Die Nuss die nicht geknackt werden möchte

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Was verheimlicht sie? Genervt rieb er sich seinen Nasenrücken. Gedankenverloren nahm er sein Glas in die Hand und trank einen großen Schluck. Anfangs wollte ich ihr Geheimnis wissen, damit ich sie von der Schule schmeißen kann oder ihr das Leben schwer machen kann. Ihr Verhalten lässt mir gegenüber zu wünschen übrig. Tora schüttelte seinen Kopf. Wieso interessiert es mich was passiert ist? Ist es wirklich Interesse?! Selbst verzweifelt lachte er laut auf. „Lächerlich... als wenn mich so ein armes und unscheinbares Mäuschen interessiert!" In einem Zug leerte er sein Glas. Wieso denke ich überhaupt über so etwas nach?! Selbst verwirrt und genervt von seinen eigenen Gedanken, beschloss er vorm schlafen noch unter die dusche zu gehen. Morgen werde ich sie mir schnappen und raus bekommen, was sie vor mir versucht zu verbergen... diese Nuss knack ich auch. Bis jetzt habe ich alle geknackt...
Abschließend schlug er sich wütend gegen die Stirn. Sein eigenes Verhalten war ihm fremd. Das wird eine unruhige Nacht werden.

Ich falle... ich falle und keiner fängt mich... Ein erstickter Schrei ließ Tari panisch aus ihrem unruhigen Schlaf erwachen. Es brauchte eine Zeit, bis das Mädchen verstand, dass es ihr eigener Schrei war, der sie hochschrecken lies. Bitter lächelnd rieb sie sich mit dem Handballen über die Augen. Erstaunt schaute sie auf ihren nassen Handballen. „Ich habe schon Ewigkeiten nicht mehr im Schlaf geweint." Sie erkannte kaum ihre eigene Stimme, so brüchig und zittrig wie sie klang. Der Traum saß ihr noch in den Knochen und sie versuchte vergeblich sich auf andere Gedanken zu bringen. Wie soll ich Tora heute so vor die Augen treten? ... Wie soll ich je das Anwesen wieder betreten, wenn ich den gestrigen Abend gerade so überstanden habe...
Tari sah auf die Uhr und atmete erleichtert aus. Ihr Wecker zeigte kurz nach fünf. Ihr blieb genug Zeit um eine heiße Dusche zu nehmen und ihre Gedanken zu sortieren, ehe sie sich dem sadistischen Schulsprecher stellen würde. Sie ließ sich ausreichend Zeit unter der Dusche. Tari hatte die ganze Zeit gegrübelt, welche Entschuldigung sie Tora auftischen könnte, die ihren plötzlichen Aufbruch gestern Abend rechtfertigen konnte. Da ihr nichts zufriedenstellendes eingefallen war, hatte sie sich dazu entschlossen, ihm einfach nichts diesbezüglich zu sagen. Sie packte ihre Tasche und stellte mit entsetzen fest, dass sie ihre Hausaufgaben für diesen Tag nicht ein mal angefangen hatte. Genervt schnaubte sie über sich selber. Jetzt ist es eh zu spät... da muss ich heute wohl durch... Sie zog sich ihre Jacke an, nahm ihre Tasche und schaute noch einmal in den kleinen Spiegel der an der Haustür hing. Sie musterte ihr Spiegelbild und verzog wütend das Gesicht. „Diesen Mistkerl geht dein Leben nichts an. Also straff die Schultern, Brust raus und Bauch rein! Agiere wie immer Tari! Zeig dem Typen keine Schwäche." Kopfschüttelnd verließ sie die Wohnung. Jetzt muss mir mein Spiegelbild schon Mut zu sprechen... und unter Stimmungsschwankungen scheine ich auch schon zu leiden ...  Wäre die Situation eine andere hätte sie aufgelacht, aber im Moment war ihr das Lachen vergangen.

Sie war heute eine der ersten in der Schule, normalerweise ist sie immer eine der letzten.
So erhoffte sie unbemerkt in die Klasse zu kommen und keinem zu begegnen. Kaum war sie auf dem Flur ihrer Klasse angekommen, hörte sie schwere und selbstbewusste Schritte hinter sich. Ihr Gefühl verriet ihr, dass es sich um keinen anderen als Tora Igarashi handeln konnte. Nur jemand wie Tora konnte seine selbstbewusste Art durch jede Faser seines Körpers ausstrahlen. Tari wusste das sie stehen bleiben sollte und sich ihrem Schicksal stellen sollte, aber alles in ihr Sträubte sich. Sie merkte wie sie sich verkrampfte und ihre Schritte steifer und hölzerner wurden. Bitte lass ihn einfach beschäftigt sein und mich noch nicht bemerkt haben... Eine Hand die sich schwer und bestimmt auf ihre Schulter legte nahm ihr die Hoffnung. Das Mädchen holte tief Luft und atmete diese genauso schwer wieder aus. „Mich zu ignorieren wird dich vor einer Erklärung nicht bewahren". Tari hatte mit einem sarkastischen Unterton oder einem überheblichen Kommentar gerechnet. Aber seine Stimme verursachte eine Gänsehaut, die ihren gesamten Körper erfasste. Der ernste und ruhige Ton war gefährlich. Sofort verkrampfte sie noch ein bisschen mehr.
Tora merkte wie sich das Mädchen unter seiner Berührung verspannte und runzelte die Stirn. Normalerweise hätte er jetzt ob der Reaktion diabolisch gegrinst. Er liebte es wenn er anderen Respekt und gar Angst einflößte, es machte ihm Spaß seine Macht auszuspielen. Aber heute war ihm nicht nach etwas Spaß. Sie war Schuld das er mehr als die halbe Nacht damit verbracht hatte, sich Gedanken über sie zu machen. Es war etwas ganz Neues. Bis jetzt hatte es kein Weibsbild geschafft, so präsent zu sein, dass er sich unruhig in seinem Bett hin und her gedreht hatte. Um drei Uhr Morgens ist ihm dann der Kragen geplatzt und er ist eine Runde laufen gegangen. Sein Butler hatte ihm verwirrt die Tür geöffnet, als er wieder zurück kam. Seine Laune hatte sich nicht gebessert.
„Wieso sollte ich dir eine Erklärung schuldig sein" Mit ihrer Ablehnung hatte er definitiv nicht gerechnet. Toras verächtliches Schnauben und der Druck auf ihrer Schulter der sich verstärkt hatte, waren ein deutliches Zeichen, dass ihm ihre Antwort missfiel. Tora beugte sich zu ihrem Ohr runter „In. Mein. Büro!" Sie zuckte ob der strengen Autorität in der Stimme zusammen. Ihr fiel in diesem Moment sofort auf, wie viel er außer dem Aussehen von seinem Vater noch hatte. Das er kein Nein akzeptieren würde, war an dem Druck auf ihrer Schulter spürbar. Geschlagen atmete sie aus und macht sich auf den Weg in sein Büro. Das er ihr noch nicht mal einen Meter Abstand ließ, ließ darauf schließen, dass er glaubte, dass Tari bei der nächsten Ecke das Weite suchen würde. Das Mädchen schmunzelte bei dem Gedanken. Sie hätte tatsächlich lieber ihre Beine in die Hand genommen und wäre auf und davon. Vor dem Büro des Schulsprechers blieb sie stehen und wartete darauf, dass ihr dieser die Tür öffnete.
Er ließ ihr den Vortritt und wie beim letzten Mal, stand sie mitten im Raum und wartete. Doch diesmal setzte Tora sich nicht vor seinen Schreibtisch. Er blieb in einem geringen Abstand hinter ihr stehen. Tari fasste all ihren Mut zusammen und drehte sich dem jungen Mann zu. Als ihr Blick den seinem begegnete, war sie wie gefangen. Es war kein amüsierter Ausdruck wie sie ihn erwartet hatte. Es war auch kein Schalk in seinen Augen zu sehen. Tora blickte ihr ernst und streng in die Augen. Das Mädchen kannte diesen Blick. Es war ein Blick, den nicht mal die ehrlichste Lüge täuschen könnte. „Ich sitze fest" flüsterte sie, in der Hoffnung das er es nicht mitbekommen hatte. Tora quittierte ihre Äußerung jedoch mit einem wissenden Lächeln. Sie hätte sich dafür am liebsten gegen die Stirn geschlagen. Zeig ihm nicht wie nervös du bist! Zeig ihm deine nicht vorhandene Stärke!...Super jetzt mach ich mich schon in meinen eigenen Gedanken über mich selber lächerlich...
„Ich dachte bevor du wie beim letzten mal die Chance hast, die Flucht zu ergreifen, unterbinde ich es gleich." - „Und du meinst, dass jemand wie du mich so einfach aufhalten könnte?" Ihr harscher und fester Ton verblüffte anscheinend nicht nur sie. Für einen kurzen Moment huschte auch ein überraschter Ausdruck über Toras Augen. „Dafür das du dir gerade selber wünscht, heute morgen zu Hause geblieben zu sein, bist du ganz schön vorlaut" Tari schnaubte nur verächtlich. „Rede es dir nur selber ein Tora. Ich habe keinen Grund mich vor dir zu verstecken." Taris Trotz wuchs, was dazu führte, das Toras Ärger immer weiter anstieg. Tora machte einen Schritt auf sie zu, was sie automatisch einen nach hinten machen lies. Ihr viel entsetzte auf, dass sie ihm ausgewichen war. Tora dem ihre Reaktion keines falls entfallen ist, drängte sie bis an seinen Schreibtisch. Gefangen stand sie zwischen ihm und dem Möbelstück. Genervt sah sie den Schulsprecher an. „Was soll das werden, wenn es fertig ist?!" Fuhr sie ihn an. „Und schon bröckelt deine aufgebaute Verteidigung kleine Tari" Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, stemmte er je einen Arm rechts und links von ihr auf den Tisch und nahm ihr somit die letzte Möglichkeit zu entkommen. Seine Nähe war ihr definitiv unangenehm. Sie stemmte ihre Hände gegen seine Brust und versuchte vergeblich ihn von sich zuschieben. Ihr vergeblicher Versuch führte nur dazu, dass Tora ihr noch ein Stück näher kam. In ihrem Kopf begann es zu arbeiten und sie bekam Kopfschmerzen. Ich muss hier weg... ehe er mir gefährlich wird... Panisch sah das Mädchen sich um. „Versuch es erst gar nicht. Mein Büro, mein Territorium, meine Regeln!" Verächtlich lachte sie, was jedoch zu ihrem bedauern mehr von ihrer Angst preisgab als ihr lieb war.

Das KartenhausWhere stories live. Discover now