Prolog

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Prolog
50 Jahre zuvor, Nemea in Volantis
Die Stadt brannte, Flammen erleuchteten den Nachthimmel.
Der Hafen von Nemea war seelenlos und still, als ein kleines Boot an einem zerbrochenen Steg anlegte. Ein schwarzer Schatten stieg in einer einzigen Bewegung aus der Barke. Der Blutmond spiegelte sich in seinem silbrigen Schwert.
Es roch entsetzlich nach Feuer und Blut und Tod. Fliegen schwirrten durch die Luft und ließen sich auf den Überresten der Krieger nieder. Verwesung lag wie ein Nebelschleier über der Stadt. Die Kriegstrommeln wurden von den Schreien der letzten stehenden Männern übertönt.
Voller Entschlossenheit schritt Theron den Steg entlang. Er war in einen dunklen Umhang gehüllt, der den massiven Harnisch aus Bronze verdeckte. Auf seinem kobaltblauen Umhang prangte der Markuslöwe als Zeichen seiner Loyalität.
Es war kein weiter Weg, den der Mann zurücklegen musste bis in das Herz der Stadt und bestimmt kein schwieriger. Er rechnete nicht damit, dass noch viele Soldaten standen, die noch kräftig genug waren sich gegen ihn zu stellen. Die Schlacht hatte bereits Tage überdauert und die Soldaten wurden immer müder und schwächer.
Auf seinem Weg durch die einst grasbewachsenen Ebenen sog sich das Leder seiner Schuhe mit dem Blut voll, dass im ganzen Land verteilt war. Leichen häuften sich auf seinem Weg zum Palast, am Wegesrand gestapelt. Aus dem Gewirr von Menschen- und Pferdeleichen drang das Summen der Aasfliegen.
Es war noch immer still, doch Theron konnte die Kämpfenden spüren. Ihre Angst, ihre Panik. Konnte ihre Verzweiflung bitter auf seiner Zunge schmecken.
Der Mann schlich im Schutz der Stadtmauer weiter den Berg hinauf bis zum Palast. Er musste sich vorsehen, dass nicht doch ein letzter Soldat ihm seinen Plan ruinierte. Keirs Leben würde heute ein Ende finden, dass hatte er sich geschworen.
In der Ferne ertönten Glocken und schlugen die vierte Stunde. Die Sonne würde bald aufgehen und dann musste er wieder auf dem Heimweg sein. Er durfte nicht riskieren, dass ihn jemand erkannte.
Theron bog in eine große Straße ein und sah die Soldaten. Sie tanzten in Gruppen umeinander herum, kraftlos und doch vereint stark, für das höhere Wohl. Sie tanzten auf der Schwelle des Todes, der sie liebreizend lockte und sein Eigen nennen wollte. Sie waren verloren und starben für nichts, denn ihr König würde in wenigen Minuten sterben.
Niemand achtete auf ihn und so lief er weiter bis zum Fuße des Palastes. Vor ihm lag eine imposante Treppe, die in das Herrenhaus führte. Der Mann setzte alles auf eine Karte. Er wusste nicht ob Keir sich in den Mauern des Palastes aufhielt oder überhaupt in Volantis war, doch würde er Krieg führen, würde der Mann seine Soldaten nicht alleine lassen. Doch Keir war nicht wie Theron und deshalb musste er sterben. Er stieg die Treppen hoch und warf sich gegen die massiven Doppeltüren. Mit einem Knarren schwangen sie auf. Es war nicht lange her, seit der Mann die Hallen dieses Hauses zuletzt betreten hatte und so fand er schnell am Ende eines langen Ganges die Tür zum Thronsaal. Sie stand offen und keine Wachen waren zu sehen. Nur Keir, der sich auf seinem neuen Thron räkelte.
Keir hob den Kopf als er den Mann entdeckte. »Guten Tag, mein alter Freund.« Theron versteifte sich. »Seid Ihr hier um mir Eure Glückwünsche zu überbringen? Seid ihr zur Besinnung gekommen und wollt nun doch das Knie beugen?«, Keir hob lächelnd ein Weinglas vom Boden auf und schwenkte das rote Nass im Glas.
Der Mann konnte sich nicht rühren. So lange hatte er auf diesen Moment gewartet, hatte daraufhin gearbeitet Keir vernichtend zu schlagen, nachdem dieser seinen Freund Caelean getötet und den gesamten Kontinent hatte einnehmen wollen, darunter auch Therons Vaterland, Illyria. Es war ihm jedoch gelungen das Land Dank uralter Magie zu schützen. Theron wusste, was Keir anzurichten vermochte und deshalb hatte er sich auf die Reise in den Süden gemacht, um Volantis, das Land seines Freundes, vor dem nahenden Unheil zu bewahren. Er hatte es als seine Ehrenpflicht empfunden, die zu retten, für die es noch nicht zu spät war.
»Ich bin weder hier, um das Knie zu beugen noch um Euch zu beglückwünschen, denn ich bin mir sicher, da zieht Ihr eher die weiblichen Zeitgenossen vor. Und ich bin mir auch sicher, dass sie Euch schon zu Genüge gepriesen haben. Nein, ich bin hier, weil ich Euch zu einem Kampf herausfordern will«, die Stimme des Mannes war kalt trotz der Angst, die ihn zu verraten drohte.
Keir lachte arrogant und entblößte messerscharfe Zähne. »Aber wir kämpfen doch schon. Reicht Euch das nicht? Ihr predigt von den wertvollen Leben der Männer und dann wollt Ihr sie in einem dieser, wie Ihr sagt, sinnlosen Kriege schicken?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Ihr gegen mich. Alleine.«
»Ihr habt die Stirn mich herauszufordern?«, Keirs Blick zuckte kurz.
Theron trat vor, eine Hand auf den Knauf seines Schwertes gelegt . »Ja«, sagte er und starrte Keir in die Augen, versuchte ihn einzuschätzen. Würde er kämpfen? Oder würde er Verstärkung rufen?
Keir erhob sich, trank seinen Wein in einem Zug aus und trat auf seinen Widersacher zu. Wusste er, dass er sterben würde?
»Kühn seid Ihr ja, dass muss man Euch lassen. Hier aufzutauchen, nachdem Ihr mich vor Euren Toren so sehr beleidigt habt«, Keir zuckte die Schultern. »Ihr habt meinen Respekt dafür aber ich dachte Ihr wäret weiser und würdet mein Geschenk, Euer Leben, sinnvoller nutzen, als in meinem Reich aufzutauchen und mich herauszufordern.« Er spielte an seinem Glas, während er den Mann musternd umkreiste. »Wahrlich, Ihr müsst Euren Freund sehr vermissen, dass Ihr ihm sobald in den Tod folgen wollt.«
»Große Worte. Auf dem Schlachtfeld mögt Ihr die Zahlen haben, aber hier? Wir sind alleine in diesem Palast, alleine in diesem Land, all Eure Männer sind tot oder verletzt und können Euch nicht helfen. Ihr könnt Euch nicht mehr hinter riesigen Armeen verstecken, Ihr könnt nur mit dem Schwert überzeugen«, Theron sah die Wirkung, die seine Worte anrichteten. »Also, werdet Ihr kämpfen?«
Keir zuckte zusammen, als hätte er sich verbrannt. »Man sagt Ihr wärt ein erbarmungsloser Schwertkämpfer. Ich wäre ein Narr mich mit Euch zu duellieren.«
Theron sah nach draußen. Noch immer wütete das Feuer und zerstörte die gesamte Stadt. Die Stadt, die sein Freund Caelean so mühsam aufgebaut hatte.
»Volantis' Volk wird immer ihrem König treu bleiben, selbst im Tod. Volantis' Volk wird nicht aufhören zu kämpfen. Sie werden immer aufständisch sein und für Gerechtigkeit einstehen. Die Stadt wird immer brennen und dann bleibt Euch nichts mehr als ein Friedhof, über den Ihr herrschen könnt. Ihr könnt sie nicht besiegen, ihr Wille ist stark, denn sie kennen die Wahrheit«, führte Theron ihm vor Augen. »Wir können das beenden. Jetzt gleich. Hier und jetzt. Die Flammen werden erlöschen und die Bewohner können leben. Ist Euch das nicht mehr wert als Euer Machtgehabe?«
»Nein«, sagte Keir und spuckte dem Mann vor die Füße. »Ihr fühlt Euch sicher. Zu sicher. Fast der gesamte Kontinent ist mir hörig. Denkt Ihr, Ihr hättet auch nur einen Augenblick die Chance standzuhalten, wenn ich mit meinen vollen Streitkräften an Eure Tore klopfe?.«
Der Mann zischte vor Wut. »Illyria hat einmal standgehalten und wird es wieder tun. Ihr könnt uns garnichts. Eure Armeen sind todgeweiht.«
»Ich werde auch Euer Land einnehmen, ob mit Armee oder ohne. Also bitte«, er machte eine Pause und deutete auf sein Schwert, »tretet vor, ich werde kämpfen und dann werde ich Euch töten mit derselben Leichtigkeit, wie auch auch Euren Freund, König Caelean, getötet habe. Er starb so schnell, viel zu schnell. Besser Ihr gebt mir gleich den Schlüssel zu Eurem Reich, vielleicht wird Eurer Tod dann weniger schmerzhaft.«
Theron zog sein Schwert und ohne Zögern schlug er Keirs Weinglas zu Boden. Dieser zog seinerseits eine Klinge. Die Schneiden schlugen aufeinander und Funken sprangen.
Obwohl es den Anschein machte, dass Keir lange nicht gekämpft hatte, stand dem Markuskämpfer schon bald der Schweiß auf der Stirn. Dem Mann waren seine Wut und sein Ärger stets enge Begleiter gewesen, doch gerade schienen sie ihn verlassen zu haben. Er hatte so lange auf diesen Augenblick gewartet, doch seine Gedanken waren woanders. Sie waren bei Caelean, der geschlagen und ohne seine Magie im Exil lebte, sein Land und seine Identität aufgeben musste um Keir entkommen zu können. Seine Gedanken waren bei seiner Frau, für die er abends betete, dass der Krieg nicht zu tiefe Narben in ihrer Seele hinterließ. Seine Gedanken waren überall, nur nicht bei Keir und seinem tödlichen Schwert und so konnte er nicht vorhersehen, dass Keir die Chance nutzte und ihm ein Bein unter dem Körper wegzog. Der Mann verlor das Gleichgewicht und stolperte zu Boden.
Keir lachte. «Jederzeit.«
Theron knurrte wütend und suchte in seinem Körper nach der Wut, die ihn nachts nicht schlafen ließ. Er stellte sich vor, wie Keir sich an seiner Frau verging und fand den nötigen Ansporn sich aufzurappeln. In einem Sprung schwang er sein Schwert mit einer wenig eleganten Bewegung durch die Luft. Die beiden Männer glichen wilden Tieren, die aufeinander einhackten und um das letzte Stück Fleisch stritten.
Als endlich die Klinge des Mannes in Keirs Brust eindrang, sang sie das schönste Wiegenlied und verwandelte die Klinge in das Portal zum Jenseits.
«Jederzeit«, wiederholte Theron schwer atmend und drehte sein Schwert in Keirs Brust ohne jedoch sein Herz zu berühren. So sehr er das Kämpfen auch verabscheute, musste er lächeln, als er Keir sich zu seinen Füßen winden sah.
Dieser rang umständlich nach Luft. «Das war nicht das Ende, mein Freund. Es wird der Tag kommen, an dem Ihr Euch verantworten müsst. Ihr werdet sehen-«, ein Hustenanfall unterbrach ihn, «Ihr werdet sehen, Ihr seid verloren. Und Ihr werdet Euch an meiner statt wiederfinden. Und dann wird Euch jemand töten, so wie Ihr mich tötet. Meine Magie ist ein Fluch, er wird auf euch übergehen und ich freue mich, Euch von da oben zuzusehen, wie Ihr in Eurem erbärmlichen Leben scheitert und Euch selbst zerstörst. Der Wahnsinn wird sich Euch zu seinem Eigen machen.«
»Das reicht«, die Stimme des Mannes schnitt hart durch die Luft. «Ich bin nicht wie Ihr, ich werde nicht zerbrechen! Ihr könnt Euch von da oben ansehen, wie ich alles richtig mache!«
Keir hustete erneut, und sein Körper fing an zu krampfen.
»Das ist es. Das Ende«, sagte Theron gehässig. »Wenn das nicht ein wahr gewordener Traum ist. Ihr sterbt hier still und leise, während Eure Armeen sich da draußen abschlachten lassen. Ein ehrenvoller Tod. Erst springen und dann das Schiff versenken, damit Ihr die Tragödie nicht mehr mit ansehen müsst, die Ihr verursacht habt.« Die Abscheu stand ihm in den Augen. Auf sich, auf Keir. Auf die Welt, die es überhaupt soweit kommen ließ.
Blut floß aus Keirs Wunde und bedeckte bald den ganzen Boden des Thronsaals.
»Ich hatte es mir weniger blutig vorgestellt«, brachte Keir hustend hervor.
Theron lachte und spürte Keirs Macht auf ihn übergehen. Die Erde, die sich in seinen Adern einnistete, und die Luft, die seine Haut rein wusch. Er spürte, wie sein eigenes Feuer gegen die neuen Kräfte aufbrandete und wieder abflachte. Er spürte die pure Macht in seinem Körper pulsieren, als er sich zu Keirs Leiche hinunter beugte und ihm sein Schwert, und seine Krone abnahm. Das Gold wog schwer in seinen Händen, als er die Standarte von Volantis auf sein Haupt erhob. Dann schritt er langsam und voller Ehrfurcht auf den Thron zu und setzte sich.
«Jederzeit«, sagte er zu sich und der ganzen Welt.

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⏰ Last updated: Jun 27, 2019 ⏰

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Frost und Verrat (1- a Guardians novel)Where stories live. Discover now