Kapitel 4 - Wir müssen gehen

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Nun sind es schon eine Woche seit Lavdims Tod und die Lage wird immer schlimmer. Sie brennen unsere Häuser nieder, ermorden Zivilisten und graben Massengräber.
Viele Dörfer in unserer Gegend wurden schon nieder gebrannt und Menschen ermordet. Auch in unserem Dorf werden sie reinmarschieren. Jeden Tag wachen wir mit der Angst auf, dass sie reinkommen und uns töten.

Es spricht sich rum, dass eine geheime Armee aufgestellt worden ist. Die "Ushtria çlirimtare e Kosoves" - Freiheitsarmee des Kosovos. Und auch Flamur mit dem jüngeren Sohn von Dada Sanije gingen zu diesen Treffen.

Am 1. März 1998 war unsere schlimmste Vorstellung zur Realität geworden. Wir mussten weg. Flamur kam um Mitternacht und sagte mir, ich solle das nötigste einpacken. Wir gehen in ein anderes Dorf das zehn Minuten Fußweg entfernt von unserem ist. Dort waren sie noch nicht einmarschiert. Zusammen mit den Frauen und Kindern unseres Viertels stiegen wir in dem Traktor eines Nachbarns und fuhren hin. Dort empfing uns eine nette Familie,  die ihr Haus mit uns teilten. Wir waren über 20 Frauen und Kinder in einem kleinen Keller des Hauses.

Wir waren zwei Nächte dort. Am Morgen des 3. März gingen die Hausherrin und ich in den Garten um Paprika und Tomaten, die sie selber eingepflanzt hatte zu holen un etwas zu essen.
Als wir gerade reingehen wollten, standen vor uns zwei serbische bewaffnete Männer mit Masken und fragten auf serbisch wie viele wir waren und ob Männer dabei sind. Die Hausherrin war schon etwas älter und beherrschte die Sprache nicht, ich hatte sie in der Schule als Fach so konnte ich ein wenig verstehen und auch sprechen.
Ich sagte ihnen, dass wir nur ältere Menschen und Frauen mit Kindern sind. Er zeigte auf ein riesen Loch auf dem Hof und sagte mir, dass wenn ihr nicht bis zur Abenddämmerung nach Albanien geflohen seid, wir alle in diesem riesen Loch lebendig begraben werden.

Mittlerweile hatte der Krieg richtig begonnen. Und auch die UCK wurde in den nächsten Tagen zu einer offiziellen Freiheitsarmee. Lavdim, Qendrim und viele andere Männer kamen sich noch am selben Tag verabschieden, unsere Männer ziehen in den Krieg. Es war der emotionalste Moment in meinem Leben den ich niemals vergessen werde.
Flamur konnte Zana nicht mehr loslassen und zu mir sagte er mit einer Art die ich noch nie seit dem ich diesen Mann kenne an ihm gesehen habe.

"Lirije, meine Liebste. Du warst meine Familie, mein ganzes Leben habe ich nur die und unserer Tochter Zana gewidmet. Ich weiß, dass ich dir das niemals gesagt habe weil ich wusste, dass du es weißt. Ich liebe dich Lirije und ich werde dich bis zu meinem letzten Atemzug lieben. Ich möchte nicht, dass unserer Tochter das gleiche Schicksal wie unseres erwischt. Deswegen bete für mich und darauf, dass wir uns sehr bald wiedersehen werden!"

Mittlerweile hatte ich begonnen und zu weinen und ich konnte ihn nicht mehr loslassen. Und auch obwohl er versuchte mir zu sagen, dass ich keine Angst haben soll, weil er wieder kommen würde. Klang es mehr nach einem Lebwohl als nach einem Aufwiedersehen.
Und obwohl ich wusste, dass dieser Tag kommen wird, hätte ich niemals gedacht, dass das für mich so schwer sein würde.

Flamur, mein Mann, meie Familie und alles was ich in diesem Leben habe. Wir teilten das selbe Schicksal, wir waren ein Herz und eine Seele. Die Liebe meines Lebens. Auch wenn wir uns nicht selber dazu entschieden hatten zu heiraten, schweiste uns die Zeit zusammen und wir lernten uns lieben.

Ich umarmte ihn das aller letzte Mal und schon machten sich die Männer auf den Weg und ließen uns zurück. Ich starrte ihm hinterher solange bis er nicht mehr zu sehen war. Ich hörte Frauen weinen und Kinder schreien doch das alles ging an mir vorbei.

Und auch wir machten uns bereit dieses Land zu verlassen. Ich nahm Zana auf den Arm und wir machten uns auf den Weg - nur Frauen und Kinder und ein viel älterer Mann der uns leitete. Zu Fuß marschierten wir stunden Lang in einer Kolone.
Es fielen überall Schüsse und wir sahen Dörfer anbrennen.
Wir näherten uns serbischen Milizen. Die Angst stieg denn wir wussten nicht was jetzt auf uns zukommen würde. Der ältere Herr der uns führte, trug den Plis - einen weißen ovalen Hut. Das ist albanische Tradition den viele Männer tragen vor allem ältere.

Sie halten uns an und befehlen dem alten Mann den Plis abzunehmen. Der alte Herr weigert sich und spricht kein Wort auf serbisch.
Auf albanisch fragt er sie mit tiefer stimme ob es denn nicht genug ist, dass sie unsere Häuser anbrannten uns wie Tiere aus unserer Heimat treiben. Reichte es denn nicht, dass sie uns missbrauchten und ermordeten? Er sagte, dass sie ihm wenigstens seinen Plis lassen sollen.

Wir hörten nur einen Schuss und sahen wie der alte Mann am Boden lag. Zana schrie auf und ich konnte sie nicht mehr beruhigen. Ich war in einem Schockzustand verfallen und ab diesem Moment ging alles sehr schnell. Ich bekam nichts mehr mit was um mih herum passierte. Zana schrie weiter und lauter und ich konnte nichts dafür tun dass sie endlich damit aufhört. Sie rief nach ihrem Vater. Als sich plötzlich einer der Männer näherten und mir Zana aus den Armen rissen, sah ich nur noch schwarz vor den Augen.

Mein verlorener SchatzWhere stories live. Discover now