2 - Two

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Der Himmel hängt grau über mir, als ich Avery zurücklasse und mit der Kapuze über den Kopf gezogen die Straße entlanggehe. Regengeruch hat die Luft geschwängert und die Ergebnisse eines nächtlichen Schauers haben sich als kleine Pfützen auf dem Stein abgelagert. Ich gehe so gemächlich, wie ich kann. Averys Worte kleben mir noch im Ohr. Lass dich nicht rumschubsen, sagt sie. Die Ruhe des Sonntags lässt meinen Kopf lauter werden. Ihre Stimme hallt hervor, als würde sie um mich geistern. Sie weiß, was mich erwartet, sobald ich Zuhause ankomme, und sagt es trotzdem. Als hätte ich eine Wahl.

Häuser ziehen gemächlich an mir vorbei, als würden sie auf einer alten Filmrolle entlanglaufen. Nummern kommen und gehen. Ich sehe die ersten geöffneten Fenster. Kinder lachen und ich kann das Flimmern eines Fernsehers in der Spiegelung der Scheiben erkennen. Jemand sitzt im Vorgarten und raucht, während er die Zeitung liest. Meine Finger zucken und wollen ebenfalls zu meinen Zigaretten greifen, aber der Weg ist nicht weit genug, um den Geruch zu überdecken. Ich hab keine Kaugummis mehr. Also bleibe ich stehen und sauge die Luft ein, um wenigstens den Hauch von Rauch in meine Lungen zu bekommen.

Der Raucher blickt mich komisch an, also gehe ich weiter. Ich vergrabe die Finger in meinen Hosentaschen und halte den Blick geradeaus gerichtet. Der Weg wird kürzer und meine Füße mit jedem Schritt schwerer. Die Häuser an den Seiten sind zu vertraut. Als ob jemand einen nassen Lappen in meinen Nacken legt, läuft es mir kühl den Rücken hinab und eine Gänsehaut überkommt mich. Eine letzte Warnung.

Mein Haus ist das letzte in der Straße. Die Wände sind nicht mehr ganz weiß und mit Efeupflanzen bewachsen. Drei Stockwerke ist es hoch und der Schornstein auf dem Schieferdach kratzt den Himmel am Wolkenbart. Mehrere Fenster sind aufgerissen und lassen die Vorhänge flattern. Ich sehe die Überreste der Halloweenparty im Eingang; Konfetti klebt im feuchten Gras, geplatzte Luftballons bedecken den Gehweg, eine Girlande ist von einer Seite der Tür abgefallen und hängt auf dem Briefkasten und leere Flaschen stehen wie schmutzige, mahnende Finger auf dem Boden. Sie begrüßen mich still, aber ehrlich.

Der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee ist das erste, was ich rieche, als ich eintrete, aber selbst das kann nicht den Gestank einer Party überdecken; schaler Alkohol, feuchte Chips, Zigarettenrauch, Schweiß und Erbrochenes. All das mischt sich in der Luft zu einem widerwärtigen Parfüm zusammen, gegen das auch der eiskalte Luftzug nicht hilft, der von einem offenen Fenster durchs Nächste jagt.

Der Holzboden im Eingangsbereich ist mit Konfetti und Luftschlangen bedeckt. Ein paar Flaschen stehen zusammengepfercht auf dem Schuhregal. Weiße Glasscherben liegen dort, wo normalerweise eine Vase steht. Die Dielen kleben. Mein Atem klebt mir ebenso im Rachen.

Im Wohnzimmer kann ich den Fernseher hören. Die Tür ist nur angelehnt. Der ohrwurmbereitende Jingle eines Werbespots ertönt und dann sagt eine mir vertraute Stimme: „War das die Haustür?"

Ich fühle die Kälte in meinem Nacken, streife mir aber trotzdem die Schuhe von den Füßen. Wäre ich doch nur noch langsamer gelaufen oder wäre doch nur ein zu schneller Autofahrer an der Kreuzung abgebogen. Ich wäre noch draußen. Das Gesicht von Finnley Anderson kommt mir wieder ins Gedächtnis, seine dunkelgrünen Augen und der schwache Zug eines Lächelns um seine Lippen, als er gesagt hat, dass er als Mr. Darcy verkleidet ist. Ich schüttle ihn ab, stelle mich der Realität und gehe ins Wohnzimmer.

Dalvin sitzt auf der Couch, die Beine auf dem Tisch abgelegt. Sein gelangweilter Blick streift mich. „Warum bist du so spät?", fragt er träge. Er trägt lediglich kurze, schwarze Shorts und ein weißes Tanktop, seine kurzen schwarzen Haare sind zerzaust. Eine leere Müslischüssel steht neben seinen Füßen auf dem Tisch.

„Ich habe lange geschlafen", erwidere ich.

„Stell dir einen Wecker", sagt mein Stiefbruder. Sein Zwilling Wesley, der auf dem Sessel sitzt, grunzt und stellt den Fernseher etwas lauter. Dalvin übergeht ihn. Lauter fügt er hinzu: „Mum ist in der Küche und wartet."

A (Gay) Cinderella Story [LESEPROBE]Where stories live. Discover now