Wir gingen auf sie zu und mit jedem Schritt schlug mein Herz ein wenig schneller. Ich hasste es, mich selbst nicht unter Kontrolle zu haben. Es war wichtig für mich, Cadens Eltern kennenzulernen. Glücklicherweise hatte ich heute Morgen bereits die Gelegenheit dazu gehabt, ein paar Worte mit seinem Vater zu wechseln, doch Jane begegnete ich nun praktisch zum ersten Mal. Ich verdrängte die schmerzlichen Gedanken an meine eigene Familie und setzte ein höfliches Lächeln auf. Es fiel mir noch immer schwer, einen klaren Kopf zu bekommen, seitdem Caden und ich uns eben geküsst hatten. Wahrscheinlich würde ich all das erst später vollkommen realisieren. Doch was gerade zählte, war, dass ich nicht glücklicher sein könnte und das lag allein an Caden. Ich fragte mich, ob er, so wie ich, schon immer gewusst hatte, dass er auf Jungen steht, oder ob das ganze Thema für ihn etwas Neues war, mit dem er sich noch nicht lange auseinandersetzte. Und falls ja, wusste sein Dad davon? Oder war er ebenso ahnungslos wie Cadens Tante Audrey? Sie hatte uns vorhin zwar in eine unangenehme Situation gebracht, doch andererseits kam es bloß durch ihre Frage zu dem klärenden Gespräch zwischen Caden und mir, weshalb ich ihr sehr dankbar war. 
Vermutlich hielt sein Dad mich bloß für einen gewöhnlichen Freund seines Sohnes, was keinesfalls verwerflich war, denn bis eben hatte ich selbst noch nicht einordnen können, was das zwischen uns war. 
Die Tatsache, dass Caden sich ebenfalls zu mir hingezogen fühlte, war noch immer unvorstellbar für mich, da ich es niemals für möglich gehalten hätte, jemals ein solches Glück in meinem Leben zu erfahren. Bisher schien ich immer nur Pech gehabt zu haben, da mich beinahe all die Personen, dich ich liebte, zurückgelassen hatten. 

Wir nahmen neben Jane und Michael Platz, wodurch wir ihre Aufmerksamkeit auf uns zogen. Ich konnte unschwer erkennen, dass die beiden unter dem Tisch Händchen hielten, was mir ein Lächeln auf die Lippen zauberte.
“Du bist also Jamie?”, fragte Jane mich und hielt mir herzlich die Hand hin. Ich schüttelte sie erfreut und nickte. “Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit. Ich bin froh, heute hier sein zu dürfen”, erwiderte ich höflich. “Dankeschön, Jamie. Wir sind ebenso froh, dass du Caden begleitet hast. Wo seid ihr beiden eben denn so lange gewesen?”, fragte Michael neugierig und stellte zwei Weingläser vor uns, die er großzügig mit Rotwein befüllte. 
Caden und ich wechselten einen kurzen Blick, woraufhin ich sagte: “Caden hat mir ein wenig die Gegend gezeigt.” 
Michael nickte und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. “Wenn ich das richtig verstanden habe, kennt ihr euch von der Uni?”, hakte er interessiert nach. 
“Ja, wir haben uns das erste Mal auf einer Party getroffen”, wiederholte Caden und stieß sein Knie unter dem Tisch gegen meins. Ich wusste genau, was er mir damit mitteilen wollte, weshalb ich dasselbe bei ihm tat. Scheinbar war er ziemlich empfindlich, denn er hielt sich seine Hand ans Knie und tat so, als hätte ich ihm große Schmerzen zugefügt. 
“Was studierst du denn, Jamie?”, wollte Jane von mir wissen und stützte sich auf die Ellbogen, um meine Worte bei der lauten Atmosphäre besser verstehen zu können. 
“Bioinformatik”, antwortete ich ihr. Sie nickte beeindruckt und musterte mich gründlich. 
“Wohnen deine Eltern denn weit von der Universität weg?”, fragte sie mich weiter und ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Caden kannte zwar keine Details, wusste jedoch sehr genau, wie sehr mich dieses Thema belastete. Er warf mir einen seitlichen Blick zu, wahrscheinlich, um herauszufinden, ob mich diese Frage getroffen hatte. 
Ich räusperte mich und gab mein Bestes, um normal zu wirken und mir nichts anmerken zu lassen. “Sie wohnen nicht allzu weit weg”, antwortete ich schließlich. “Dann besuchst du sie sicherlich oft, oder?”, wollte Jane wissen. Natürlich hatte sie keine bösen Absichten, da sie keine Ahnung von dem Verhältnis zu meinen Eltern haben konnte, doch ich wünschte mir bloß, wir könnten das Thema wechseln. 
Cadens Blick wurde eindringlicher und mir war klar, dass ihm Janes Fragen leid taten. 
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und sagte: “Ehrlich gesagt habe ich keinen Kontakt mehr zu ihnen.” Janes Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig und sie blickte mich ein wenig mitleidig an. 
“Was ist denn vorgefallen?”, fragte Michael mich mitfühlend, was mir für einen Moment die Sprache verschlug. Ich sah ihn bloß wortlos an und verzweifelte innerlich. 
Plötzlich spürte ich, wie Caden seine Hand beruhigend auf meinen Oberschenkel legte und sagte: “Lasst uns über etwas anderes sprechen.” Ich war ihm unfassbar dankbar. 
“Natürlich. Tut mir leid, Jamie, ich habe nicht über meine Worte nachgedacht”, meinte Michael entschuldigend. Ich zwang mir ein Lächeln auf, um ihm zu verstehen zu geben, dass er sich nicht bei mir entschuldigen musste. 
Ich blickte zu Cadens Hand hinunter, welche mich auf eine positive Weise nervös machte. Von ihm berührt zu werden war eines der schönsten Gefühle, die ich jemals empfunden hatte. 
Als er meinen Blick bemerkte ließ er seine Hand ein kleines Stück höher gleiten. Ich wusste genau, dass er es einerseits tat, um mich noch nervöser zu machen, und andererseits, um meine Laune aufzubessern.  Ich musste mir eingestehen, dass ihm damit beides gelang. 
Bevor er an einer sehr bestimmten Stelle angelangt war, hielt er jedoch inne. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, denn er war sich sehr wohl bewusst, was er mit mir anrichtete. 
“Hast du denn eine Freundin, Jamie?”, fragte Michael mich, scheinbar in der Hoffnung, damit ein besseres Thema anzuschneiden. Ich verschluckte mich ungewollt an meinem Rotwein. Nicht, wegen seiner Frage, sondern wegen Caden, der auf einmal begonnen hatte, mein Bein sanft zu massieren. 
Ich verfluchte ihn in diesem Moment dafür, mich mit Absicht aus der Fassung zu bringen. 
Um mich noch ein wenig mehr zu provozieren, warf Caden mir einen scheinheiligen Blick zu, der mich offensichtlich dazu ermutigen sollte, die Frage seines Vaters zu beantworten. 
Normalerweise hatte ich keine Hemmungen, Leuten zu erklären, dass ich nicht an Mädchen interessiert war, doch aus irgendeinem Grund brachte ich es dieses Mal nicht über mich. 
“Nein, habe ich nicht”, antwortete ich Michael wahrheitsgemäß. Caden grinste amüsiert, ließ seine Hand jedoch nicht ruhig auf mir liegen. 
“Wie kommt das?”, fragte sein Dad mich beiläufig, woraufhin Jane lachend sagte: “Dein Sohn ist ihm auch keinen Schritt voraus.” 
“Hey, lasst mich da raus”, beschwerte Caden sich kleinlaut. “Ich denke, Jamie hat die Richtige einfach noch nicht getroffen”, fügte er dann lächelnd hinzu und vergrub seine Finger ein wenig fester in meinem Bein, um mich weiterhin zu ärgern. 
Ich hielt es nicht länger aus und legte meine Hand auf seine, um Caden daran zu hindern, weiterzumachen. Meine Reaktion schien ihn zufriedenzustellen, denn scheinbar war das sein einziges Ziel gewesen. 
“Ich muss sagen, dass du wirklich schöne Augen hast, Jamie”, stellte Jane fest und betrachtete mich ausgiebig. Ich lächelte verlegen, da ich nicht mit diesem Kompliment von ihr gerechnet hatte. “Danke, das ist sehr nett von dir”, antwortete ich ein wenig beschämt.
“Es liegt wohl tatsächlich in der Familie”, meinte Caden leise, jedoch laut genug, dass alle ihn verstehen konnten. Michael blickte ihn irritiert an, während Jane bloß lächelte, da er sie gerade als seine Familie bezeichnet hatte. 
Caden schien sich dazu verpflichtet zu fühlen, seine Aussage aufgrund des Blickes seines Vaters zu erläutern. “Ich habe ihm das bloß auch schon einmal gesagt.”
Einmal. Das war vermutlich die einzige Lüge, die ich jemals aus seinem Mund gehört hatte.
Ich lächelte über seine Offenheit und musterte Jane heimlich. Es war selten zu sehen, dass sich Kinder mit ihren Stiefeltern gut verstanden, weshalb mich die lockere Beziehung zwischen Caden und ihr freute. Ich kannte keine Details von dem, was seiner leiblichen Mutter zugestoßen war, doch ihm war einige Male deutlich anzusehen gewesen, dass ihr Verlust tiefe Wunden in seinem Herzen hinterlassen hatte. 

Wir sprachen eine Weile lang über belanglose Dinge und ich erfuhr interessante Kindheitsgeschichten von Caden, die er mir von sich aus wahrscheinlich niemals erzählt hätte. Am meisten musste ich jedoch lachen, als Michael erzählte, wie Caden mit einem Bobbycar gefahren ist und daraufhin versehentlich einen kleinen Abhang in einen See hinunter stürzte. Caden betonte, dass das höllisch weh getan hatte und es keinesfalls lustig sei, doch der Anblick schien laut Michael unbezahlbar gewesen zu sein. 
Ich amüsierte mich prächtig, schweifte mit meinen Gedanken jedoch immer wieder zu unserem Kuss zurück, da ich einfach nicht begreifen konnte, dass es tatsächlich geschehen war. 
Fuck, wir haben uns wirklich geküsst.

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Wie fandet ihr die letzten Kapitelteile? Ich würde mich sehr über Feedback freuen und hoffe, euch haben die Ereignisse (💋) gefallen... 🌚
Stay tuned ♡ 

Unexpected Love (boyxboy) Where stories live. Discover now