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Keuchend schrecke ich hoch. Fast lasse ich einen Schrei los, als ich direkt in Furys Auge blicke. "Sie lebt", sagt er leise in ein Mikro, welches an seinem Shirt hängt. Gequält verziehe ich mein Gesicht. Ich lebe noch. "Was sollte das, Ava?", fragt er mich, wirkt aber erleichtert. Mein Blick ruht starr auf der Decke, aus meinem Mund kommt kein Ton. Fury seufzt. "Ich bin ein Monster", die Worte sind nur ein Flüstern, doch ich bin mir sicher, dass er es gehört hat. Trotzdem erwidert er nichts. Er glaubt auch, dass ich ein Monster bin. Dann verlässt er den Raum.

Die Tage vergehen, in denen ich vor Langeweile meinen hundertsten Tod sterbe. Eine Krankenschwester ist immer bei mir, auf Anweisung von Fury. Offensichtlich hat er erkannt, dass ich alleine gefährlicher bin, weil ich dann die Kontrolle über die Angst verliere. Die Krankenschwester hat alles versucht, mich zu unterhalten, doch ich habe immer nur starr an die Wand geschaut und versucht, nicht zu denken. Doch immer und immer wieder haben mich die Erinnerungen nur so überrannt, so wie jetzt gerade. Vor meinem inneren Auge lacht Aidan mich gerade aus, weil er es wieder einmal geschafft hat, mich zu erschrecken. Ich stehe da, klatschnass und starre ihn entsetzt an, bis ich auch anfange, schallend loszulachen. Unsere Mutter platzt herein und fängt fast an zu schreien, als sie die Sauerei sieht, die wir veranstaltet haben, doch sie seufzt nur tief. Sie ist es gewohnt, denn wir machen oft solch einen Blödsinn.

***

"Ava, du darfst jetzt wieder zu den anderen, aber pass auf dich auf!", lächelt die Krankenschwester mich an, begleitet mich, damit ich ja keine Sekunde alleine bin. Wir kommen am allgemeinen Wohnzimmer an, wo schon alle Avengers sitzen und mich teils erfreut, teils seufzend anschauen. "Ach und Ava", die Krankenschwester legt mir die Hand auf die Schulter, "Morgen am Vormittag hast du Therapie." Jetzt bin ich es, die seufzt. Mit Therapie kann mir keiner helfen, dass haben meine Eltern in Irland auch schon probiert. Ich habe kein Wort gesagt und wenn ich geredet habe, dann über belanglose Dinge. Aidan habe ich nie erwähnt. Wanda springt auf mich zu und zieht mich zum Tisch: "Ich und Vision haben gekocht", ihr Strahlen wirkt echt. Es erreicht zumindest ihre Augen. Stumm fange ich an zu essen und lobe dann die beiden, wie gut sie es doch gemacht haben. Dabei habe ich nicht einmal auf den Geschmack geachtet, ich habe es einfach gegessen.

Den Nachmittag verbringen wir alle eher entspannt, jeder sitzt in einer Ecke und ist mit sich selbst beschäftigt. Auf meinem Schoß liegt ein Buch, doch die Wörter verschwimmen vor meinen Augen. Warum bin ich nicht gestorben? Diese Kugel ist direkt durch mein Gehirn gegangen, wie konnte ich das überleben? Mit dem nächsten ausatmen schiebe ich diese Gedanken ganz nach hinten und versuche, mich wieder auf das Buch zu konzentrieren. Was mir auch einigermaßen gelingt - bis der Alarm losgeht. Völlig panisch springe ich hoch, achte auf die anderen. Eigentlich will ich wegrennen, doch ich bleibe starr stehen. "Ein Notfall, wir müssen gehen. Vision, bleib bitte bei Ava", befiehlt Tony und rennt los. Vision seufzt auf, mustert mich dann. Doch ich bin nur damit beschäftigt aus und ein zu atmen und mich wieder zu beruhigen. "Du bist sehr ängstlich, oder?", fragt Vision mich. Ich schaue ihm direkt in die Augen, dann nicke ich, zucke aber auch gleichzeitig mit den Schultern. "Wovor hast du Angst?" Seine Frage bringt mich zum nachdenken, doch ich komme auf keine Antwort. Denn ich kann nichts mehr verlieren.

***

Die Türe geht auf und - ziemlich fertig - dackeln alle herein. Sie sehen ausgepowert aus, einige haben sich Schrammen zugezogen. Wanda rennt gleich auf Vision zu und umarmt ihn. Sie denkt, sie ist in ihn verliebt. Das stimmt nicht. Denn tief in ihrem Inneren sucht sie einen Ersatz für ihren Zwillingsbruder und denkt sie hat ihn gefunden, sie weiß es nur nicht. Alle versorgen sich und ich stehe daneben. Warum weiß ich nicht, aber auf einmal überkommt ein Gefühl der Wut mich. Alle ignorieren mich, niemand beschäftigt sich wirklich mit mir. Klar, ein paar Worte werden gewechselt, aber mehr nicht. Mehr wird wohl nie sein.

Am Abend liege ich ihm Bett, starre wie immer an die Decke. Auf dem Nachtkästchen liegt mein Handy, ausgeschalten. Doch jetzt nehme ich all meinen Mut zusammen und fahre es hoch. Kurz bleibt mein Herz stehen, doch schlägt gleich heftig weiter, als ich sehe, dass mich niemand angerufen hat. Niemand. Dabei bin ich sicher schon mehr als zwei Wochen weg. Lustlos schaue ich durch die News der Woche und schrecke auf, als ich meinen Namen erblicke.

"New York musste etwas schreckliches erleben: Mädchen Ava O'Connor wurde durch einen Unfall in ein Monster verwandelt. Sie konnte allerdings von den Avengers gefangen genommen werden.Alex O'Connor, Sie sind der Bruder des Mädchens?
-Ja, der bin ich.
Wie geht es Ihnen damit, dass ihre Schwester ein solches Monster ist?
-Es ist komisch zu wissen, dass sie mit mir in einem Bett geschlafen hat. Sie macht mir Angst.
Würden Sie um sie trauern, sollte sie sterben?
-Nein, eher nicht. Sie ist ein Monster, nicht das liebliche Mädchen von früher. Ich war dabei, als sie ihren Zwillingsbruder umgebracht hat."

Starr schaue ich auf den Bildschirm meines Handys. Das Video läuft weiter, doch ich bekomme nichts mehr mit. Wut durchfährt mich, gefolgt von kaltem Hass. Am liebsten würde ich mein Handy gegen die Wand schleudern, doch ich kann einfach nicht. Das Interview wurde gerade vor einer Stunde veröffentlicht. Mit zitternden Händen wähle ich Alex Nummer, welcher wirklich abnimmt.

"Denkst du wirklich ich habe Aidan umgebracht?"
Ein gehässiges Lachen entfährt ihm: "Natürlich, wer war es denn sonst? Ava, du hast nie ein Wort darüber verloren, was wirklich passiert ist. Und Aidan ist sicher nicht einfach umgekippt. Zudem haben wir seine Leiche gar nicht gefunden. Oder hast du Monster ihn irgendwo gefangen gehalten und gequält?!"
Erneut bleibt mein Herz stehen, dann gebe ich einen Laut von mir, den nicht einmal ich deuten kann.
"Ich komme jetzt zu dir."

Chimäre || Avengers ffWhere stories live. Discover now