will mich erst hier einleben."

Seine Mutter nickte nach kurzem Überlegen. Auch sie wurde immer besser darin, die Zeichensprache zu verstehen, sprechen musste sie sie ja schließlich nicht.
"Versprich mir, dass du irgendwann rausgehen und dich amüsieren wirst, mein Schatz", verlangte sie, "Ich möchte sehen, wie du mit deinen Freunden rausgehst und deine eigenen Erfahrungen machst. In deinem Alter war ich geradezu erpicht darauf, mein erstes Mal zu haben."
Sie lächelte traurig. "Nun, wie auch immer, das ist Vergangenheit. Ich bin stolz auf dich, Jimin, unglaublich stolz."

Ihr Sohn nickte und drückte ihr mit einem sanften Lächeln einen Kuss auf die Stirn, dann ging er wieder in sein Zimmer. Er lag noch lange in seinem Bett wach und fragte sich, ob er denn irgendwann mit Menschen ausgehen und sich amüsieren würde. Seltsamerweise kam ihm der sonderbare Junge aus dem Sportunterricht wieder in den Sinn.
Der Anblick von ihm in seinem Hoodie spukte Jimin im Kopf herum, bis er einschlief.

Mute (YoonMin Shortstory)Where stories live. Discover now