17. Kapitel: Sarah

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„Es tut mir leid wegen vorhin, Sarah, aber diesen Kerl hier immer noch zu sehen, macht mich ganz wahnsinnig", gestand er schließlich und ich merkte, wie er stark ausatmete, dann aber doch endlich seine Hände auf die meinen legte.

„Dafür musst du dich nicht entschuldigen, Kaden. Uns allen fällt das gerade doch alles andere als leicht."

„Ich weiß, aber im Moment sollte ich wohl eher versuchen, mehr für dich da zu sein und nicht zu streiten, aber..."

„Ist schon gut, Kaden. Ich habe mich eh schon die ganze Zeit gefragt, wie du so ruhig bleiben konntest", beruhigte ich ihn auch weiterhin, während wir beide einfach nur auf die Weite des Landes starrten und den wärmenden Sonnenuntergang genossen. Einige Momente verstrichen, in denen wir beide nur hinsahen und schwiegen.

„Wir sollten wohl mal nach Sam sehen oder warst du zwischenzeitlich nochmal bei ihr?", brach Kaden schließlich das Schweigen, auch wenn ich das viel lieber so noch eine ganze Weile beibehalten hätte.

Es tat einfach wahnsinnig gut, wenn man nicht jeden Moment dazu gezwungen war, an sein eigenes gesamtes verkorkstes Leben zu denken, was sich nur noch immer tiefer und tiefer manifestieren würde und ich keinerlei Vorstellung davon hatte, wie schlimm alles noch werden würde in Zukunft. Wie ich mit allem umgehen sollte und ob am Ende alles noch schlimmer werden konnte, als es das eh schon war. Ging das überhaupt noch? Wie sollte ich das irgendwann alles meiner Mutter erzählen? Sollte ich sie etwa anlügen oder sollte ich ihr die Wahrheit sagen und es riskieren, dass sie mich mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit für verrückt erklären würde?

„Nein, noch nicht. Ich... habe mich allein ehrlich gesagt nicht getraut", gestand ich, löste mich dann doch mal von ihm und lehnte mich selbst gegen die Brüstung.

„Das ist doch völlig verständlich, Sarah. Dafür kann dir keiner einen Vorwurf machen. Dann lass uns zusammen nach ihr sehen. Sie hat schon seit Stunden kein Auge mehr zugemacht", kam es von ihm und ich meinte diesmal doch tatsächlich trotz der ganzen abstrusen Situation so etwas wie Besorgnis in seiner Stimme wahrzunehmen. Trotz allem mochte er Samantha.

„Ja, du hast recht", seufzte ich und sah ihn dann bestätigend nochmal an.

„Ich kann auch alleine gehen, Sarah", ermutigte Kaden mich und drückte bestätigend meine Hand, doch ich schüttelte nur den Kopf.

„Ist schon okay, ich komme mit. Ich will sehen wie es ihr geht", antwortete ich wie aus der Pistole geschossen, doch innerlich fragte ich mich sehr wohl, ob das die ganze Wahrheit war und ich mir das einfach nur nicht eingestehen wollte.

Wieder nahm er mich an der Hand, als wir nach drinnen gingen. Diesmal war die Tür geschlossen, doch wir zögerten nicht lange und wir klopften auch nicht, da wir nicht der Annahme waren, dass wir stören könnten.

Als wir eintraten, schreckte Samantha gerade offensichtlich aus dem Schlaf hoch. Ihr Haar war zerzaust und ihr hing sogar etwas Speichel am Mundwinkel. Sie war wohl mit offenem Mund auf dem Stuhl vor dem Bett eingeschlafen. Der Oberkörper hatte beinahe auf seiner Brust gelegen.

„Wow, du siehst echt verdammt fertig aus", sprach Kaden hemmungslos das aus, was mir gerade auch durch den Kopf geschossen war, aber ich hätte es garantiert nicht so drastisch formuliert.

„Ich bin nur mal kurz eingenickt, es ist alles gut", konterte sie schon leicht giftig, was aber bestimmt auch von dem starken Schlafmangel kam.

Hastig wischte sie sich den Speichel vom Mund und den Schlaf aus den Augen und griff sofort wieder nach dem Stück Stoff, um seine Stirn zu kühlen. Diesmal lag er vollends ruhig da, ich sah lediglich wie sich seine Brust anhob und sich kurz darauf wieder absenkte. Er lebte also noch.

„Du solltest dich erst einmal hinlegen, Samantha. Ich übernehme das", bot Kaden jetzt an und musterte sie erwartungsvoll.

„Nein, auf keinen Fall. Nach der Nummer vorhin lasse ich ihn besser nicht alleine mit dir", entschied sie sofort energisch und schüttelte gleichzeitig auf der Stelle hellwach den Kopf.

„Ich werde deinem geliebten Nate schon nichts tun", schnaubte er verächtlich und rollte genervt mit den Augen, aber ich bemerkte trotzdem die Angespanntheit, die nun durch seinen Körper strömte. Ob es nun wegen ihr oder Nathan war, konnte ich nicht sagen.

Mein Blick hing auf Nathan. In seinem momentanen Zustand wirkte er zum wiederholten Male so friedlich, dass er mich an den Nate erinnerte, der er früher mal gewesen war.

Plötzlich durchfluteten mich wieder diese quälenden Bilder Erinnerungen in meinem Kopf. Ich bildete mir ein, seine Stimme wahrzunehmen, welche mich reflexartig zusammenfahren ließ.

„Sarah, alles okay bei dir? Du bist auf einmal wieder so blass. Soll ich dich erst einmal wieder auf dein Zimmer bringen?", fragte Sam besorgt, als sie meinen verlorenen Blick kurz streifte.

„Ich glaube ihr braucht beide dringend noch etwas Erholung", bemerkte Kaden entschieden, als er Sams besorgtem Blick gefolgt war.

„Ja, okay. Wenn es aber etwas Neues gibt will ich, dass ihr mich sofort weckt, ist das klar? Und benimm dich, Kaden", kam es nun eindringlich von ihr, während sie den Hawaiianer kritisch musterte.

„Ich verspreche es, aber jetzt ab mit euch."

Sanft legte er mir seinen Arm um die Schultern, zog mich kurz an sich und küsste mich beruhigend erst auf die Stirn, die Wange und schlussendlich auf den Mund. Ich spürte Samanthas Blick auf uns ruhen. Sie freute sich für uns, aber gleichermaßen schien auch eine Spur Eifersucht in ihr aufzukommen. Nicht auf Kaden natürlich, aber auf die ganze Situation an sich. Was wir hatten und sie nicht. Was bei uns so einfach zu sein schien, aber bei ihr nicht.

„Ich danke dir, Kaden", überwand sie sich dann doch zu sagen, woraufhin er ihr nur als Entgegnung zunickte.

„Schlaf gut", flüsterte mir der hawaiianische Junge abschließend noch ins Ohr, was meine Haut an der Stelle, an der mich sein Atem berührte, wieder kribbeln ließ.

Mit diesen Worten schob er mich mit leichter Gewalt in Richtung Tür und schloss sie dann leise hinter uns, nachdem wir hinausgetreten waren. Samantha seufzte erleichtert neben mir, nachdem sie wohl endlich die volle Erschöpfung zuließ und sich offenkundig über ein paar Stunden Schlaf zu freuen schien.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt