Sitznachbarnähe

120 18 2
                                    

Es waren kleine Beleidigungen und Komplimente.
Unscheinbare Lügen und Wahrheiten.
Diese kurzen Momente in denen sie versuchte ihrem Sitznachbar das Leben zu erklären, während der Professor sich vor ihnen mit anderen, unwichtigeren Themen beschäftigte.

"Ich mag das hier.", sie zeigte auf ein Bild in ihrem Kunstbuch.
Er rutschte näher an sie heran.

Sie lächelte unwillkürlich und schaute sie ihn aus dem Augenwinkel an, wie er verwirrt und neugierig in dem Buch nach Antworten suchte.
Er schien immer auf der Suche zu sein.
Auch auf scheinbar kleinen Buchseiten.

Er, der in den Vorlesungen neben ihr saß, in der mittleren Reihe, an den Fenstern, meist neben ihr, und tausend unbeendete Sätze noch mit ihr zuende reden wollte. Es aber nie tat.

Aber heute schon.
Er blickte wieder geradeaus, vom Bild weg, sagte nichts dazu und zuckte nur die Schultern.

"Und ich mag dich."

Sie schwieg.

So Vieles dachte sie sich.
Und sagte es nicht.
So oft hatte sie ihm schon Dinge an den Kopf geworfen, doch jetzt schwieg sie.
Wenn man Sachen wirft, kommt irgendwas zurück.
Oder etwas geht kaputt.

An Auffangen dachte sie nicht.
Auch nicht daran, in die Liebe zu fallen.
Sie fiel viel lieber darum herum,
wie ein Kosmonaut um die Erde.

Sudepi. (H.)Where stories live. Discover now