Kapitel 20

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Kapitel 20

Als die Augen langsam afglitten, fühlte er einen stechenden Schmerz, der durch ihm Mark und Bein lief. Bewegungsunfähig lag er da, schaute an die Decke und versuchte den Schmerz auszublenden. Was hatte dieser Mistkerl nur mit ihm angestellt? Wie kam er überhaupt hierher? Wo war dieses Arschloch? Wenn er ihn in die Finger bekommen würde, würden Fetzen fliegen! Das schwor sich Ayden in jenem Moment, als er versuchte sich aufzurichten. Scharf stach der Schmerz in seine Eingeweide und ließ ihn wieder zurücksinken. Er schloss die Augen, versuchte gleichmäßig zu atmen.

«Du bist wach», rief eine Stimme wie aus weiter Ferne zu ihm. Sofort regte sich sein Körper, woraufhin er ein Seufzen aus seinem Mund entwich.

«Ganz ruhig», sprach sie zu ihm. Eine Hand streifte über seinen Arm. Mit Mühe drehte Ayden den Kopf zur Seite. «Du solltest keine hastigen Bewegungen machen, Ayden. Cem hat dich sehr verletzt. Es ist nicht schlimm, aber doch heftig. Wenn ihn keiner aufgehalten hätte, wärst du vermutlich mit einem Schädelhirntrauma im Krankenhaus gelandet. Aber ansonsten hast du nur eine leichte Gehirnerschütterung. Morgen kannst du auch wieder entlassen werden. Nur heute musst du hierbleiben, da sie dich zur Beobachtung behalten möchten. Nicht, dass sich dein Zustand verschlimmert.»

Die Person, welche sich vermutlich auf seiner rechten Seite aufhielt, redete ununterbrochen. Doch Ayden hörte gar nicht mehr zu. Er driftete ab, flog davon. In eine Welt, in der es keine Schmerzen und keine Wut gab. In eine Welt, in der es friedlich zuging. Scheinbar musste dies auch die Person neben ihm bemerkt haben, denn er hörte noch wie ein Stuhl quietschend zurückgeschoben wurde. Dann spürte er weiche Lippen auf seiner Stirn, Worte folgten, die er nicht verstand. Sein Körper hatte sich abgesetzt und war im Begriff davonzueilen, ohne dass er es verhindern konnte.

«Ich hab dich lieb, Brüderchen», nahm Ayden wahr. «Wir sehen uns dann morgen. Es tut mir leid, dass ihr euch nicht mehr versteht. Es ist alles meine Schuld. Ich werde es wieder gutmachen. Versprochen, Ayden. Versprochen.»

Und dann war er vollkommen weg. Die Luft, die er einatmete, verschwand. Die Stimmen, die er zuvor gehört hatte, verblassten. Schemen, die er zuvor gesehen hatte, verpufften in der Unendlichkeit. Der heftige Schmerz, den Ayden verspürte, verschwand im Nu. Die Wut, die in ihm keimte, verkroch sich in die hinterste Ecke.

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Eintrag 35, 24.06.2030.

Habe ich dir eigentlich gesagt, was für einen Fehler ich beging? Er war verheerend. Ich habe meinen Bruder, also deinen Onkel, in Gefahr gebracht! Ich hätte ihn beinahe um sein kostbares Leben gebracht! Dein verdammter Vater hätte ihn beinahe zu Tode geprügelt!

Ich war so dumm! So naiv, leichtgläubig, leicht beeinflussbar! Wie konnte ich nur auf solch einen Idioten hereinfallen? Wie habe ich mich eigentlich in ihn verlieben können? Warum kann man die Gefühle nicht einfach abschalten, die man für jemanden empfindet? Warum kann man nicht etwas erfinden, was den anderen dazu bringt, die Gefühle zu erwidern? Warum existiert Amor nicht im reellen Leben? Warum verdammt nochmal muss mir so eine Scheiße passieren?! Wieso bin ich das beschissene Opfer in diesem schäußlichen Spiel? Kann es nicht ohne mich ausgetragen werden? Warum muss jeder Mensch auf meinen Gefühlen herum trampeln?! Wieso kann nicht jemand anderes meine Rolle übernehmen?

Aber genug davon! Genug von den Fragen und selbstbemitleidenden Worten! Genug von alledem! Ich sollte dir was gestehen, dir etwas erzählen. Vielleicht würdest du mich eines Tages dafür umbringen, aber es ist einfach geschehen. Ich konnte es nicht verhindern. Mal wieder! Ich glaube, ich sollte es kurz machen. Na gut. Ich habe mich ihm hingegeben. Diesmal war es das letzte Mal. Versprochen. Ich werde versuchen mich zusammenzureißen, werde versuchen mich nicht von ihm einlullen zu lassen.

Wenn aus Liebe Hass wirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt