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„Erstens, Henry ist tabu für jeden außer mir.", sie machte eine Kunstpause. Ich musste an mich halten, um nicht laut loszulachen.
„Bist du mit ihm zusammen?", fragte ich stattdessen und sah sie unschuldig an.
„Noch nicht. Aber das läuft schon lange zwischen mir und ihm, also wird es bald soweit sein.", dabei klang sie richtig stolz.
Ich konnte mich gar nicht gegen das bedrückende Gefühl wehren, das ihre Worte bei mir auslösten.
Doch das ließ ich mir nicht anmerken, stattdessen legte ich ein harmloses Lächeln auf und sagte: „Weiß Henry das denn schon? Das zwischen dir und ihm."
Ich hätte wirklich über ihren Gesichtsausdruck gelacht, doch ich wollte unschuldig und vielleicht auch ein bisschen dumm wirken. Sie sollte schon denken, dass ich sie ernst nahm.
„Natürlich.", antwortete sie mir mit so einer Selbstverständlichkeit, als würde sie an meinem Verstand zweifeln.
Ich nickte einfach bewundernd.
„Dann ist diese Regel doch unnötig, oder? Wenn er so oder so schon nur Augen für dich hat."
Sie sah mich säuerlich an.
„Halt dich einfach von Henry fern."
Zu gern hätte ich sie gefragt, was passierte, wenn ich mich nicht an diese Regelung hielt, doch eigentlich wollte ich mich ja gar nicht mit ihr unterhalten.
„Zweitens, niemand blondiert seine Haare in der gleichen Farbe wie ich."
Jetzt konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich musste einfach laut loslachen.
Ich hielt meinen Bauch und lachte.
Der Lehrer sah mich verstört an und schickte mich vor die Tür, um mich zu beruhigen.
Als ich die Tür öffnete, sah ich Henry. Er stand auch auf dem Gang und Chloe schnappte nach Luft, als sie ihn sah und ich mit einem falschen Lächeln in ihre Richtung aus der Tür schlüpfte.

Henry sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Chloe hat mir einen wirklich guten Witz erzählt, deshalb musste ich lachen.", erklärte ich.
Er nickte gespielt mitfühlend und ich musste lachen.
„Wer ist Chloe?", fragte er mich dann. Ich musste nur noch mehr lachen. Als ich mich beruhigt hatte, schaffte ich es einen vollständigen Satz zu bilden: „Was hast du denn gemacht, dass du hier stehen musst?"
„Ja, ich hab reingerufen.", erklärte er dann. Kurz überlegte er, dann entschloss er sich doch dagegen, das konnte ich sehen. Es war ungewohnt in so viele Gedanken und Gefühle aus einem Gesicht lesen zu können, denn ich kannte niemanden, bei dem das so war, aber es war auch wunderschön. So hatte ich das Gefühl, dass ich Henry in jeder Hinsicht trauen konnte. Er wirkte so ehrlich und so lebendig dadurch.
Wir sahen uns in der Stille an, dann brach Henry das Schweigen.
„Wir sollten mal gemeinsam etwas unternehmen."
Eine Stimme in meinem Kopf erinnerte mich daran, dass ich keine Freunde finden wollte, weil ich sowieso nicht bleiben würde. Eine andere Stimme sagte mir, dass ich mich mit Henry auch gar nicht nur anfreunden wollte. Irgendwo spürte ich schon den Schmerz, den ich haben würde, wenn wir wieder wegziehen mussten. Alles in mir gab mir Gründe, die dagegen sprachen etwas mit Henry zu unternehmen. Es war wirklich unvernünftig. Ich sollte ihm sagen, dass ich mich lieber von ihm fern halten wollte. Vielleicht würde ich mich dann sogar mit Chloe anfreunden, um sie wäre es nicht schade bei einem Umzug. Allerdings sollte ich Henry jetzt erstmal sagen, dass ich mich nicht mit ihm treffen wollte.
„Sehr gerne."
Ok, das war nicht was ich hätte sagen sollen, aber irgendwie war ich mir sicher, dass es das war, was ich wollte. Die Freundschaft mit Chloe war jetzt aber nicht mehr besonders realistisch.
Henry strahlte mich an. Ich konnte nicht zurück strahlen, dafür machte ich mir zu viele Gedanken. Ein müdes Lächeln schaffte ich trotzdem.
Die Tür des Klassenzimmers ging auf.
Chloe winkte mich in den Raum.
„Wir treffen uns in der Mittagspause.", sagte Henry und ich musste einfach lachen.
Sein Lächeln war so ansteckend.

CARAMELWhere stories live. Discover now