Gesprungen wie gehobst

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Tari stieg aus der Limousine und sah den Butler dankend an. Er nickte ihr aufmunternd zu. Sie stieg die Stufen zu ihrem Apartment hoch. Als sie die Tür öffnete, brannte Licht in ihrer Küche. Sofort verspannte sie sich und sah verwirrt in die Richtung aus der das Licht kam. Habe ich das Licht heute morgen vergessen auszuschalten?Vorsichtig ging sie durch den Flur zu ihrer Küche und blieb wie versteinert im Türrahmen stehen. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck und Wut. Sie wurde von einem ihr zu bekannten kristallblauem Augenpaar kalt gemustert und schluckte ihre Wut hinunter. Das kann doch nicht wahr sein... gehopst wie gesprungen von der einen in die nächste komische Situation...Es ging doch so lange alles gut... Resigniert atmete sie ein und senkte den Blick.

Ihr Körper war in Alarmbereitschaft, jeden Moment die Flucht zu ergreifen. Verkrampft krallte sie ihre Fingernägel in ihren Rock, um sich an etwas festhalten zu können. Sie hörte wie ein Stuhl nach hinten geschoben wurde und trat automatisch einen Schritt nach hinten. Ein raues Lachen ließ sie ihren Blick wieder heben. Sein Blick fixierte sie und Tari konnte nicht umhin sich noch kleiner zu fühlen. Ein Blick dieses Mannes genügte, dass selbst die selbstsichersten Männer an ihrer Selbstsicherheit zweifelten. Das Mädchen atmete ein Paar mal tief ein, ehe sie ihre Schultern straffte und sich wieder aufrecht hinstellte.
„Was verschafft mir die Ehre, dass du dich herablässt mich aufzusuchen?" Ohne es zu beabsichtigen hörte sie sich bissig und angriffslustig an. Ihr gegenüber schüttelte lediglich leicht genervt den Kopf. „Ich denke du hattest genug von deiner Ruhe und deinem unbekümmerten Leben." Tari sah den Mann vor ihr mit offenem Mund an. „Unbekümmert? Denkst du ich weiß nicht was heute für ein Tag ist? Glaubst du wirklich die letzten Jahre waren unbekümmert?" Der Mann sah sich in der kleinen Küche um. „Du hast es schön hier, auch wenn ich nicht verstehen kann wieso du dich so herabsetzt." Er schüttelte missbilligend den Kopf. „ Zwei Jobs? Und von dem Geld was ich dir monatlich zukommen lasse hast du nicht einen Cent angerührt!" Er war sauer und sah sie herablassend an. „Spionierst du schon in meinen finanziellen Angelegenheiten herum?! Wer sagt denn das ich dein Geld nicht zum Fenster rauswerfe?!" Spie das Mädchen ihm entgegen. „Ich brauch dir nicht einmal hinterher zu spionieren, also unterstehe dich mir so etwas niedriges zu unterstellen! Hast du vergessen, dass du mir bereitwillig Vollmachten für all deine finanziellen, sowie privaten Angelegenheiten übertragen hast?" Tari lachte verbittert auf. „Ja genau... bereitwillig... so kann man unser verkorkstes Verhältnis zu einander sehr harmlos beschreiben..." Tari schüttelte verächtlich den Kopf und verschränkte die Arme. „Ich will dein Geld nicht und habe dich nie darum gebeten mir welches zu schicken. Ich wollte doch nur diesem Leben entfliehen in das ich geboren wurde..." Sie klang schon fast verzweifelt. „Tochter ich habe dir damals schon gesagt ,dass du deinem Leben nicht entfliehen kannst. Das ist deiner lieben Mutter damals auch nicht gelungen und das schmerzliche Resultat ist dir doch hoffentlich immer noch eine Lehre." Er drehte sich um und machte die Kaffeemaschine an. Tari musterte seinen Rücken. Er hat sich nicht verändert...Eine schmerzliche Lehre also? Wieder nur ein Spiel und dabei dachte ich das ihn ihr Tod ändern würde... Nein zumindest ein wenig einfühlsamer machen würde... Ein Räuspern lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann in ihrer Küche. „Heute vor drei Jahren hast du mir dein Wort gegeben, dass du ab morgen wieder zurückkommen wirst. Ich habe mich an unsere Abmachung gehalten und werde deine Schwester weiterhin aus den Familienverpflichtungen raushalten, wenn du deinen Teil der Abmachung erfüllst!" Tari stand wie versteinert da und schluckte ihren Klos der sich im Hals gebildet hatte hinunter.
So schnell können doch keine drei Jahre vergangen sein ... Sie schüttelte müde den Kopf und trat an den Küchentisch um sich auf den gegenüberliegenden Stuhl sinken zu lassen. Sie schloss ihre Augen. „So schnell kann die Zeit doch nicht vergangen sein..." Sie öffnete ihre Augen wieder und musterte den Rücken ihres Gegenübers. „Ich wäre morgen früh zum Anwesen gefahren, wieso bist du jetzt schon hier?" Sie hörte ein verächtliches Schnauben. „Weißt du was das damals für ein Terz war, als du halsüberkopf deinen Rucksack geschnappt hast und davon gelaufen bist? Als ich von meinen Männern die Information erhalten habe das du dich irgendeiner kleinkriminellen Bande angeschlossen hast um nicht auf der Straße schlafen zu müssen?" – „Kleinkriminellen Bande? Wie ich erfahren habe, hat mein Umgang mit Kay, dir definitiv nicht geschadet! Im Gegenteil, ich weis das dir die Jungs hier und da Informationen beschaffen! Also glaub ja nicht, dass du mir damit ein schlechtes Gewissen einreden kannst!" Erneut an diesem Abend schüttelte das Mädchen verständnislos den Kopf. „Ich kann nicht..." Ihr Gegenüber hob seine Hand und gab dem Mädchen zu verstehen das sie zu schweigen hatte. „Du bist die nächste Erbin unserer Company. Glaubst du wirklich ich lass dich einfach so davon laufen?
Leena ist psychisch zu schwach und nicht gemacht um die Firm zu übernehmen. Dich kann ich selbst nach der Übernahme so lenken wie ich möchte, da dir ihr Wohlergehen am wichtigsten ist. Somit kann ich sicherstellen, dass die Company nicht ins Unglück gestürzt wird" Fassungslos sah ihn das Mädchen an. Wütend stand Tari wieder auf und stemmte ihre Hände auf den Tisch. „Wie kannst du nur so ein Vater sein?!" Sie atmete schwer ein und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. „Hat dir Mutters Tod denn gar nichts bedeutet?" Ihr Vater sah sie kalt an. „Sie war eine wundervolle Frau und ich habe sie sehr geliebt. Jedoch waren ihr die Konsequenzen unserer Heirat vollauf bewusst." Tari schüttelte nur verständnislos den Kopf. „Das sie in ein Korsett gezwängt werden würde, in das sie gar nicht wollte, war ihr sicherlich nicht bewusst. Sie war geblendet. Sie war verliebt! Sie war..." Taris Stimme versagte. Bestimmt stellte ihr Vater seine Tasse auf den Tisch. „Geh nicht zu weit Tari! Bild dir nichts ein, wenn du keine Ahnung hast, wie es deiner Mutter wirklich ergangen ist!" – „Meinst du ich hätte euch nie streiten gehört? Nie mitbekommen wie Mutter alleine im Garten weinte? Sie hat sich gefühlt wie in einem goldenen Käfig und ist daran kaputt gegangen..." Zum Schluss hin wurde das Mädchen immer leiser.
„Ich will so ein Leben nicht. Ich will keinen Reichtum, keine Verantwortung gegenüber der gehobenen Schicht und schon gar keinen Ehemann für den ich nur Mittel zum Zweck bin." – „Du bist und bleibst eine Camanae, auch wenn du dich hinter dem Mädchennamen deiner Mutter versteckst. Du hast Verpflichtungen und wenn du denen nicht nachkommst, dann wird es Leena müssen." Tari funkelte ihren Vater an. „Lass sie da raus... Sie hat den Tod am wenigsten verkraftet... Meinst du nicht sie hat wenigstens ein unbeschwertes Leben bei einer sie liebenden Familie verdient, wenn unsere Familie schon so verkorkst ist und alles mehr Schein nach außen ist?!" Ihr Vater ging auf ihren Ausbruch keineswegs ein. Er strahlte die Ruhe aus, die dem Mädchen definitiv fehlte. „Dann kennst du deine Aufgaben doch zu genüge meine liebe Tochter." Zähneknirschend stand Tari auf um sich ebenfalls eine Tasse Kaffee zu holen.
Ihr Gefühl sagte, dass noch nicht alles gesagt wurde und der Grund das er persönlich da war und nicht einen seiner Handlanger geschickt hatte, machten sie ebenfalls stutzig. Ihre böse Vorahnung schien sich auch zu bestätigen, als ihr Vater aufstand und sich noch einen Kaffee eingoss. „Meine Informanten haben mir mitgeteilt, dass du die letzten Tage des öfteren im Anwesen der Igarashis gesichtet wurdest." Tari stoppte Mitten in der Bewegung den Kaffeebecher an ihre Lippen zu führen und musterte ihren Vater misstrauisch. „Worauf willst du hinaus?" Ihr Vater ging mit der Kaffeetasse in ihr kleines Wohnzimmer und blieb mitten im Raum stehen. „Eure Freundschaft kommt mir äußerst gelegen..." Tari die ihrem Vater gefolgt war, blieb im Türrahmen stehen und ein ungutes Gefühl beschlich sie. Der Mann drehte sich wieder dem Mädchen zu. Er musterte seine Tochter. „Masaru und ich saßen die letzten Tage in einem Meeting zusammen. Wir besitzen die beiden einflussreichsten Firmen im Lande und sind am überlegen eine Partnerschaft und ein weiteres Tochterunternehmen gemeinsam zu eröffnen." Tari hörte ihrem Vater ruhig zu. „Was habe ich damit zu tun?" - „Tora, Masarus Sohn, der ebenfalls in deine Klasse geht, soll das Tochterunternehmen bereits nächstes Jahr nach seinem Abschluss übernehmen." Tari sah ihren Vater überrascht an. „Tora will studieren." - „Tora wird auch studieren. Das gehört sich. Bei seinen Noten und seinem IQ, wird er neben dem Studium ein Unternehmen leiten können." - „Ich verstehe nur nicht was ich damit zu tun habe." Tari schüttelte verständnislos den Kopf. Aiden sah seine Tochter belustigt an. „Dafür das du so intelligent bist meine Tochter, bist du sehr langsam im Verstehen" Tari schnaubte genervt. „Du wirst nächstes Jahr ebenfalls in unseren Familienbetrieb einsteigen. Du bist Erbin des Unternehmens und was würde besser zu zwei mächtigen Unternehmen passen, als wenn sie gemeinsam geleitet werden würden." Tari spuckte fast ihren Kaffee wieder aus und sah ihren Vater mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen an. „Das kann nicht dein ernst sein! Das ist nicht dein ernst! Bitte sag mir, dass das nicht dein ernst ist..."
Tari drehte sich um und brachte ihre Tasse wieder in die Küche. Als sie das Wohnzimmer betrat, sah sie in die Augen ihres Vaters und wusste sofort Bescheid. Der Entschluss ihres Vaters stand fest und es würde keine Möglichkeit geben, diesen zu ändern. Resigniert ließ das Mädchen sich an der Wand hinuntersinken und blieb auf dem Boden sitzen. Müde rieb sie sich die Augen und sah ihren Vater böse lächelnd an. „Weiß Tora Bescheid?" - „Er hat dem Ganzen bereits zugestimmt und fand die Idee genauso gut wie sein Vater und ich." Tari sah überrascht hoch. „Er weiß das ich..." Aiden schüttelte den Kopf. „Er weiß nur, dass er die Tochter eines reichen Geschäftspartners seines Vaters heiraten wird, sobald er nächstes Jahr seinen Abschluss macht." Tari atmete kurz erleichtert aus. Ihr Vater musterte sie noch einen Augenblick länger und nahm dann einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse. „Ich hätte mit mehr Gegenwehr von dir gerechnet." Tari lächelte müde. „Die wird noch kommen Vater. Aktuell muss ich die abstrusen Neuigkeiten erst einmal verarbeiten und Leena zu liebe, tu ich alles." - „Anders habe ich es auch nicht erwartet." Das Mädchen rieb sich den Nasenrücken. „Wann erfährt Tora, wer seine Zukünftige wird?" - „Auf dem Winterball, werden Masaru und ich den Gästen die Neuigkeit verkünden." Geschockt sah sie ihren Vater an. „Auf dem Winterball? Das ist in weniger als einer Woche! Was habt ihr denn mit dem Winterball zu tun?!" - „Masaru und ich sind die Hauptsponsoren für den Ball. Es werden alle wichtigen Menschen bereits anwesend sein. Damit müssen wir nicht bis Silvester warten. Zudem hört dann das Hündchen von dem Igarashi Sprössling auf in deiner Vergangenheit zu schnüffeln. Er ist wirklich nervig und hartnäckig..." Tari fing an zu lachen. „Woher weißt du das denn jetzt schon wieder?" - „Dieser Kanade Maki hat sich auf dein Bankaccount gehackt. Meinen Männern ist es gerade noch so gelungen, den Namen des Geldsenders auf deinem Konto zu verschleiern." Tari schüttelte den Kopf „Tora weiß also um meine Finanzen Bescheid? Das wird noch ein nervenaufreibendes Gespräch..." - „Dir ist jedoch bewusst, dass du dem Jungen bis zum Ball nichts sagen wirst!" Es war definitiv keine Frage, sondern ein Befehl und daher nickte sie nur lediglich. Natürlich war dem Mädchen bewusst, dass sie den Mund zu halten hatte, bis die Väter die Hiobsbotschaft der Welt verkünden würden.
„Was ist mit meinem Stipendium?" Aiden sah seine Tochter fragend an. „Was soll damit sein?" Tari schnaubte verächtlich. „Zum einen, wie stehe ich da, wenn allen bewusst wird, dass ich genug Geld habe um mir die Schulgebühren leisten zu können? Damit habe ich einem anderen Schüler die Möglichkeit genommen ein Stipendium zu erhalten... Zum anderen weiß ich, dass meine Noten auf unerklärliche Weise zu gut waren?" - „Darüber brauchst du dir nicht dein kleines Köpfchen zu zerbrechen. Das werde ich allen schon beibringen. Du hättest das Stipendium so oder so erhalten. Trotz der etwas besseren Noten, hast du als Beste abgeschnitten. Meine Befürchtungen hatten sich Gott sei dank nicht bewahrheitet." Tari rappelte sich langsam wieder vom Boden auf. „Vielleicht hättest du dir keinen Kopf machen brauchen, wenn du nicht den Abend vor den Prüfungen aufgetaucht wärst." Aiden machte eine wegwischende Handbewegung und leerte mit einem Zug den Rest seines Kaffeebechers. „So ich denke wir haben alles wichtige geklärt. Wirst du jetzt mitkommen, oder soll dich Gabriel morgen von der Schule abholen?" Tari ließ ihren Blick durch ihre Wohnung gleiten. „Kann ich nicht einfach hier wohnen bleiben." - „Ich diskutiere nicht mit dir Tarielle!" Die strengen Worte ihres Vaters ließen sie zusammenzucken. „Ich werde heute noch bleiben. Ich packe noch ein paar Sachen zusammen. Gabriel kann mich morgen an der Schule abholen." Sie hatte ihren Butler schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ihr Vater zog sich seinen Mantel an und verließ ohne ein weiteres Wort die kleine Wohnung.

Tari ließ sich auf ihr Bett fallen. Sie wusste nicht ob sie weinen oder hysterisch lachen sollte. Sie hatte den heutigen Tag schon tausende Male in ihren Gedanken abgespielt. Sie hatte innerlich gehofft, dass ihr Vater sagen würde, sie könnte ihr eigenes Leben leben und sie in ruhe lassen. Eine Heirat mit Igarashi, war die Kirsche auf der Torte. Sie fühlte sich bodenlos und heillos überfordert. Ende der Woche würde der Ball stattfinden. Eine knappe Woche in der sie Tora geschickt aus dem Weg gehen konnte. Schlimmer als die vernichtenden Neuigkeiten ihres Vaters, war das Gefühl was sie hatte wenn sie an Tora dachte. Ihr ging das Bild seinen Gesichts nahe an ihrem, seine Augen beleuchtet von der untergehenden Sonne und sein Duft nicht mehr aus dem Kopf. Hastig schüttelte sie den Kopf, in der Hoffnung auch die Gedanken von sich zu schütteln.
Zu schnell änderte sich ihre gewohnte Situation. Ob ich meine Jobs weiter führen darf ... sicherlich nicht... Langsam stand sie wieder auf und sammelte einige Sachen zusammen, die sie in das Anwesen ihres Vaters mitnehmen würde. Kleider brauchte sie keine, sie wusste bereits, dass sie ein Zimmer voller neuer Klamotten vorfinden würde. Der goldene Käfig erwartet mich bereits... Insgeheim hoffte sie, dass sie sich irrte und sich die Situation noch einmal ändern würde. Ihr kleiner vollgepackter Rucksack stand nun bereit. Sehen wir mal wie Tora auf Makis Neuigkeiten reagieren wird... Sie entschied noch unter die Dusche zu hüpfen, bevor sie sich schlafen legen wollte. Vor der nächsten Begegnung mit Tora hatte sie wirklich ein wenig Bauchweh. Mit dem unguten Gefühl fiel sie in einen traumlosen Schlaf.

Das KartenhausWhere stories live. Discover now