Kapitel 15

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In einen dicken Mantel mit wahrscheinlich nicht nur echtem, sondern auch unnötig teurem, Echtfell eingehüllt saß Candra hinten im Impala. Oliver hatte sie nicht mehr gefunden und so wollte sie ihm ehrlich gesagt auch nicht unter die Augen treten, sie fühlte sich schwach und ganz und gar nicht wie die taffe Jägerin, als die er sie inzwischen kannte. Sie hatte ihm eine Nachricht geschrieben und auch wenn sie das selbst ziemlich unhöflich fand, musste das reichen. Sam und Dean hatten sie schnellstmöglich vom Tatort entfernt und diesen Tatort noch ein wenig verändert, bevor sie Castiel eingesammelt und ausgecheckt hatten. Castiel hatte natürlich die ganze Geschichte von den beiden Brüdern erfahren und sah nun mitleidig auf das Mädchen herab. „Ist dir kalt?" fragte er dann, als er das Zittern bemerkte. Candra schüttelte nur den Kopf und versuchte selbst ihren Körper wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen, aber wie eben, als sie im Blutrausch gewesen war, konnte sie es nicht. Nur das dies eben Panik war, die sie nicht unterdrücken konnte. Der Engel legte ihr zwei Finger auf die Stirn, die kurz darauf aufleuchteten. Doch nichts passierte. Candra merkte selbst, dass Castiels eigene Wunden verschwunden waren und er auch nicht mehr so geschwächt wirkte, wie als er vor der Bunkertür gestanden hatte. Offenbar konnte er nun wenigstens ein bisschen auf die Quelle seiner Fähigkeiten zugreifen, doch bei dem Mädchen selbst schien es nicht zu funktionieren. „Krank bist du nicht." murmelte er dann nur. „Natürlich ist sie nicht krank, es war fast so als hätte sie einen Anfall gehabt." beschrieb Dean es wenig feinfühlig, während er gerade auf die Landstraße abbog. „Wie bei einem Werwolf an Vollmond!" fügte er dann noch hinzu, doch erntete von Sam nur einen Blick, der ihn zum Schweigen brachte. Schließlich musste man den Gemütszustand der Schwester der Beiden nicht noch weiter verschlimmern, sie hatte offenbar genug mit sich selbst zu kämpfen. Doch hier wurde Castiel hellhörig. „Wie ein Werwolf?" fragte er nach. Dean nickte nur. „Aber sie wurde nicht gebissen, als wir sie gefunden haben. Die einzige Wunde, die sie von dem Werwolf hat, sind die Narben auf der Brust. Es war kein Biss, sonst wäre sie doch selbst zum Werwolf geworden." erläuterte Sam dem Engel die Fakten über Werwölfe, die Castiel natürlich selbst kannte. Doch dieser ignorierte Sams Aussage und sah Candra an. Es tat ihm weh, wie gebrochen das Mädchen nun auf dem Rücksitz des Impalas kauerte. Sie hatte vom Kampf keine Blessuren davon getragen, dennoch sah sie schlimm aus, selbst in dem teuren Mantel. „Wann bist du geboren?" fragte Castiel das Mädchen nun. Trotz der ganzen Gedanken, die in ihrem Kopf kreisten und sie beinahe verrückt machten, bemerkte sie Castiels Frage und wandte sich ihm zu. Mit einem Mal waren alle ihre wirren Gedanken verstummt, als habe die Stimme des Engels sie vertrieben. Sie runzelte fragend die Stirn. „Am 9. Dezember 1992, warum fragst du das?" antwortete Candra ihm und merkte, wie brüchig ihre Stimme war. „Cass, was soll das?" fragte nun auch Dean, seine Schwester sollte nicht noch mehr beunruhigt werden. „Dann weiß ich was du bist." antwortete Castiel leise. Es herrschten einige Sekunden Stille im Auto. „Und was?" kam es dann von Candra, die Frage, die sich die beiden Winchester-Brüder nicht getraut hatten zu stellen, bevor es nicht das Mädchen selbst getan hatte. „Ein Herzenräuber." sagte Castiel und Candra zog nur die Augenbraue hoch. „Cass, das war der schlechteste Anmachspruch, den ich je gehört habe." kam es von Dean, der kein breites Grinsen mehr im Gesicht haben könnte. „Das meine ich nicht. Die einzige Kultur, die dieses Phänomen benannt hat, sind die Maya gewesen und übersetzt man ihr Wort dafür, kommt man auf den Namen Herzenräuber." erklärte er sich. „Und was ist das jetzt genau?" fragte Candra weiter, denn sie verstand immer noch nicht, was der Engel damit sagen wollte. „Der 9. Dezember 1992 war eine totale Mondfinsternis und auch ein paar andere Planeten standen in einem speziellen Muster. Jedes Kind, das an diesem Tag geboren wurde, ist ein solcher Herzenräuber, doch die wenigsten erkennen ihre Kraft." „Und was ist jetzt meine Kraft?" fragte Candra, da sie sich keinen Reim daraus machen konnte, wie ihr Anfall, so wie Dean es beschrieben hatte, gut sein könnte. „Ein Herzräuber nimmt jede Fähigkeit in sich auf von den Kreaturen, die ihr Herz berühren, so heißt es jedenfalls. Ich habe aber noch nie einen Herzräuber gesehen, der mehr als die Fähigkeiten eines Monsters in sich aufnehmen konnte, schließlich kommen sehr wenige Menschen Monstern so nahe und überleben einen Angriff auf ihr Herz." nun hatte der Engel alles ausgesprochen, was ihm dazu einfiel. Es war wirklich eine seltene Gabe, beinahe eine Vergessene. „Sie hat also Werwolf-Fähigkeiten über diese riesigen Kratzer übertragen bekommen?" fragte Dean mal wieder nicht besonders einfühlsam. „So könnte man es ausdrücken." Castiel nickte und Candras Hand wanderte unterbewusst zu ihren Narben. Die Klauen des Werwolfs waren also nicht nur bis zu ihrem Herzen vorgedrungen, die ganzen seltsamen Gefühle, die sie bei der Jagd auf die Okami hatte, waren auch schon auf diese Wunden zurück zu führen gewesen. Und es machte sogar Sinn: verstärkter Geruchssinn und verstärktes Gehör, das viele Adrenalin – und nun eben auch der Blutrausch, indem sie nichts gegen ihren Wunsch zu töten tun konnte. „Das heißt wohl ich bin auch für euch gefährlich." brachte Candra dann zum Ausdruck, was sie die ganze Zeit bei Castiels Erzählungen schon dachte. Die beiden Brüder und der Engel wollten etwas erwidern, mussten jedoch zugeben, dass das Mädchen recht hatte. Sie war nicht einzuschätzen, beinahe unberechenbar. Doch trotz dessen dachten alle drei Männer das gleiche: Sie würden alles tun um Candra vor sich selbst zu schützen.

Es war Nacht geworden. Die Jäger waren die ganze Nacht durch gefahren und erst gegen Mittag beim Bunker angekommen, doch Candra war geradewegs in ihr Zimmer gegangen und hatte sich dort eingeschlossen. Sam, Dean und Castiel hatten die Isolation zugelassen, sicherlich brauchte das Mädchen erst ein Mal Zeit für sich. Doch auch ihr Mitleid brachte nichts, sie hatten keine Ahnung, wie sie nun mit ihr umgehen sollten. Inzwischen hatte sich die Dunkelheit über Lebanon gelegt und die Sterne funkelten wie wild um die Wette. Sam und Dean hatten sich schweren Herzens schlafen gelegt, sie waren beide übermüdet. Der ganze Bunker war still, als Candra leise ihre Tür öffnete. Sie war ganz in schwarz angezogen und trug ihren Rucksack auf dem Rücken, die Haare zu einem strengen Zopf gebunden. Die Tür fiel leise ins Schloss und das Mädchen wartete noch einige Sekunden und lauschte, bevor sie weiter ihren Weg ging. Gerade wollte sie die Eingangstür des Bunkers öffnen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Erst zuckte sie zusammen, doch dann wusste sie, wer es war. „Castiel..." murmelte sie leise und seufzte, sie hatte den Engel, der natürlich keinen Schlaf brauchte, nicht in ihren Fluchtplan mit einberechnet. „Wo willst du hin?" fragte er leise, an die Stille der Nacht angepasst. „Weg von hier, weg von Menschen, die ich verletzen könnte." sagte Candra leise und drehte sich zu ihm um. „Du wirst uns nicht verletzen, es darf dich nur niemand provozieren." sagte er. Candra lachte leise. „Das werdet ihr nicht schaffen." sagte sie und sah dem Engel in die strahlenden Augen, die sogar in dieser Dunkelheit noch auf sie wirkten. „Ich muss gehen, ich habe mich entschieden." sagte sie dann und trat einen Schritt vor um ihm einen leichten Abschiedskuss zu geben. „Auf Wiedersehen, Cass." sagte sie dann noch, bevor sie die schwere Tür öffnete und der Geruch von Laub in den Bunker wehte. Castiel schwieg, während er das Mädchen gehen lies. Er wusste, dass er sie nicht zwingen konnte hier zu bleiben. Auch wenn er ganz offensichtlich etwas für die Jägerin empfand und sie ebenfalls, musste er sie gehen lassen. Menschen waren komplizierte Wesen, dachte er, als die Tür wieder ins Schloss fiel und er wieder in der Dunkelheit stand. Aber er verstand auch sehr gut, warum es die Lieblingswesen seines Vaters waren.

Candra lief die Straßen von Lebanon entlang und fand bald schon wonach sie gesucht hatte. Ein kleines Auto parkte vor der einzigen Bar in dieser Stadt und war leicht aufzubrechen. Das Mädchen brachte den Wagen schon bald zum Laufen und war innerhalb von wenigen Minuten aus der Stadt verschwunden. Eine Träne rollte ihr über die Wange, doch sie wischte sie schnell ab und blinzelte ein paar Mal, um nicht weinen zu müssen. Es war besser so, dachte sich das Mädchen. Zudem hatte sie einen Plan, den sie alleine durchführen musste. Wenn sie Glück hatte, würde sie ihre Brüder und den Engel im Trenchcoat danach wieder sehen, sie hoffte es so sehr. Die Landstraße war leer, während sie in Richtung Nebraska fuhr. Um diese Uhrzeit war das auch kein Wunder, nur hin und wieder kam sie an einem Autobahn-Motel vorbei, in dem noch Licht brannte. Als sie weit genug vom Bunker weg war und wusste, dass ihr niemand gefolgt war, hielt sie am Straßenrand an. Mit ihren flinken Fingern wählte sie eine Nummer und wartete darauf, dass jemand abnahm. Eine bekannte Stimme meldete sich. „Du? Beim letzten Mal wolltest du mich als Hexe verbrennen lassen!" kam es überrascht und gleichzeitig belustigt durch die Leitung. Candra verdrehte nur die Augen. „Rowena, du BIST eine Hexe!"

Herzräuber (Supernatural Fanfiction)Where stories live. Discover now