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„Wo ist eigentlich Leo, der Wichser?", fragte André, während sie nebeneinander auf die Straßen von Jannis' Wohngegend zusteuerten. Sie liefen nicht geradeaus weiter, sondern nach links, wo es zwischen Wald und Fluss nur wenige bewohnte Straßen gab. Hier standen große Häuser in größeren Gärten.

„Keine Ahnung, ist dein Nachbar", erwiderte Kian.

Die Straßenlaternen beleuchteten die Straßen und wirkten gleißend hell nach der Dunkelheit des Waldes. Auch aus einigen Fenstern fiel Licht nach draußen, drinnen standen meist mittelalte Frauen an der Spüle, hinter einem war ein junger Kerl am Kochen.

„Der hätte bestimmt Bier dabei", meinte André und trat im Vorbeigehen gegen den Seitenspiegel eines am Straßenrand geparkten Autos. Er klappte nach hinten, brach aber nicht ab. André warf einen kurzen Blick über die Schulter, dann blieb er stehen, trat nochmal zu und nochmal, dann griff er den lockeren Spiegel und brach ihn aus der Verankerung. Das Plastik knackte und gab nach, bunte Kabel kamen zum Vorschein und André zog einmal kräftig an dem Spiegel. Die Kabel rissen durch und er warf den Spiegel auf die Straße.

„Ey!", erklang da eine männliche Stimme, die definitiv einem verärgerten Erwachsenen gehörte.

„Scheiße", zischte André, duckte sich und rannte sofort los, auch Kian zögerte keine Sekunde.

Jannis brauchte einen Moment länger. Erst drehte er sich in Richtung der Stimme, lief dann aber doch los und versuchte die anderen beiden einzuholen. Der Rucksack rutschte auf seinem Rücken hin und her. Kian und André vor ihm waren bereits ein gutes Stück voraus, aber er biss die Zähne zusammen und versuchte zu ihnen aufzuholen. Er drehte sich nicht zu ihrem Verfolger um, sondern vergrößerte seine Schritte. Die Straße ging fast geradeaus und André und Kian kamen sich vorne in die Quere, woraufhin André nach einem kurzen Blick über die Schulter auf die Straße auswich und dort weiterrannte.

Gebrüll von hinten, die Worte verstand Jannis nicht. Der Wind sauste, das Aufschlagen seiner Schuhsohlen auf den Steinen zog durch seinen Körper in seinen Kopf.

Er schaffte es erst Kian und André einzuholen, als diese plötzlich stoppten und unschlüssig stehen blieben. Außer Atem wurde Jannis langsamer und ging die letzten Schritte, bis er bei ihnen stand.

Aus der Gegenrichtung kam eine Gruppe Männer auf sie zu. Es mussten fünfzehn oder zwanzig Stück sein, alle groß und irgendwie bedrohlich. Sie trugen schwarze Kleidung und marschierten auf der Straße statt den Bürgersteig zu benutzen.

„Sind das jetzt die Kumpels von dem anderen da hinten, oder ...?", murmelte André leise. Er schien bereit jeder Zeit wieder wegzurennen – nur wohin, dazu hatte er sich noch nicht entschieden.

„Sind jedenfalls keine Bullen", murmelte Kian ohne den Blick von der Gruppe abzuwenden, die sich ihnen unbeirrt näherte.

Jannis stützte sich mit der Hand auf der Steinmauer auf, die den Vorgarten des Hauses einfasste, vor dem sie zum Stehen gekommen waren. Kleine Steinchen bohrten sich in seine Handfläche, das Moos war kühl und ein wenig feucht. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell.

„Hauen wir ab?", fragte Kian.

Die Männer hatten sie fast erreicht, nur noch wenige Meter trennten die beiden Gruppen voneinander.

„Wohin?", fragte André.

Es gab nur zwei Richtungen, in die sie laufen konnten, rechts und links versperrten ihnen umzäunte Grundstücke den Weg.

Jannis' Atmung beruhigte sich langsam wieder.

Die Männer waren fast auf ihrer Höhe. Sie trugen alle dasselbe T-Shirt mit derselben weißen Aufschrift auf der Brust.

Anti-Normkonform [pausiert]Where stories live. Discover now