Der Blick seiner braunen Augen, die in meine olivgrünen starrten, als mein vorerst höflicher Ton zu einem Nicht-mit-mir-Ton gewechselt war, gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Und das selbstsichere Grinsen, was sich auf sein Gesicht stahl-

Die Klingel unterbrach meine Gedanken, die ich am liebsten ins letzte Eck meines Gehirns verdonnern wollte, da ich nicht wollte, dass ich sie für einen Jungen verschwendete, der mir sowieso nicht geheuer war. Das Lieblingsgeräusch eines jeden Schülers erlöste uns endlich von der qualvollen Stunde.

Alle natürlich, außer mich.

»Wir sehen uns später Hailey«, rief mir Louis zu und schaute mit einem kleinen Lächeln zu mir herüber, während er den Klassenraum mit June zusammen verließ.
Mit meiner Tasche auf dem Rücken lief ich mit langsamen Schritten auf das Lehrerpult zu. Meine Angespanntheit war mir anzusehen, da war ich mir ganz sicher.

»Setz dich doch«, war das erste, was Mrs Roberts mir in einem recht netten Ton mitteilte, mit welchem ich heute eher weniger gerechnet hatte.

Um ehrlich zu sein, war ich ziemlich selten zu spät. Besser gesagt - so gut wie nie. Aus diesem Grund konnte ich ehrlich gesagt absolut nicht nachvollziehen, warum sie mich sprechen wollte und wieso sie das Thema vor dem ganzen Kurs so an die große Glocke hängte.

»Um dich nicht weiter auf die Folter zu spannen, Hailey, mein Anliegen mit dir zu sprechen war nicht dein Zuspätkommen, also kein Grund zur Sorge.«

Meine Anspannung war mir wie vermutet deutlich anzusehen und mit einem mal entspannten sich meine Muskeln sofort. Jedoch bin ich ziemlich verwirrt, da mir nicht wirklich ein anderer Grund einfiel, wieso sie mich sprechen möchte.

»Wie du weißt, steht heute die Abschlussfeier der zwölften Klassen an. Es gab noch einige Vorbereitungen zu erledigen und ich würde dich darum bitten, dass du eine der Erledigungen von heute Vormittag übernimmst.«

Na das war ja ganz toll.

»Du weißt, dass ich den meisten aus deiner Stufe nicht wirklich traue. Bei dir allerdings habe ich keine Bedenken und bin mir ziemlich sicher, dass du keinen Unsinn machst. Ich bitte dich lediglich darum, die Mappen der Schülerinnen und Schüler des Abschlussjahrgangs zu ordnen. Sie müssen nur alphabetisch sortiert werden, da sie heute Abend ausgeteilt werden.«

Sie schaute mich mit einem hoffnungsvollen Blick an und wartete auf eine Reaktion meinerseits. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich zu unserem Gespräch noch nicht einmal zu Wort gekommen war und nur stumm ihrem Redeschwall lauschte.

»Alles klar, wenn es weiter nichts ist«, stimmte ich ihr zu, woraufhin ein großes Lächeln ihr Gesicht zierte und ich ebenfalls ein wenig lächelte. Mich steckte das Lächeln von Menschen schnell an. Wirklich Lust hatte ich zwar nicht dazu, aber ich weiß, dass diese Aufgabe in einer ziemlichen Katastrophe enden würde, wenn das beispielsweise eine der Mädchen aus meiner Stufe machen würden. Wer weiß, vielleicht hatten einige von ihnen sich auch bei Mrs Roberts gemeldet gehabt und sie hatte diejenigen schon abgelehnt?

Sie war nämlich die Lehrerin, die jedes Jahr den größten Kontakt mit den Juniors und Seniors pflegte, war erst Anfang dreißig, sah gut aus und war sehr beliebt in der Schülerschaft. Mrs Roberts war eine selbstbewusste junge Frau, zu der alle Schülerinnen aufsahen und unterrichtete neben Englisch auch Sport, was gerade die Jungs in den Abschlussjahrgängen sehr zu schätzen wussten und es auf eine mir nicht verständliche Art heiß fanden, dass ihnen eine gutaussehende junge Lehrerin sagte, was sie zutun hatten. Dass sie aber das Sagen hatte und sich ihrer Autorität mehr als nur bewusst war, schreckte die Typen nicht ab, sondern fanden es im Gegenteil sehr anzüglich und deshalb machten sich die beschriebenen Personen immer wieder zur Aufgabe, sie in lange Gespräche zu verwickeln, da sie sich ja angeblich so sehr für die theoretisch erklärten Grundzüge vom Intervalltraining interessierten.

Dass ich nicht lachte.

Vielleicht hörte sich das jetzt komisch an, aber wenn ich eine Lehrerin an unserer Schule mochte, dann war es Mrs Roberts. Da kam gar keine andere in Frage. Sie ließ einfach keine Spielchen zu und das liebte ich an ihr.

Ich war mir ziemlich sicher, dass einige der Mappen, die ich heute ordnen sollte, sicherlich ›gar nicht dagewesen‹ wären, falls die Mädchen meiner Stufe diese Aufgabe bewältigen würden. Diese wären nicht versehentlich in ihren Taschen Mädchen gelandet, auf keinen Fall. Die Ironie in meinem letzten Satz war hoffentlich deutlich herauszuhören. Dass man gerade diese Situation dringend vermeiden wollte, leuchtete mir natürlich ein und ich sagte aus gutgemeinten Gründen zu.

»Und wann soll ich das ganze machen?«, fragte ich sie, während sie ihre Tasche mittlerweile ebenfalls zusammenpackte und ihre schwarze Brille zurechtrückte. »Am besten jetzt«, teilte sie mir in einem euphorischen Ton mit und machte mir mit einer Handbewegung deutlich, dass ich ihr folgen sollte.

                             ☾

Heyy!
Über das bisherige Feedback habe ich mich sehr gefreut, Kommentare und Sterne sind gerne gesehen, ein großes Dankeschön.♥️

LAST SUMMERWhere stories live. Discover now