Kapitel 12

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Es war früh am morgen und die Gruppe hatte nicht geschlafen. Die ersten Sonnenstrahlen krochen schon über den Horizont und fielen durch das Fenster des Zimmers. Kaum merklich jedoch, denn die große Deckenlampe spendete das meiste Licht. Candra scrollte durch die Polizeiberichte über dieses Hotel, in die Website hatte sie sich mit Sams Hilfe gehackt. Müde überflog sie jeden einzelnen Bericht, tatsächlich hatte dieses Haus schon einige Jahre auf dem Buckel. Seitdem es in den 20er Jahren gebaut worden war, hatte es immer wieder kriminelle Personen beherbergt. Allerdings waren Steuerbetrug und ähnliche Betrügereien die häufigsten Straftaten. Endlich war Candra in der heutigen Zeit angekommen, dass diese Seite aber auch nicht die neusten Berichte zu erst anzeigte, machte sie wütend. Sie sah kurz auf, Dean war tatsächlich mit dem Laptop auf dem Schoß eingeschlafen. Die Fahrt hatte ihn einige Kraft gekostet, die er nun wieder auftanken musste. Sam sah Candras Blick und legte den Finger an die Lippen, er wollte seinen Bruder nickte wecken. „Ich glaub ich hab etwas." platzte es nun aus Candra heraus und weckte somit Dean. „Ich bin wach, ich bin wach!" bestätigte er schnell, doch kniff die Augen zu, als das helle Licht der Lampe ihn blendete. Die Jägerin grinste. „Der Mann der Hotelbesitzerin hat sich mit sieben Stichen in den Hals selbst erstochen, das war vor genau fünf Jahren." erzählte sie, was sie heraus gefunden hatte. „Die Hotelbesitzerin Veronika Young?" fragte Castiel nun nach. „Ja, warum fragst du?" antwortete Candra ihm. „Sie lebt mit ihrer Tochter hier im Hotel, ganz oben im 11. Stock." sagte Castiel und verzog seine Lippen zu einem Lächeln. „Ich habe kurz mit ihr in der Lounge gesprochen, ich glaube sie fand mich attraktiv." sagte Castiel nun, mit keinerlei Emotionen hinter diesen Wörtern. Es war, als gab er nur nüchterne Fakten preis. Candra musste lachen. „Ist sie nicht über 50?" Castiel nickte nur, ebenso als wäre es ein einfacher Fakt. Sam schmunzelte leicht, doch konnte sich noch zurückhalten, während sein älterer Bruder lachen musste. „Guter Fang, Cass." bekam er zwischen seinem Lachen noch heraus, während Castiel verwirrt in die Gegend blickte. „Wo wurde er begraben?" fragte Sam nun, der auf das Thema zurückkam. Candra zuckte nur mit den Schultern, so etwas stand natürlich nicht im Polizeibericht. Sam schnappte sich schnell ihren Laptop und einige Klicks später hatte er auch schon das Ergebnis. „Er wurde nicht begraben sondern verbrannt und die Urne ist im Besitz der Familie, so steht es hier." Dean runzelte die Stirn. „Wie kann er denn mordend herumlaufen, wenn er verbrannt wurde? Das heißt ja, dass die Familie noch irgendetwas von ihm besitzen muss." deutete er. „Das ganze Hotel hat ihm gehört, überall kann etwas von ihm herumliegen!" blaffte Candra ihn ein wenig an, nicht besonders böse gemeint, aber die Müdigkeit brachte mal wieder ihr Temperament hervor. „Wir sollten uns alle beruhigen." schlug Sam nun vor. „Heute Abend gibt es einen Ball, steht am schwarzen Brett in der Eingangshalle. Währenddessen können wir uns das Apartment ansehen, ich wette die Besitzerin und ihre Tochter gehen zu dem Ball, schließlich veranstalten sie ihn. Am ehesten hebt man etwas Persönliches doch bei der Urne des Verstorbenen auf." Da alle ziemlich müde waren, natürlich außer Castiel, nickten sie nur. Sams Vorschlag war einstimmig angenommen worden. „Hey, dann kann Cass ja auch die Besitzerin mit einem kleinen Tanz ablenken!" schlug Dean vor und grinste. Auch wenn er schon wieder auf das Alter der Frau anspielte, sah der Engel ihn nur eindringlich an. „Ich kann nicht Tanzen." sagte er dann. „Es ist gar nicht mal so eine schlechte Idee, dann wissen wir, dass sie wirklich nicht in ihr Apartment geht." sagte Candra. „Und was machen wir bis dahin? Wir können die Zeit doch nicht verschwenden?" fragte das Mädchen dann und unterdrückte ein Gähnen. Am liebsten hätte sie sich selbst mit ‚Schlafen!' geantwortet, doch daran durfte sie erst gar nicht denken. Normalerweise gaben ihr die Sonnenstrahlen schon einen Adrenalinschub und sie war voll bei der Sache, doch nun nützte alles nichts. Draußen verschwammen die herbstlichen Farben der Bäume der großen Parkanlage, während sie von dem Licht der Sonne bestrahlt wurden. Der Wind und der Regen waren komplett verschwunden, nur die Kälte war geblieben. Eine eisige Kälte, die man trotz der strahlenden Sonne noch spüren konnte. Sam raffte sich auf und gähnte ebenfalls. Seine Haare waren verwuschelt und er musste zuerst sein Hemd geraderücken, bevor er die Tür öffnen konnte. „Das Personal über den Hotelbesitzer befragen. Es gibt sicher ein paar Leute, die schon länger als fünf Jahre hier arbeiten..." sagte er nur. „Zieh dich vorher um und geh duschen!" kam es von Dean, der sich ebenfalls aufraffte. „Dito." kam es ein wenig anklagend von Sam zurück, bevor die beiden Brüder aus der Tür gingen. „Und was ist unsere Aufgabe?" fragte Castiel, der sehr wohl mitbekommen hatte, dass er keine große Hilfe für die Jäger war. Sie hatten ihn anfangs in den Entspannungsbereich des Hotels abgeschoben, doch er war ihnen nicht böse, schließlich hatte er auch bei der Recherche keinerlei Informationen herausgefunden. Mit dieser menschlichen Technik wurde er immer noch nicht wirklich warm. „Ich denke, ich muss dir tanzen beibringen." sagte Candra grinsend, froh darüber, dass sie sich nicht bei noch mehr Hotelgästen als eine von ihnen ausgeben musste. So wie sie es mitbekommen hatte, waren die meisten hier recht arrogant und abgehoben, diese Aufgabe überließ sie Sam und Dean. Castiel nickte langsam, vielleicht konnte er für den Fall doch nützlich sein. Er wünschte sich, er könnte seine Gnade wieder benutzen. Seine Wunden waren schon teilweise geheilt, was ein gutes Zeichen dafür war. Aber er fühlte sich immer noch ein wenig geschwächt, zu sehr, um den Winchesters mit seinen besonderen Fähigkeiten helfen zu können.

Es war ein seltsames Bild, das sich in Zimmer 130 nun zeigte. Kein Bett war von der Nacht zerwühlt, stattdessen stapelten sich dort die Teller bestellter Mitternachtsmahlzeiten. Das Licht fiel ruhig und sanft auf den hellen Teppichboden, die Glaskaraffen und die teuren Bilder an der Wand. Und mitten in dieser seltsamen Szene standen ein Engel und eine Jägerin und tanzten. Castiel hatte seinen Mantel abgelegt und hielt Candra im Arm, die auf Sams Drängen inzwischen die Bluse angezogen hatte. Sie bedeckte zwar grob ihre Naben, doch stand ihr sonst kein bisschen. Sie war viel zu weit und flatterte herum, kein bisschen das, was das Mädchen sonst tragen würde. Langsam zeigte sie Castiel die Schritte eines langsamen Walzers, der erste Tanz, den sie ihm beibringen wollte. „Woher kannst du so gut Tanzen?" fragte Castiel nun, nachdem er sich eine ganze Weile auf die Schritte konzentriert hatte und sah ihr zum ersten Mal seit einer langen Zeit in die Augen. Vorher hatte er immer auf seine Füße gestarrt um Candra nicht bei ihren Schritten zu behindern. Die gewisse dunkelbraune Haarsträhne fiel ihr wieder ins Gesicht und sie wurde ein wenig rot. „Ich habe als Kind in einem Verein angefangen Gesellschaftstänze zu tanzen und habe sogar ein paar Preise gewonnen." sagte sie, als wäre es etwas schlimmes. Es passte nicht zu einem Jäger, auch wenn das jahrelange Training vielleicht der Grund für ihre schnelle Reaktionsfähigkeit und Flexibilität war. „Ich habe den Leistungsdruck gehasst, deshalb habe ich auch aufgehört." fügte sie dann hinzu. „Du musst es mir nicht beibringen, wenn du es so sehr hasst." sagte Castiel schnell. „Nein, nein." warf Candra ein, als der Mann schon seinen Arm von ihrer Taille nehmen wollte. „Mit dir macht es irgendwie Spaß." sagte sie und ein Lächeln entstand auf ihrem Gesicht. Castiel musste zugeben, dass sie trotz der leichten Augenringe und den verwuschelten Haaren ziemlich gut aussah. Ein wenig erkannte man die Ähnlichkeit zwischen ihr und den Winchersters, besonders zu Sam. Ihre Haare waren von dem gleichen, dunklen Braun, welches geschmolzener Schokolade glich und auch ihre Nase erinnerte irgendwie an Sams. Dean erkannte der Engel nur in ihrem forschen Verhalten wieder und vielleicht auch ein wenig in ihrem Humor, aber das konnte man erst, wenn man von der Verwandtschaft wusste. Sie waren inzwischen stehen geblieben und Castiel hob seine Hand, die eben noch ihre gehalten hatte und strich ihr die Strähne aus dem Gesicht, wobei sie nach oben sah und ihm ein Lächeln schenkte. Und da waren sie wieder, die blauen Augen, die ihn daran erinnerten, wie Gott den Ozean erschaffen hatte. Candra wusste kaum wie ihr geschah, sie standen immer noch in diesem großen Zimmer, eng aneinander, in Tanzhaltung und sahen sich an. Es war, als sei Castiel in ihre Augen versunken und das zauberte das Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens noch ein Stück größer. Langsam beugte sich der Engel herunter und berührte mit seinen Lippen ihre. Keine Sekunde später klopfte es an der Tür und die beiden sprangen auseinander, als hätten sie etwas verbotenes getan. Doch statt Sam und Dean kam eine kleine, untersetzte Dame ins Zimmer und fragte sie höflich, ob sie hier sauber machen dürfte. „Natürlich, ähm auf jeden Fall." sagte Candra immer noch verwirrt und blinzelte ein paar Mal mit den Augen. „Ich...werd dann mal..." mehr brachte sie nicht heraus, als sie aus der Tür ging und den Engel mit der Putzhilfe im Zimmer zurück lies. Das Mädchen war knall rot angelaufen, ihr Herz raste wie verrückt und sie konnte sich nicht erklären was gerade passiert war. Mehrmals musste sie die Strähne aus ihrem Gesicht streichen, währen sie den Gang entlang lief. Sie wusste nicht einmal wohin er ging, aber sie versuchte erneut einer Szenerie zu entkommen, bei der sie erst ein Mal ihre Gedanken ordnen musste.

Herzräuber (Supernatural Fanfiction)Where stories live. Discover now