Kapitel 2

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Als ich in der Redaktion eintraf, hustete mir Vicky schon lautstark entgegen. Sie bemerkte meinen besorgten Gesichtsausdruck, der eigentlich mehr mir galt, als ihr.

„Keine Sorge. Ist nicht so schlimm. Das wird schon wieder."

Sie musste dreimal unterbrechen und nach dem letzten Hustenanfall keuchte sie fünf Minuten lang bei geöffnetem Fenster. Wenn ich nur an die ganzen Bazillen hier im Raum dachte, fing mein Hals schon an zu kratzen. Ment rief mich in sein Büro, aus dem gerade seine Sekretärin stolzierte. Sie leckte sich über ihre Lippen und ich wollte mir gar nicht vorstellen, was sie noch vor wenigen Minuten damit gemacht hatte. Als ich seinen entspannten Gesichtsausdruck bemerkte, entstanden Bilder in meinem Kopf, die ich wohl nie wieder vergessen könnte.

„Meine Frau hat Freitag Geburtstag. Reservieren sie einen Tisch bei „Louis" um zwanzig Uhr. Dann besorgen sie noch Blumen. Rosen oder so. Und ein Geschenk bräuchte ich auch noch... Eine Idee dazu?"

Ich hätte ihm am liebsten direkt ins Gesicht gespuckt. Doch ich schüttelte nur lächelnd den Kopf.

„Solltest du nicht ein wenig kreativer sein als Journalistin?", fragte Ment missbilligend.

„Ich kenne ihre Frau kaum."

Obwohl mich Ment immer duzte, wollte ich mich nicht auf dieses Niveau herunter lassen. Zum Schluss kam er noch auf die Idee er könnte von mir das Gleiche wollen, wie von seiner Sekretärin. Ich fragte mich unweigerlich ob er auch mit Vicky, oder einer der anderen Journalistinnen geschlafen hat. Ment schüttelte seufzend den Kopf, warf mir einen Notizblock mit einigen Stichwörtern zu und schickte mich wieder nach draußen. Meinen Artikel hatte er kaum überflogen und nur grimmig genickt. Ich wusste nie was ich hätte besser machen können, geschweige denn was er von mir erwartete. Ob der Artikel erscheinen würde oder nicht, sah ich erst in der nächsten Ausgabe. Also bereitete ich mich auf mein nächstes Projekt vor. Den Besuch in der Kunsthochschule. Das war genau mein Ding. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich auch dort abgeschlossen, doch ich stellte mich, wie so oft nicht gegen den Willen meiner Eltern. Allerdings belegte ich während meiner Studienzeit einige Kunstkurse und die Germanistik half mir dabei Journalistin zu werden.

Als ich am nächsten Tag in dem großen, kürzlich renoviertem Gebäude eintraf, empfing mich schon ein junger Lehrer, der kaum älter war als ich. Seine Haare standen ziemlich struppig zur Seite und erinnerte mich etwas an Einstein. Auf den ersten Blick mochte er ungepflegt wirken, aber ich war mir sicher, erlegte einfach nicht so viel Wert auf sein Aussehen. Wir schlenderten den leeren Gang entlang, hörten nur leise Geräusche aus den Klassen. Im Konferenzzimmer begannen wir mit dem Interview, wobei wir einige Male von anderen Lehrer gestört wurden. Er war völlig überdreht, aber genauso euphorisch wie ich. Nach meinen Fragen diskutierten wir noch eine Weile über die geschichtliche Entwicklung der Kunst und fanden einen guten Draht zueinander. Als es läutete, zuckte ich erschrocken zusammen. Ich verband keine besonders guten Erinnerungen an meine Studienzeit. Mit meinem Diktiergerät bewaffnet suchte ich einige Schüler auf, fragte sie nach ihren Zukunftsplänen, ihren Vorbildern und Beweggründen. Ich war ziemlich überrascht zu hören, dass viele noch nicht einmal wussten, was sie nach der Schule damit anfangen sollten. Wie konnte man derart planlos durch das Leben laufen?

Als mein Besuch nach einigen Stunden endete, fuhr ich zurück in die Redaktion und begann den Artikel zu formulieren. Es war kurz vor fünf Uhr, also eigentlich Dienstschluss, da kam Ment an meinen Tisch.

„Ist der Artikel fertig?"

Seine Laune war nicht besonders gut. Ich traute mich kaum zu verneinen.

„Es ist ein Platz freigeworden in dieser Ausgabe. Ich brauche den Artikel Morgen um acht auf meinem Tisch!"

„Aber...", brachte ich nur hervor, dann schloss ich meinen Mund und nickte stumm.

Rock it, DornröschenWhere stories live. Discover now