11. Kapitel: Sarah - Teil 4

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Mein ganzer Körper fühlte sich wie Gelee an und so als ob ich keinerlei Gefühl mehr in ihm hatte. War das etwa das Stadium, wenn man das Zeitliche segnete? Alles an mir fühlte sich so komisch und falsch an, dass ich einfach mal behauptet hätte, dass genau dieser Fall eingetreten war. Ich hätte schwören können wahrgenommen zu haben, wie mir das Leben aus dem Körper gewichen war. Eine heiße Flüssigkeit, mein eigenes purpurrotes Blut war mir den Körper herabgeronnen, als Nate mir die Halsschlagader aufgeschlitzt hatte. Langsam und qualvoll und dennoch hatte ich kaum etwas gespürt. Es war fast schon befreiend gewesen. Ich kann nicht genau sagen wieso, aber es hatte mich lebendiger werden lassen, als all die Tage davor. Vielleicht war dies einfach der Tatsache geschuldet gewesen, dass ich endlich die Last von mir genommen bekommen hatte, obwohl die nächste bereits in greifbarer Nähe war und das Leid früher oder später bald über mich kommen würde. All der Verlust.

„Sarah!", rief wieder eine Stimme. Diesmal um einiges energischer und auf einmal wurde es mir klar. Glasklar. Es war die Stimme von Kaden, die mich versuchte aus der grenzenlosen und unendlichen Leere zurückzuholen.

Kaden ist tot! Du wirst nie wieder seine Stimme hören!

Gott, die Stimme in meinem Kopf hatte recht! Das hörte sich zwar tatsächlich nach Kaden an, aber es war einfach absolut unmöglich! Es war nicht Kaden! Es konnte gar nicht Kaden sein! Kaden war... Kaden war tot. Genau wie meine Mutter und mit ihr vermutlich auch jeder andere Mensch den ich liebte es bald sein würde. So langsam begann diese unerträgliche, mich verschlingende und bald schier überwältigende Information jede einzelne Faser meines Gehirns zu erreichen. Tot. Der hawaiianische Junge, in den ich mich verliebt hatte und dem ich nicht geschafft hatte mitzuteilen, dass ich wirklich so intensiv für ihn empfand, war tot. Viel zu früh von uns gegangen, getötet durch die Hand meines Onkels.

Alles begann sich zu drehen. Natürlich beschäftigte mich das Schicksal meiner Mutter mindestens genauso, aber wenigstens würde ich ihr Ende nicht so hautnah miterleben. Ein kleiner Trost angesichts des ganzen Dramas, aber ich hatte schnell gemerkt, dass es wichtig war, sich an jedem kleinen Strohhalm festzuklammern, ganz egal wie noch so klein er sein mochte.
Ich wollte schreien, mich winden, mich selbst dafür schlagen, obwohl es ja nicht meine Schuld war. Zumindest nicht direkt. Mit aller in mir noch verbliebenen Kraft stemmte ich mich gegen meine geistigen Barrieren, um aus diesem trostlosen Stadium auszubrechen, aber es ging einfach nicht.

Ich spürte, wie mich jemand rüttelte. Es begann tatsächlich sich noch einmal zu ändern. Der Hautkontakt, die Wärme der Hand, die sich auf meine Schulter legte. Nein, ich bildete mir das nicht ein, sie war wirklich und wahrhaftig da.

Es funktionierte doch! Ich konnte ausbrechen! Wenn ich nur immer weiter und weiter kämpfte, konnte ich es schaffen!

Mit einem heftigen Ruck fuhr ich hoch. Panisch schlug ich die Bettdecke zurück und wich hastig zurück an das Kopfende meines Bettes. Soweit ich nur irgend konnte. Mein Atem ging sehr schnell, mein Herz raste. Ich war Schweiß überströmt, sah mich panisch um und konnte mir einen zutiefst verängstigten Schrei nicht unterdrücken.

Endlich traf mein Blick den seinen. Ich streifte ihn nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch das reichte schon völlig aus, um mein Herz einen so starken Satz zu machen, dass ich kurz das Gefühl hatte, dass ich gleich in Ohnmacht fallen würde. Mein ganzer Kopf drehte sich und ich war mir nicht sicher, ob mir mein Hirn immer noch einen Streich spielte oder ob das hier gerade tatsächlich passierte. Hatte ich wirklich gerade ihn gehört? Waren es seine Berührungen gewesen, die mich haben zurückkommen lassen? War das vor mir, mit den verstörten und fast schon ängstlichen, dunklen Augen vor mir wirklich er? Wahrhaftig? Aber wie... konnte das nur sein?

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWhere stories live. Discover now