Kapitel 1

1K 34 33
                                    

Ich wache davon auf, dass meine kleine Schwester Walgeräusche von sich gibt, mein Bruder anfängt auf seiner Ukulele zu spielen, meine Mutter einen hysterischen Anfall kriegt , weil ihr "SCHEISS VERDAMMTER KACK SCHEISS ARMER SCHEISS RITTER- KINDER DAS HABT IHR NICHT GEHÖRT UND DAS SAGT MAN NICHT, WALISA HÖR SOFORT AUF.. TIMO!!" abgebrannt ist, unsere Nachbarn sturmklingeln und wie jeden Morgen drohen die Polizei wegen Lärmbelästigung zu holen und die Sirenen der Feuerwehr, weil bei Mamas Versuch einen armen Ritter zu machen, der Herd Feuer gefangen hat. Um ehrlich zu sein, bin ich deswegen gar nicht aufgewacht. Mit den Jahren habe ich mir einen ziemlich tiefen und festen Schlaf angeeignet, den man hier auch dringend benötigt. Um ehrlich zu sein, wache ich erst auf, als ein Mann in voller Feuerwehrmontur vor meinem Bett steht und an meiner Schulter rüttelt und "MÄDEL STEH AUF EURE KÜCHE BRENNT", in mein rechtes Ohr brüllt. Ich bin noch total verwirrt und schlaftrunken und wehre mich deshalb auch nicht, als er mich an meinen Arm packt und im Schlafanzug durch unsere verqualmte Wohnung zerrt und mich praktisch in die Arme eines Feuerwehrmanns schubst mit den Worten:" Bring die Kleine nach unten." Die "Kleine" ist 19 Jahre alt, aber peinlich berührt verschweige ich dieses winzige Detail. Es würde mir ohnehin niemand glauben, ich trage nämlich meinen Schlafanzug mit den kleinen Pinguinen und selbst in normalen Anziehsachen gehe ich so gerade als sechzehn durch. Zu meinem Leidwesen stelle ich fest, dass der Feuerwehrmann ziemlich heiß ist. Und das nicht nur weil sein linker Schuh Feuer gefangen hat. "Dein Schuh brennt", murmele ich. "Oh", peinlich berührt fängt er an mit unserer Fußmatte die Flammen zu ersticken. "Danke Kleine", er lächelt mir zu. "Bringen wir dich mal runter zu deiner Mama."

Meine "Mama" steht mit angekokelten Haarspitzen vor einer kleinen Menge Schaulustigen und streitet sich lautstark mit einem Feuerwehrmann, während Walisa, auf dem Boden liegt und einen Wal auf dem Trockenen mimt. Sie hat total den Knall und denkt sie ist ein Wal, was vermutlich der Tatsache geschuldet ist, dass meine Mutter pausenlos Tiersendungen in ihrer Schwangerschaft geguckt hat, bevorzugt welche über Walrettungen vor Harpunen. Walisas Beitrag zur Verhinderung des Aussterbens der Tiere ist selbst ein Wal zu werden. Oder es ist ihr Name der sie so traumatisiert hat. Meine Mutter weigert sich aber mit ihr zum Psychiater zu gehen, weil sie dann all ihre Kinder dorthin schicken müsste und das wäre schlicht zu teuer. Vermutlich hat sie damit sogar Recht. Neben Walisa , sitzt Timo. Timo ist zehn, redet nicht viel, was in dieser Familie ganz erfrischend ist. Leider hat er ein großes Hobby: Ukulele spielen. Wenn ich noch einmal die Akustik Version von "Over the Rainbow" hören muss, geht seine Ukulele bald über den Rainbow. Er umklammert sie ängstlich, während er hoch zu der Rauchwolke guckt, die aus unserem Fenster zieht, so als könnte er meine Gedanken lesen. "Suzie", ruft meine Mutter, als sie mich sieht und unterbricht sogar ihren Streit mit den Feuerwehrmann. "Hast du Herbert und Nelson gesehen?" Nelson ist mein fünfzehnjähriger Bruder und ist vielleicht noch mit der normalste, auch wenn er jeden Tag ungefähr dreißig Runden mit Herbert, unserem Hund, um den Phoenixsee joggt. Ich zucke mit den Schultern. "Vielleicht ist der mit Herbert am See", sage ich. "Was?", fragt der Fsuerwehrmann hysterisch. "Dort oben sind eventuell noch zwei Personen?" "Naja", sage ich. "Genau genommen ist Herbert keine..." Aber der Feuerwehrmann ist schon losgerannt. Ehrlich gesagt, mache ich mir wenig Sorgen das Nelson da oben noch irgendwo ist, der ist so sportlich, er könnte vermutlich mit doppelten Salto aus dem Fenster springen und dabei gleichzeitig noch Herbert Huckepack tragen. Bescheuerte Namen sind übrigens das Familienhobby. Andere Familien gehen Minigolfen oder Taubenzüchten, wir können eine Selbsthilfegruppe zum Thema:" Wie man seinen bescheuerten Vornamen so abkürzt, dass man deswegen nicht mehr gehänselt wird", gründen. Timo, mein Ukulelebruder, hat das große Los gezogen, denn zu dem Zeitpunkt seiner Geburt, war meine Mutter gerade mit einem sehr konservativen Typen zusammen, der im Katasteramt arbeitete und in seiner Freizeit Sachen aus Legosteine bastelte. Dennoch haben wir alle (außer Walisa), denselben Vater, der allerdings nach zwanzig Jahren Ehe mit meiner Mutter festgestellt hat, dass er doch eher auf das andere Geschlecht steht und einen extrem reichen Bankmanager geheiratet hat, was Mama ihm immer noch übel nimmt. Aber nicht, weil er nicht auf sie und ihr Geschlecht steht, sondern weil er in einem riesigen Loft am Phoenixsee wohnt, wo wir von unserer maroden Altbauwohnung, die viel zu wenige Zimmer hat, nur sehnsüchtig hinstarren können. "Achje", sagt Mama und reißt mich aus den Gedanken. "Das hat mir alles gerade noch gefehlt. Und das ausgerechnet kurz bevor Millie mit ihrem Freund zu Besuch kommen wollte." Millie ist meine große Schwester und sie ist alle drei großen SSS. Schön, schlau, schlampig. Vor kurzem hat sie sich so ganz neben ihrem Jurastudium einen superreichen Typen geangelt und anscheinend ist es ihr ernst mit ihm, den sie will uns ihn nächste Woche vorstellen. Das kann ja interessant werden. Mama seufzt erneut. "Suzie, wärst du so lieb und könnest Brötchen holen?" Sie drückt mir einen Zehner in die Hand. "Vielleicht sind die Feuerwehrleute bis dahnin ja schon weg,dann können wir noch gemütlich frühstücken", sagt sie hoffnungsvoll. Nunja, jeder hat eine andere Vorstellung von gemütlich. Langsam mache ich mich auf den Weg, auf halber Strecke kommt mir ein verschwitzter Nelson mit Herbert an der Leine entgegen. "Schickes Outfi, Suzie", sagt er und grinst. Ich schaue an mir runter und stelle verlegen fest, dass ich immer noch meinen Pinguin Schlafanzug trage. Nelson sieht die Rauchwolken und stöhnt. "Nicht schon wieder. Aber es ist doch diesmal nicht wieder Walisa die im Bad versucht hat Bilder von Walfänger zu verbrennen oder?" "Ne", sage ich. "Mama hat versucht einen armen Ritter zu machen. Jetzt ist er nicht mehr nut arm sondern auch ziemlich verkokelt." Nelson lächelt schwach über meinen lahmen Witz. "Soll ich eben zu Papa gehen und ihm Bescheid sagen?" "Ja", sage ich. "Und erwähn am besten noch, dass die Feuerwehrleute heiß sind, dann hilft er vielleicht sogar bei den Aufräumarbeiten."

Als ich wiederkomme, bepackt mit Brötchentüten (für zehn Euro kriegt man eine Menge Brötchen) sind die Schaulustigen und die Feuerwehr tatsächlich verschwunden, was ich ein wenig bedauere. Zu meiner Überraschung sitzt die ganze Familie um den wackeligen und nun auch leicht angekokelten Holztisch und guckt erwartungsvoll auf die Brötchentüten in meinem Arm. Es stinkt total verbrannt und unsere Tapete, die Vorhänge und der Herd sind hinüber, aber ansonsten scheint die Wohnung noch bewohnbar zu sein. "Die Feuerwehrleute waren schon weg als ich kam", sagt Papa enttäuscht und streichelt Walisa über die Haare die zufriedene Walgeräusche von sich gibt. "Da hast du was verpasst", sagen Mama und ich gleichzeitig. Ich werfe Mama einen schockierten Blick zu. "Was?", Mama zuckt nonchalant mit den Schultern. "Der Michael, der Feuerwehrmann, mit dem ich mich gestritten hab, war doch ein Schnuckelchen." "Der war ungefähr 27", sage ich entsetzt. Mama wirft mir einen missbilligenden Blick zu. "35." "Ich will gar nicht wissen, warum du das weißt", murmelt Nelson und greift nach einem Brötchen. "Ich hab ein Date mit ihm", sagt Mama freudestrahlend. Papa verdreht die Augen. Na dann, ist ja bestimmt bald Geschwisterchen fünf im Anmarsch.

Es ist Sonntag und Sonntags heißt Babysitten bei den Meiers. Den Job habe ich durch Papas Mann Charles gekriegt. Die Meiers sind stinkreich und haben zwei Kinder, die wunderbar normal sind, keine Instrumente spielen (außer Klavier) und sich auch nicht für irgendwelche Tiere halten. Die drei Stunden sind immer ein Klacks. Die Meiers mögen es nämlich Sonntags in aller Ruhe brunchen zu gehen- undzwar ohne ihre Kinder- und ich bekomme zwanzig Euro die Stunde, was natürlich viel zu viel ist, aber ich beschwere mich darüber nicht. Ich spiele mit Lars und Lasse gerade Monopoly, während Frau Meier sich ihre dicken Klunkerohringe ansteckt, als es an der Tür klingelt. "Ach", murmelt sie überrascht. "Ich hab ganz vergessen, dass er ja auch noch kommt." Eilig wieselt sie zur Tür. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie sich Lars einen 100 Geldschein vom Stapel nimmt. "LARS", rufe ich. "Nicht schummeln!" Frustriert schubst Lars das Brett von sich weg, sodass es klappernd mitsamt allen Figuren auf die Erde fällt. "Du hebst das jetzt sofort auf", sage ich drohend. "ICH WILL ABER NICHT MEHR MONOPOLY SPIELEN", heult Lars rum. "ICH WILL LIEBER MIT ERIK FUßBALL SPIELEN." Gut, vielleicht sind sie doch nicht immer pflegeleicht. "Nein, wir spielen das jetzt zueende, du kannst nachher noch mit deinem imignären Freund Fußball spielen." Lasse kichert. Ich reiße den Kopf hoch. An der Tür steht verlegen ein Junge, vielleicht etwas älter als ich,mit blonden Haaren und roten Wangen. "Hi", sagt er peinlich berührt. "Ich bin Erik."

Hi :) Ich hoffe euch gefällt,das erste Kapitel! :) Es war ein wenig inspiriert von Eriks Interview, wo er gesagt hat, dass er manchmal auf Kinder von Bekannten aufpasst. :D Über Kommentare oder Votes würde ich mich riesig freuen!

Love, Live, Wale || Erik DurmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt