Kapitel 6

233 10 0
                                    

So wie schon am Tag davor traf ich mich mit Marc vor dem Krankenhaus. Diesmal gingen wir in die andere Richtung und ich war es die vorran ging. Ich war noch nervöser als die letzten beiden Tage, auch wenn ich das gar nicht für möglich gehalten hatte. Diese Männer schafften es echt mich immer nervöser zu machen.

"Alex konnte Gestern gar nicht mehr aufhören von dir zu reden. Du hast echt Eindruck bei ihm hinterlassen.", eröffnete Marc schließlich, der nicht einmal annähernd so nervös war wie ich. "Nicht nur ich bei ihm.", erwiderte ich und Marc hatte natürlich wie so oft sein typisches Grinsen aufgesetzt.

"Du magst ihn oder?" Ich nickte nur stumm. Ich konnte ihm nicht antworten. Die Angst ihm mehr zu verraten als ich wollte war zu groß. Deshalb antwortete ich stumm. Außerdem waren wir vor dem Zimmer angekommen. Jetzt kam der Moment der Wahrheit. "Ich werde ihn danach auf jeden Fall noch besuchen, aber zuerst bin ich es dir noch schuldig dir den letzten Teil meiner Geschichte zu erzählen."

Ich holte noch einmal tief Luft als ich die Tür öffnete. "Ich hatte einen Motorradunfall ja, aber ich bin nicht gefahren. Mein Vater ist gefahren und ihn hat es schlimmer erwischt. Er liegt seitdem im Koma. Er atmet zwar selbstständig, zeigt aber aktuell keine Anzeichen, dass er erwacht. Deshalb bin ich jeden Tag im Krankenhaus. Ich besuche ihn. Jeden Tag setzte ich mich auf den Stuhl dort drüben und greife nach seiner Hand. Dann erzähle ich von meinem Tag, auch wenn ich zugegebenermaßen in den letzten Tagen mehr zu erzählen hatte als sonst. Wegen dem Unfall habe ich mich auch von meiner Schwester entfremdet. Sie war dafür die lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen, aber ich habe das einfach nie übers Herz gebracht. Amalia ist der Meinung, dass er das so wollen würde, aber ich kann ihn nicht einfach sterben lassen."

Marcs Grinsen war verschwunden. Sein Blick war auf einmal traurig. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er legte seine Hand auf meine Schulter. "Es tut mir wirklich aufrichtig Leid, dass dir so etwas passiert ist.", sagte er schließlich. Ich schien es schwer zu fallen überhaupt etwas zu sagen, aber da konnte ich ihm auch nicht verdenken. Es war eine schwierige Situation.

Trotzdem ging es mir damit sehr gut. Ich konnte aufatmen. Endlich jemanden meine gesamte Geschichte zu erzählen tat unendlich gut. Ich setzte mich schließlich auf meinen Stuhl und griff wie immer die Hand meines Vaters. "Hallo Dad. Ich möchte dir gerne jemanden vorstellen. Die letzten Tage habe ich dir schon von ihm erzählt. Das ist Marc Márquez. Du weißt schon der Motorradweltmeister, den du so gehasst hast."

Als ich das aussprach musste Marc anfangen zu lachen. "Die besten Voraussetzungen dafür, dass er mich mag." Dieser Kommentar wäre wohl für viele in meiner Lage verletzend gewesen, aber ehrlich gesagt konnte ich es ihm nicht übel nehmen. Ich wusste wie er war und es lockerte die Situation irgendwo auch auf.

Generell war es wohl die skurrilste Situation meines Lebens. Ich stand mit einem Mann, den ich im Grunde erst seit ein paar Tagen kannte in dem Krankenhauszimmer meines Vaters. Zufällig war dieser Mann auch noch jemand, den mein Vater nie leiden konnte. Es war so viel Ironie in dieser Situation wie man sich gar nicht vorstellen konnte. Trotzdem war ich glücklich.

"Ich bin mir sicher, dass er dich trotzdem mag. Er würde jeden mögen, den ich mag. Abgesehen davon war er trotz allem immer jemand, der seine sportlichen Präferenzen von der Person dahinter losgelöst hat. Also er hat nichts gegen dich, aber gegen deinen Fahrstil. Macht das überhaupt Sinn? Ich weiß es nicht." Marc musste grinsen und lehnte sich schließlich hinter mich an das Fensterbrett.

"Ich bewundere dich. Für das wer du bist und für das was du durchgestanden hast. Obwohl du genug in deinem Leben durchgemacht hast, hast du mich trotzdem auf der Parkbank angesprochen. Das hättest du nicht tun müssen, aber an diesem Tag hast du mir wirklich geholfen die Operation von Alex gut zu überstehen und ich bin mir sicher, dass du meinem Bruder helfen wirst auch seine Genesung gut zu überstehen. Zumindest wenn du das willst.", sagte Marc auf einmal. Er hatte wieder eine Ernsthaftigkeit in seiner Stimme.

racing against deathWhere stories live. Discover now