𝐕𝐈𝐈

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»Yoongi!«, erklang die glockenklare Stimme durch den blühenden Park, erfreut hob der alte Mann den Blick und ein liebevolles Lächeln schlich sich abermals auf sein faltiges Gesicht.

»Jimin«, flüsterte der Schwarzhaarige schwach grinsend, doch in seinen Augen flackerte für einen kurzen Moment Trauer auf.

Ächzend erhob er sich, als der junge Mann nun unmittelbar vor seiner Bank neben dem kleinen Teich zum Stehen kam und zog den Jüngeren in eine tiefe, innige Umarmung. »Was führt dich denn hier her?«, fügte Yoongi noch hinzu, als die Männer sich wieder voneinander entfernt und nebeneinander auf der morschen Holzbank Platz genommen hatten.

Die Sonne hatte ihren Zenit bereits erreicht und brannte unbarmherzig nieder auf die Köpfe aller Leute, die des frühen Nachmittags den kleinen Park besuchten.

Die Luft war erfüllt von dem Lachen der Kinder, die auf den weitläufigen Rasenflächen tobten, bis ihre Eltern sie jäh zur Räson riefen, da sie schon wieder zu nah am Wasser herumblödelten, man sah einige Spaziergänger, die ihre Hunde fröhlich von der Leine ließen und ebenfalls das grandiose Wetter genossen, sowie viele junge Pärchen, die sich, mit Picknickdecke und -korb bewaffnet ein Lager direkt im weichen Gras aufgeschlagen hatten und genüsslich ihre selbstgeschmierten Brote und ihr eigens kleingeschnittenes Obst und Gemüse verspeisten.

Wohlig seufzend, verschränkte der alte Mann seine Hände hinter dem Nacken und lehnte sich zurück, die Augen geschlossen, sodass die Sonne warm seine, in die Jahre gekommene, Gesichtshaut wärmen konnte.

Der Braunhaarige hingegen ignorierte seine Frage und musterte Yoongi mehr oder weniger besorgt. »Wie geht es dir?«, versuchte er so beiläufig wie möglich zu fragen. »Und ich meine wirklich - keine Ausreden.« Ernst war die Miene des Mannes, als er den Schwarzhaarigen, der weiterhin seine Augen geschlossen hatte und die wärmenden Sonnenstrahlen genoss, eindringlich beäugte.   

»Es geht mir«, der alte Mann seufzte einmal tief, »wie es mir eben geht.« Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch Jimin kannte ihn besser.

»Wann warst du das letzte Mal unter Menschen?« Fragend schaute er seinen Gegenüber an.

Yoongi stieß ein belustigtes Brummen aus. »Bin ich das etwa nicht gerade?« Langsam öffnete er seine Augenlider und deutete auf das rege Treiben, welches die beiden Männer umgab. »Sind das etwa keine Menschen?« Der alte Mann mied den Blick des anderen.

»Du weißt genau, was ich meine«, setzte Jimin nachdrücklich an.

»Mein Junge«, entgegnete Yoongi jedoch sogleich, ehe der junge Mann seinen Satz fortsetzen konnte. »Ich gehe jetzt auf die 70 Jahre zu. Ich bin nicht mehr so kontaktfreudig, wie du in deinen jungen Jahren«, woraufhin Jimin sogleich die Augen verdrehte.

»Komm uns doch mal wieder besuchen«, schlug er daraufhin enthusiastisch vor. »Mich und Yeo-jin.« Augenblicklich huschte ein Schatten über das Gesicht des alten Mannes, ehe er erwiderte: »Ich weiß noch nicht, ob ich das kann.« Es war nicht mehr als ein Hauchen und doch verstand der Jüngere sofort. »Es ist jetzt beinahe zwei Jahre her, Yoongi. Bitte komm uns doch mal wieder besuchen.« Jimin machte eine kurze Pause, ehe er etwas gedämpfter hinzufügte: »Oder sieh mich wenigstens mal wieder richtig an.«

Die Worte des Jüngeren trafen den alten Mann unvorbereitet und schmerzlich mitten ins Herz.

Ruckartig hob er seinen Kopf und blickte sogleich in die braunen, funkelnden Augen Jimins.

Ein Stechen durchfuhr seine Brust, ehe seine Augen verdächtig zu glänzen begannen. »D-du siehst aus wie er«, hauchte er tonlos, ehe er erneut den Blick vom Gesicht des Jüngeren abwandte, den Kopf senkte und abwesend die schimmernden, schuppigen Leiber der großen Kois, die in dem winzigen Teich ihre gleichmäßigen Bahnen zogen, betrachtete, damit Jimin seine Tränen nicht sah.

IMMER NUR DUWhere stories live. Discover now