Kapitel 16

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Sam strich sich immer wieder verzweifelt durch die Haare, während Dean seine Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hatte und die Ellenbogen auf den Tisch stützte. „Verdammt, Cass, du hättest sie aufhalten müssen!" rief Dean beinahe schon. Der Engel selbst saß ebenfalls mit am Tisch und hatte bis jetzt geschwiegen. Sein Gesichtsausdruck verheimlichte nicht, dass ihm die Sache sehr nah ging. „Sie wollte uns nur schützen." sagte er dann. „Sie muss vor sich selbst geschützt werden und wer kann das besser als wir?" fragte Dean nun, immer noch aufgebracht. „Dean hat recht, sie ist am sichersten, wenn wir auf sie aufpassen können." sagte Sam nun. „Wenn sie gehen will, darf sie gehen. Wir können sie nicht zwingen." versuchte es der Engel wieder. Sam und Dean seufzte. Natürlich konnten sie das nicht und das wollten sie auch nicht, aber so machten sie sich nun mal unendliche Sorgen um ihre Schwester. Castiel sah die beiden Brüder einige Sekunden an. „Durch mein kosmisches Bewusstsein kann ich sie orten, wenn ihr wollt." sagte er und die beiden Brüder nickten. Auch der Engel wusste, dass die Jägerin mit den besonderen Fähigkeiten hier im Bunker am besten aufgehoben war. Castiel sah für einen Moment aus als würde er etwas lesen, seine Augen verfolgten einen unsichtbaren Punkt in der Luft. „Sie ist in Laramie, Wyoming." sagte Castiel dann. Sam atmete auf, während Dean sofort aufsprang. „Wir können sie nicht zwingen, aber wir werden sie überzeugen." sagte der ältere Winchester-Bruder. „Sie ist zwar temperamentvoll und hat ihren eigenen Kopf, aber sie ist auch schlau. Sie wird es verstehen." sagte Dean und war bereits auf dem Weg in die Garage. Castiel stand ebenfalls auf, auch wenn er Dean glauben wollte, konnte er es nicht. Er hatte den Ausdruck in ihren Augen gesehen, als sie die Tür geöffnet hatte. So eine Entschlossenheit hatte er weder bei einem Menschen, noch bei einem Engel jemals gesehen. Sie wusste was sie tat. Seufzend ging er hinter seinem Freund her, während Sam ihm folgte. Im Impala angekommen, setzte sich Castiel auf den Rücksitz und Dean wollte gerade seinen geliebten Wagen starten, als dem Engel etwas auffiel. Auf dem Rücksitz lag noch das Buch, welches Candra zum letzten Fall mitgenommen hatte. Ein Zettel guckte heraus und als der Engel ihn aus dem Buch zog, musste er augenblicklich die Stirn runzeln. Auch Sam und Dean hatten Castiels Entdeckung bemerkt und drehten ihre Köpfe nach hinten. „Was steht darauf?" fragte Sam nun neugierig. „Kobolde." sagte Castiel und drehte den Zettel herum, damit die beiden Jäger ihn auch sehen konnten, doch das Stiftete nur noch mehr Verwirrung. „Was soll das heißen? Was will sie denn mit Kobolden?" fragte Sam nur. „Ich hasse diese Biester!" kam es direkt von Dean, der nun aus der Garage fuhr. „Weißt du noch, Sammy, der Fall Elwood, Indiana? Damals wollte dieser miese Kobold dir einen Vertrag andrehen, um deine Seele aus dem Käfig zu retten – als ob so eine mickrige Elfe das könnte!" polterte Dean los, doch als er fertig war mit seinem Aufstand, fiel es allen Insassen des Wagens wie Schuppen von den Augen. Es herrschte Stille, man hörte nur wie Dean deutlicher als sonst das Gaspedal herunterdrückte und der Impala mit überhöhter Geschwindigkeit über die Landstraße preschte, in Richtung Laramie.

„Hast du alles vorbereitet?" fragte Candra, als sie in das dunkle Lagerhaus eintrat. Es war alleine von der Lage her schwer zu finden gewesen, nah am Waldrand, versteckt zwischen andern leerstehenden Fabriken und einer zusammengebrochenen Mine. Es roch muffig hier drin und die Luft war feucht, ebenso mussten Candras Augen sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen, bis sie etwas sehen konnte. „Ja, ich habe einen Kobold für dich." Eine rothaarige Frau mit spitzen Lippen und einem stolzen Gesichtsausdruck drehte sich schwungvoll in ihrem langen schwarzen Kleid zu dem Mädchen um. „Aber wieso sollte ich ihn dir geben?" fragte die Hexe nun. „Du schuldest mir etwas, ich hätte dich vor einem Jahr auch töten können. Aber ich habe es nicht getan, weil ich wusste, dass du mir noch nützlich sein könntest." Candra stand mit verschränkten Armen vor der Frau, die kaum größer war als sie selbst. Dennoch wirkte sie deutlich beeindruckender, ohne auch nur annähernd gefährlich auszusehen. „Du hättest mich nicht töten können... ich war nur schwach, weil ich gerade wieder geflohen war." sagte Rowena und verschränkte ebenfalls ihre Arme vor der Brust. „Und offenbar tust du es noch, das hier ist nicht gerade eine Luxusvilla für eine Hexe." stichelte Candra zurück. Die Hexe schlug nur ihre Augenlider nieder, denn die Jägerin schien ihre Situation zu kennen. „Wie auch immer, Rowena, ich brauche deine Hilfe. Ich brauche dich!" sagte Candra und schluckte ihren ganzen Stolz herunter. Sie bat wirklich gerade eine Hexe ihr zu helfen, vor einiger Zeit hätte sie sich dafür noch selbst geohrfeigt. Die Zeiten hatten sich geändert, sie hatte einen Plan vor Augen, den sie nur mit ihrer Hilfe ausführen konnte. „Das tut jeder." antwortete Rowena ein wenig eingebildet, doch lächelte dann leicht. „Ich kann mir die Zeit ruhig mit einigen Zaubern vertreiben, während ich auf den perfekten Zeitpunkt warte, meinen alten Hexenzirkel zu zerstören." sagte sie dann und sah der Jägerin direkt in die Augen. „Was brauchst du, Liebes?" „Als aller erstes einen Schutzzauber um diesen Ort. Mich darf hier niemand finden, weder Monster, noch Dämon, noch Engel. Besonders nicht Engel." gab Candra der Frau erste Instruktionen. Rowena lachte auf. „Da ist wohl auch jemand auf der Flucht!" sagte sie und begab sich gleich zu einem Tisch, auf dem verschiedene magische Utensilien standen. „Könnte man so sagen..." seufzte Candra und ging zu dem Käfig in der einen Ecke des Raumes. Darin saß ein kleiner, dicker Mann mit grauen Haaren auf dem Boden und zählte Erbsen. „Das ist ein Kobold?" fragte die Jägerin verwirrt nach und beobachtete den alten Mann. „Seine menschliche Form..." kam es von Rowena zurück, bevor sie einige Worte murmelte, die Candra nicht verstand. Sie zerpflückte ein paar Kräuter und zerrieb einen Edelstein in der Hand, mit einigen weiteren Zutaten kam es in einen Topf und wurde angezündet. Die Flamme wurde erst rot, dann gelb, dann blau und als sie Grün wurde, stieg sie empor und erfüllte für einige Sekunden die ganze Decke. „Nun sollte uns niemand mehr finden, ich habe den schon vorhandenen Zauber verstärkt, schließlich bin ich keine Stümperin." sagte Rowena und klimperte mit ihren Wimpern, wissend, was für ein starker Zauber das war. Trotz ihres Rausschmisses aus dem großen Coven vor vielen, vielen Jahren und dem damit einhergegangenen Kraftentzug war sie stärker als die meisten Hexen, die sie kannte. Nur, dass sie sich andauernd verstecken musste, ging ihr langsam auf den Zeiger. „Also, was willst du mit dem Kobold machen? Wenn du mit ihm einen Vertrag abschließen willst, dann nimm lieber einen Dämon. Sogar die schlagen bessere Deals für dich raus." Rowena stellte sich ein gutes Stück neben sie und betrachtete ihren Fang. Der Mann zählte mit heller, aber gebrochenen Stimme immer noch die Erbsen auf dem Boden des Käfigs, eine ziemlich schlechte Angewohnheit dieser Art der Elfen. „Nein, ich will keinen Vertrag. Ich brauche ihre Fähigkeiten." sagte Candra. Rowena zog eine ihrer Augenbrauen nach oben. „Ich bin ein Herzräuber." versuchte das Mädchen der Hexe es zu erklären. „Nie gehört..." kam es jedoch von der Frau zurück, die ihre langen, roten Haare über ihre Schulter schmiss. „Ich nehme alle Fähigkeiten der Monster auf, die mein Herz berühren." Sie schob ihr Oberteil ein Stück zur Seite und zeigte der Hexe die Narben, die trotz ihres ganzen Hoffens kein bisschen kleiner geworden waren. „Das hat mir unfreiwilliger Weise ein Werwolf zugefügt, aber nun habe ich seine Fähigkeiten." Sie lies ihr Oberteil zurückschnellen. „Und jetzt willst die Fähigkeiten eines Kobolds haben?" fragte Rowena. Die Jägerin nickte. „Gibt es nicht viel stärkere Monster, die dir mehr bringen würden?" fragte sie, doch Candra winkte ab. „Sie können sich teleportieren und zwar an jeden einzelnen Ort den es gibt. Ich muss an einen Ort, den ich anders nicht erreichen kann." Rowena zuckte nur mit den Schultern, als wäre ihr die Geschichte egal. „Was kann ich dann für dich tun?" kam es nur ein wenig gelangweilt. „Du musst mich am Leben erhalten, während ich meinen Körper aufschneide und ein Kobold mein freiliegendes Herz anfasst." kam es nun von Candra zurück und sie wunderte sich über die tatsächlich ziemlich ekelerregende Formulierung. „Das kriegen wir hin." sagte sie, doch schlug dann erneut die Augen nieder und auf ihrem Gesicht erschien ein schelmisches Grinsen. „Aber nur, wenn du auch etwas für mich tust." Candra verdrehte die Augen. „Und was soll das sein?" fragte sie dann und erwartete schon das Schlimmste. „Ich weiß wo du hin willst, du willst in den Käfig. Der einzige Ort, den tatsächlich nur Kobolde betreten können und auch wieder hinauskommen. Richte Luzifer dort unten etwas von mir aus." Candra stockte kurz der Atem, war sie so einfach zu durchschauen? Sie schwieg einfach, doch für die Hexe schien das auch eine Antwort gewesen zu sein. „Sag ihm, dass er sich, falls er noch mal aus seinem Gefängnis herauskommen sollte, an mich wenden kann. Seine ergebene Dienerin." Rowena sprach die Worte schon fast schwärmerisch aus. Candra runzelte nun die Stirn und war selbst überrascht, wie sehr sie solche Sätze inzwischen als Normalität ansah. „Das hast du als Hexe mit angeborenen Fähigkeiten nötig?" fragte Candra und musste schon fast darüber lachen. „Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hast du noch Hexen verflucht, die ihre Kräfte von Dämonen hatten." Rowena schnaufte wütend auf. „Das ist etwas anderes. Und beim letzten Mal als wir uns gesehen haben warst du auch noch nicht von mir abhängig, also würde ich an deiner Stelle deine kleine Klappe halten!" Rowena war sichtlich gereizt, reagierte aber immer noch mit der Ausstrahlung einer Lady, auch wenn Candra wusste, was für ein Vulkan in ihrem Innern brodelte. Vor etwa einem Jahr hatte sie Rowena bei einem Fall auf dem Kieker gehabt, bei dem verschiedenste Hexen allesamt von ihr getötet wurden. Ganz einfach, weil sie sie nicht leiden konnte. Doch Candra wusste wie mächtig Rowena war und traute ihr auch eine logische Denkweise zu, also lies sie sie am Leben, wenn sie versprach, keine Menschen mehr zu töten. Dass die Hexe dieses Versprechen inzwischen sicherlich gebrochen hatte, war ihr klar, aber sie selbst war auch kein unbeschriebenes Blatt mehr. Immer wieder kamen die Bilder des Hotels in ihren Kopf, wie die Augen des jungen Mädchens langsam glasig wurden, während sie immer wieder ihren Schädel auf den Boden donnerte. Die Schuldgefühle hatte sie ganz tief in sich vergraben, aber es war, als kamen sie stoßartig doch manchmal an die Oberfläche. „Steh hier nicht so rum und bereite gefälligst den Zauber vor, den du so unbedingt brauchst!" sagte Rowena nun zu ihr und klatschte in die Hände, bevor sie der Jägerin einige Katzenknochen in die Hand drückte, zusammen mit einer Schale und einem Mörser. Candra verzog das Gesicht, hätte sie mit solchen Gegenständen arbeiten wollen, wäre sie schon selber auf die Idee gekommen eine Hexe zu werden!

Herzräuber (Supernatural Fanfiction)Where stories live. Discover now