Das Monster der Vergangenheit

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Als Bella am Sonntag wieder abgeflogen war, vermisste ich sie sofort. Und wie ich mit ihr gesagt hatte, zeigte ich Jasper den Baumstamm überm Wasserfall. Wie auch meine Schwester und ich war er davon begeistert. Und wir blieben Freunde. Ich verschwieg ihm natürlich die Kleinigkeit, dass ich ihn vielleicht ein bisschen zu doll mochte. Alleine in meinem Bett fühlte ich mich irgendwie einsam. Es war so leer ohne jemanden neben mir. Ich hatte mich so an Gesellschaft gewöhnt, dass ich so alleine Stunden wach lag und versuchte, irgendwie einzuschlafen, während ich mich tausend mal hin und her wälzte. Irgendwann warf ich mal einen Blick auf die Uhr: Genau 1 Uhr. Prima. Ich würde in der Schule mit Sicherheit vor Müdigkeit sterben.

Hinterher war ich doch noch eingeschlafen und war sogar noch pünktlich zur ersten Stunde gekommen. Geschichte! Wundervoll! Nicht! Irgendwie waren die Cullens an dem Tag nicht in der Schule. Vielleicht brauchten sie Blutnachschub? Ich dachte mir jedenfalls nichts dabei, nach der vierten Stunde in den angrenzenden Wald zu verschwinden. Ich hatte keine Lust auf Mathe. Und wenn man mal fehlte, bemerkte es eh keiner. Ich wanderte einfach ein bisschen umher, bis ich den Schwänzerbaumstamm gefunden hatte. Das war ein uralter umgefallener Baum, in dessen Rinde alle Schwänzer ihre Initialen einritzten. Einer hatte auch Superman reingeritzt. Schwachkopf. Es gab vielleicht Vampire aber es gab nicht Superman und diese ganzen Heldengestalten. ,,Du bist bestimmt Elisa", hörte ich eine Stimme hinter mir sagen. Sie klang ein bisschen nach Spanischem Akzent. ,,Du bist bestimmt die miese Bitch Maria", konterte ich und wandte mich zu ihr um. Ich hielt ihrem Blick vielleicht stand und ließ mir äußerlich nichts anmerken, aber in meinem Inneren hoffte ich einfach nur, mir nicht vor Angst in die Hose zu machen. ,,Jasper erzählte also von mir", flötete sie und grinste dämlich. Toll. Jetzt hatte ich eine Vampirin wütend gemacht, die mehrere hundert Jahre alt war. Klasse gemacht Elisa. ,,Ich war noch nie hier in Forks", flötete Maria weiter, ,,Es ist ein schönes kleines Städtchen." ,,Du willst mich doch wohl verarschen", schnaubte ich sie an, ,,Forks hat absolut nichts zu bieten, ich lebe im lahmsten Städtchen der Welt! Im Ernst, ich bin schon erleichtert, wenn überhaupt das Internet funktioniert." ,,Du bist lustig", fuhr Maria mit ihrem Gerede fort und ließ sich unnachahmlich elegant neben mir auf dem Baumstamm nieder, ,,Ich glaube, ich verstehe was Jasper an dir findet." ,,Sag mal tickst du noch richtig?", stieß ich belustigt und gleichzeitig entsetzt aus, ,,Jasper und ich sind nur Freunde. Er ist mit Alice zusammen. Und ich würde dir nicht empfehlen, Alice auch nur ein winziges Härchen zu krümmen, da ist er empfindlich!" ,,Dann musst du eben herhalten", meinte sie dann zu meiner Verwirrung, ,,Du wirst als Lockmittel schon reichen." ,,Was?", fragte ich noch perplex, bevor mir mit einem Mal die Lichter ausgingen. Ich wachte irgendwo mitten im Wald auf, weit weg vom Schwänzerbaum, wie ich vermutete denn er war weit und breit nicht zu sehen. Ich hörte auch keine Autos oder so, nur das Rattern eines Zuges. Ich musste in etwa beim alten Bahnhof sein. Maria war auch nirgendwo zu sehen, was mir noch mehr Angst machte, als die Tatsache irgendwo im Wald rum zu liegen. In meinem schmerzenden Schädel schrien alle Alarmglocken. Ich glaube, ich schaffte es nur aufzustehen, weil mein Körper vollgepumpt war mit Adrenalin. Anderenfalls wäre ich schon beim aufstehen wieder hin geflogen. So schaffte ich es tatsächlich durchs Unterholz zu stolpern und dabei mein Handy aus meiner Hosentasche zu fischen. Zum Glück hatte ich Jaspers Nummer auf Kurzwahl. Er ging auch sofort dran: ,,Hallo Elisa." ,,Jasper", keuchte ich nur, ,,Maria. Hier. Hat mir die Lichter ausgeknipst. Ich glaube, sie verfolgt mich. Alter Bahnhof!" ,,Wir sind unterwegs", kam es noch zurück, bevor ich auflegte und mich darauf konzentrierte, nicht zu stolpern. Stolpern war eigentlich Bellas Spezialität, aber ich vetraute meinem Körper in diesem Moment nicht besonders. Und natürlich flog ich der Länge nach auf die Schnauze, sobald ich die Bahngleise erreicht hatte. Alter Schwede, tat das weh! Ich blutete an der Stirn. Natürlich hatte ich mir den Kopf aufgeschlagen. Aber ich schaffte es, weiter zu rennen und auf einen der rumstehenden Güterzüge zu klettern. Von den Kohlestücken wurde meine Jeans an einigen Stellen schwarz. ,,Süße, du denkst du wärst mir entwischt", sagte dann Maria, die plötzlich vor mir stand. ,,Maria!", brüllte dann eine andere mir bekannte Stimme, ,,Lass sie in Frieden! Das ist eine Sache zwischen dir und mir." ,,Ach und du hast dir Beschützer geholt?", flötete sie einfach weiter, während ich neben Jasper auch noch Emmet und Edward erkannte. ,,Nein, so etwas nennt sich Familie", fauchte Edward und als ich in seine Augen sah, beschloss ich, ihn niemals wütend zu machen. Emmet stand da, als würde er gleich jemanden zu Muß schlagen und ließ seine Fingerknöchel knacken. Wahrscheinlich hatte er tatsächlich vor Maria zu Muß zu schlagen. ,,Dann schlage ich vor, ich räume das Menschlein aus dem Weg", verkündete Maria, während der Zug anfuhr. Und schneller als ich gucken oder auch nur denken konnte, hatte sie ihre Zähne in meinen Hals gerammt und schleuderte mich mit einer solchen Wucht von sich, dass ich hörte, wie mein Rücken brach, als ich an einen Baumstamm knallte und das Bewusstsein verlor...

Im einen Moment spürte ich noch höllisch brennende Qualen und im nächsten war es schon wieder weg. Ich musste in den kleinen Waldsee gefallen sein, denn als ich Luft holen wollte, spuckte ich erstmal einen Schwall Wasser aus. ,,Elisa?", hörte ich Jasper neben mir besorgt fragen und ich sah, dass sein Gesicht Blutverschmiert war. Musste wohl meins sein. ,,Diese verfluchte Bitch", knurrte ich und legte mich alle Viere von mir gestreckt wieder auf den Rücken. Marias Gift hatte den Bruch sofort wieder geheilt. Ich hätte mich verwandelt, wäre Jasper nicht gewesen. ,,Habt ihr ihr wenigstens ordentlich die Fresse poliert?", schnaufte ich nach einem Weilchen und sah Emmet grinsen. ,,Ja, aber leider ist sie noch an einem Stück", erwiderte Emmet mit einem Grinsen, ,,Du bist wirklich tough Süße." ,,Da bedank ich mich aber Großer", erwiderte ich mit einem Schnaufen und setzte mich langsam wieder auf, ,,Wirklich, ich danke euch drei. Ich glaube, ohne eure Hilfe hätte sie mich als Snack verputzt. Aber jetzt will ich einfach nur in mein Bett, am besten mit meinem Lieblingsband von Game of Thrones." ,,Ich bringe dich sofort", erwiderte Edward nur und lud mich auf seine Arme. Bevor er losflitzte, konnte ich noch sehen, wie sich Jasper mit dem Kopf an einen der umstehenden Bäume lehnte. 

Edward hatte mich in meinem Bett abgelegt und wollte gerade wieder gehen. Aber ich fragte ihn noch: ,,Hey, ist mit Jasper alles klar?" ,,Er wird einige Zeit brauchen, um sich davon wieder zu erholen", antwortete er und drehte sich noch einmal zu mir um, ,,Jasper hat noch nicht ganz so lange auf menschliches Blut verzichtet wie wir anderen, wie du vielleicht weißt. Es war schwer für ihn, wieder aufzuhören." ,,Danke", sagte ich noch einmal und weg war er. Mit einem Seufzen ließ ich mich zurück in die Kissen fallen und atmete erleichtert aus. Irgendwie war es, als wäre eine Last von meinen Schultern gefallen. Ich hatte Maria überlebt, eine Vampirfrau, die viele hundert Jahre alt war. Das alles kam mir so surreal vor, dass ich einfach anfing, zu lachen. Ich lachte mir einfach alles, was in den letzten Tagen so gelaufen war, von der Seele. ,,Hey, alles klar bei dir Eli?", hörte ich dad vor meiner Zimmertür sagen, ,,Du klingst, als würdest du ersticken." ,,Alles gut, ich lach mich nur halb tot", erwiderte ich noch immer unter lachen. ,,Okay, ich muss wieder zurück aufs Revier", sagte dad dann noch, ,,Es gab wohl einen Vorfall am alten Bahnhof, irgendwer hat da auf den Schienen gelegen, nachdem ein Güterzug weggerattert ist." Oh scheiße. Aber als ich ihm nachlaufen wollte, um ihn aufzuhalten, fuhr dad in seinem Streifenwagen schon weg. Natürlich hatte es mal wieder angefangen zu regnen. ,,Ist ja super", fluchte ich und wollte gerade in die Küche gehen, als ich durch den Regen Jasper auf mich zukommen sah. ,,Hey, wie gehts dir?", fragte ich sofort und ging hinaus auf die Veranda, die zum Glück noch überdacht war. ,,Mir geht es bestens", erwiderte er, doch ich wusste, dass es eine Lüge war, ,,Wie geht es dir?" ,,Alles bestens", sagte ich schließlich und irgendwie sprudelten die Worte danach nur so aus mir heraus, ich konnte nichts dagegen tun, ,,Hör mal, du weißt wahrscheinlich, wie sehr ich dich und euch alle mag, aber ich wär heute fast getötet worden. Mag sein, dass Leute in Filmen das unglaublich schnell wegstecken, aber in der Realität sieht das ganz anders aus. Ich brauch einfach ein bisschen Zeit für mich, um das alles zu verdauen." ,,Ich verstehe dich besser, als du denkst", sagte er mit seiner sanften Stimme zu mir und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ohne das ich es wollte, zuckte ich zurück. ,,Tut mir leid, ich...", stammelte ich und fuchtelte sinnlos mit meinen Händen rum. ,,Wirklich, ich verstehe das", sagte mein bester Freund beruhigend und Ruhe erfüllte mich, ,,Meld dich, wenn du soweit bist." Und weg war er, während ich raus in den Regen starrte. Es stimme, ich brauchte Zeit, um das zu verdauen. Und bis ich es verdaut hatte... Ich hatte keine Ahnung, was bis dann sein würde...

Elisa Swan AliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt