Kapitel 4

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Verunsichert starre ich auf meine Reflexion in Eriks Haustürscheibe. Mein blondes, welliges Haar sieht aus als wäre ich mit einer Hand in einer Steckdose durch einen Orkan gerannt, meine Wangen sind rot vom Fahrradfahren und die Wimperntusche hat sich dekorativ um meine braunen Augen verteilt. Dann fällt mir ein, dass es ja nur Erik ist und , egal wie gut er aussieht, er ohnehin nur ein Arschloch ist. Trotzdem wische ich schnell die Wimperntuschereste weg und versuche rasch meine Haare mit meinen Händen zu glätten. Heroin-chic ist einfach schon seit den 90er nicht mehr in. Bevor ich jedoch weitere Schönheitsmaßnamen vornehmen kann, wird die Tür aufgerissen. Da ich mich gerade vorgebeugt habe, um mein Spiegelbild genauer zu betrachten, ist das Erste was ich sehe Muskeln, die sich unter einem (extrem engen) Shirt abzeichnen. Und direkt vor meiner Nasenspitze ein Bauchnabel. "Hi", sage ich verlegen zu Eriks Bauchnabel und richte mich auf. "Hi", er lächelt amüsiert und hält mir die Tür auf.

Seine Wohnung ist nicht halb so luxuriös, wie ich sie mir vorgestellt habe. Eigentlich sieht sie ganz normal aus, mal abgesehen von seiner Vorliebe für kitschige Bilderrahmen mit Fotos von Familien und Freunden. Ich deute auf ein besonderes scheußliches Exemplar. "Freunde sind wie Engel, die dir auf die Beine helfen, wenn deine Flügel versagen", doziere ich und ziehe die Augenbrauen hoch. "Hast du den deiner Oma geklaut?" Verwirrt sieht Erik mich an. "Wieso, ist doch schön." "Ein Freund ist jemand, der dein Lächeln sieht, aber trotzdem weiß, dass deine Seele weint", steht auf dem Nächsten. Meine Seele weint auch bei diesen kitschigen Sprüchen. "Hübsche Wohnung", sage ich. "Und,äh, sehr weise und inspirierend." Inspirierend vorallem, weil ich gerade beschlossen habe mich niemals mit Erik anzufreunden (nicht, dass dies überhaupt eine Option ist), damit nie ein Bild von mir in einem solchen scheußlichen Bilderrahmen landet. Ich lasse mich auf sein Ledersofa fallen. "Also", sage ich. "Was willst du so dringend mit mir besprechen?" Erik setzt sich auf den Sessel gegenüber von mir und greift nach dem Eisbeutel, um ihn sich gegen die Stirn zu halten, wo eine riesige Beule prangt (und ein Lilifeepflaster). "Ich habe sie in zwei Tagen zum Essen eingeladen", verkündet er. "Und du musst so tun, als wärst du meine Freundin." "Ich weiß", sage ich ungeduldig. "Und?" "Nunja", Erik rutscht unbehaglich hin und her. "Damit es realistisch wirkt, müssen wir nicht nur vor ihnen wie ein Paar uns benehmen. Sondern es offiziell machen." "Was?", entsetzt starre ich ihn an. "Und", Erik zaubert eine kleine Schachtel aus seiner Trainingshose. Entsetzt weiche ich zurück. "Ehm Erik, ist hier irgendwo die Notfallnummer deines Psychiaters? Ich glaube, den brauchst du jetzt ganz dringend." Er verdreht die Augen. "Stell dich nicht so an. Wir werden doch nur so tun.Also..", sagt er theatralisch und lässt sich vor mir auf ein Knie fallen. "Nein, Nein", sage ich und versuche ihn an seinen Oberarmen hochzuziehen, aber er ist echt schwer. "Willst du mich heiraten, Sarah?" "Ich heiße Suzie", sage ich.

Ich betrachte den Ring an meinem Finger. Er ist echt hübsch und sieht sehr teuer aus. "Für wen war er bestimmt?", frage ich ihn. "Für meine Exfreundin", sagt er und starrt auf den Ring. "Sicher, dass dies eine gute Idee ist?", frage ich ihn zweifelnd. "Meinst du sie wird sich sofort von ihm trennen und sich an deinen Hals werfen , obwohl du sogar verlobt ist? Sorry Erik, die Idee ist kacke." "Egal", sagt er. "Ich muss es versuchen." Ich schnaube. "Die dumme Kuh ist das doch nicht wert." Wütend guckt Erik auf. "Nenn Lena nicht so." Ich verdrehe die Augen. Da ist jemand aber buchstäblich blind vor Liebe. "Aber du machst mit, oder?", fragt Erik bittend. Ich seufze. Nicht, dass ich wirklich eine Wahl habe. "Ja, ich will Arschloch"

Zum zweiten Mal an diesem Tage komme ich schlechtgelaunt nach Hause. Geräuschvoll lasse ich die Tasche im Flur fallen. "Hallo", rufe ich. "Ich bin zurück." Keine Antwort. Stattdessen riecht es nach Farbe. Neugierig spähe ich in die Küche. Mama steht da mit dem Feuerwehrmann von heute morgen und macht mit ihm rum, während die Küche halbwegs neugestrichen ist. "Mama", sage ich und klopfe ungeduldig gegen den Türrahmen. "Ich muss dir was sagen." Erschrocken löst sie sich von ihm. "Oh Suzie", sagt sie außer Atem. "Hab dich gar nicht kommen gehört. Das ist Suzie, meine Tochter und das ist..." "Jaja", unterbreche ich sie. "Ist auch egal. Nächste Woche heißt er Walter oder Uwe ." Meine Mutter lacht nervös und tätschelt die Brust von dem Feuerwehrmann. "Meine Suzie, so ein Witzbold." "Der Witzbold hat sich verlobt", sage ich und verschränke die Arme. "Haha", sagt meine Mutter. "Ist sie nicht lustig?" "Das war kein Scherz." "WAS?", der Kopf meiner Mutter fährt ruckartig zu mir herum. Ich strecke meine Hand mit dem Ring aus. "Erik und ich haben uns verlobt ", verkünde ich. "Wer zum Teufel ist Erik?", ruft meine Mutter hysterisch. Tja, Eriks Plan hat durchaus so seine Schwachstellen. "Gute Frage", murmele ich. Sieht so aus, als hätte ich mich mit einem praktisch Fremden verlobt und das nur, weil ich kein Fußball spielen kann.


Meine Mutter beruft eine eine Familiennotsitzung ein und lädt sogar Papa und seinen Freund ein. Michael (der Feuerwehrmann) sieht aus, als würde er sich ein wenig fehl am Platz fühlen, während er eingequetscht zwischen Nelson und Walisa auf dem Boden um die "Familienkerze, mit der wir all unsere Probleme bewältigen können" sitzt. "Bist du echt verlobt?", fragt Nelson. Ich nicke ergeben. "Krass", sagt er. "Er ist reich und sieht gut aus und mag Wale", sagt Walisa. "Ich will den auch heiraten." "Hier heiratet niemand irgendwen", ruft Mama hysterisch. "Doch", sagt Papa und sieht etwas verlegen aus. "Wo wir gerade schon bei dem Thema sind. Stefan und ich werden heiraten." Er legt seinem Freund, eine Hand auf die Schulter. Mama sieht aus, als würde sie jeden Moment platzen. "Toll", sage ich. "Vielleicht können wir ja eine Doppelhochzeit planen." "Nicht so voreilig, Madame", sagt Papa streng. "Du bist nun wirklich sehr jung und wir können dir es natürlich nicht mehr verbieten, aber wir wollen den jungen Mann wenigstens kennenlernen." "Meinetwegen", sage ich. Hah, das wird ein Spaß. Erik wird sich an meiner Familie die Zähne ausbeißen.


Wie fast schon üblich, werde ich am nächsten Morgen von einem Feuerwehrmann geweckt, der an meiner Schulter rüttelt. "Wo brennt es diesmal?", murmele ich verschlafen und reibe meine Augen. Es ist Mamas Feurwehrdate, das anscheinend über Nacht geblieben ist. "Oh", sagt er. "Dein Bruder Timo hat gerade versucht ein Lagerfeuer im Bad zu legen, um das Lagerfeuerlied auf seiner Gitarre..." "Ukulele", unterbreche ich ihn. "Ukulele zu spielen, aber deswegen sollte ich dich nicht wecken. Du musst zur Arbeit." Ich schnaube. "Was für eine Arbeit?" Er zuckt mit den Schultern. "So ein Mann hat angerufen und gesagt, dass du heute um Zehn bei der Arbeit erscheinen sollst, weil er den Job für dich besorgt hat." Schlagartig reiße ich die Augen auf und grinse. Erik hat seinen Teil der Abmachung erfüllt.

Love, Live, Wale || Erik DurmWhere stories live. Discover now