Kapitel 2

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Nachdem Jackson verschwunden war und wir unser Gepäck, das wirklich unmittelbar vor den Zelten lag, eingesammelt hatten, lief ich mit Damon, Liv und Eve, einem braunhaarigen Mädchen mit efeugrünen Augen, das sich zu uns gesellt hatte, über die Lichtung.

,,Das ist doch verrückt", murrte Liv, ,,selbst wenn die ganze Geschichte wirklich stimmt. Wozu war diese ganze Geheminskrämerei gut?"
,,Das frage ich mich auch", antwortete Damon, ,,der ganze Aufwand nur dafür, dass wir hier in einem Feriencamp sind? Und wieso hat uns niemand eingeweiht? Das ergibt alles überhaupt keinen richtigen Sinn."
Ich stimmte beiden zu. Es musste einfach mehr dahinter stecken, als Jackson gesagt hatte.

,,Wie machen wir eigentlich die Gruppenaufteilung?", warf Eve ein, die offensichtlich auch keine Lösung auf diese Fragen parat hatte.
,,Wollen wir nicht einfach so bleiben? Grace, du und ich?", fragte Liv, ,,und dann können die anderen beiden Mädchen in ein Zelt - wie heißen sie noch gleich?"
,,Die Große heißt Amber und Chloe ist die mit den dunkelbraunen Haaren", erklärte ich ihr, stolz darauf, dass ich so ein gutes Namensgedächtnis hatte.

,,Also ich wäre damit einverstanden", erwiderte Eve so überglücklich, als hätte sie gerade im Lotto gewonnen.
,,Von mir aus auch", meinte ich.
,,Was?", fragte Damon gespielt dramatisch,
,,betrügst du mich etwa?" Er legte sich seine Hand aufs Herz. Ich lachte über sein verzogenes Gesicht: ,,Tut mir leid."
Er lachte ebenfalls. ,,Das werde ich mir trotzdem merken."

-

Es begann zu dämmern, woraus ich schloss, dass wir etwa kurz nach neun hatten. Als ich meine Vermutung durch einen Blick auf mein Handy überprüfen wollte, sah ich nur ein flackerndes Display.
Es wurde durch eine Schwärze umschlossen, was mich verwunderte, aber durch meine logische Schlussfolgerung, dass es hier einfach kein Netzt gab, hörte ich auf, es zu hinterfragen.

Amber fiel das ebenfalls auf und sie beschwerte sich gleich, wieso es 'in der Pampa' denn nie Netz gäbe. Chloe hingegen lief ihr nach wie ihr Schoßhündchen, sprach ihr alles gleich und trug natürlich auch die gleiche Einstellung und Meinung zu ,,diesen Freaks", wie Amber uns bezeichnete.

Wir schlenderten zurück zu den Zelten und erkannten schon aus der Ferne ein glühendes Lagerfeuer, das in der Dämmerung besonders gut zur Geltung kam. Es leuchtete orange-rot und in der selben Farbe sprühten kleine und größere Funken, die in den Himmel herauf flogen und mit der Zeit immer und immer dunkler wurden, bis sie schließlich ganz erloschen.

Ich war so fixiert auf die Funken, dass ich gar nicht bemerkte, wie wir schon am Feuer ankamen. Ebenso hörte ich Livs und Eves Diskussion darüber, warum Tarzan eigentlich keinen Bart trage, nicht wirklich zu.

,,Marshmallows!", freute sich Liv plötzlich, ,,vielleicht ist es doch nicht so schlimm, hier her gekommen zu sein!" Die anderen saßen auf Baumstämmen um eine angelegte Feuerstelle, spießten einen Marshmallow auf oder hielten ihren Stock schon in das lodernde Feuer.
Ich würde nicht sagen, dass sie von der derzeitigen Situation nicht mehr aufgebracht und genervt waren, aber auf jeden Fall waren nun alle sichtlich besser gelaunt, nachdem sie erfahren hatten, warum und wie sie her gekommen waren - vielleicht trugen die Marshamallows auch zu der Verbesserung ihrer Stimmung bei. So ganz konnte ich diese Einstellung nicht nachvollziehen; ich hatte keine Angst - aber da war ein anderes Gefühl, etwas, was ich nicht einordnen konnte.

Liv riss mich aus meinen Gedanken und stattdessen hinter sich her. Sie entnahm einem Picknikkorb zwei pinke Marshmallows, von denen sie mir einen übergab. Kurz danach drückte sie mir einen langen, dünnen Ast, der an der Spitze spitz geschnitzt war, in die Hand.

,,Danke", meinte ich und setzte mich auf den linken freien Platz neben Liv, die sich eben dort niedergelassen hatte. Rechts neben ihr saß der Junge Adrian, der wie hypnotisiert in das Feuer starrte.

Ich stach meinen Marshmallow auf den Stock und hielt ihn schließlich wie alle anderen über dir Glut.
In diesem Moment kam Amber mit Chloe im Schlepptau. Amber schaute angewidert auf uns, auf die Äste, in das Feuer und dann wieder zu uns.
Sie lief zurück in ihr Zelt und kam nach wenigen Sekunden mit einer Parfümflasche wieder, dessen Deckel sie öffnete und Inhalt versprühte. Sie lief herum wie ein Ninja bei der Insektenvernichtung, blieb zwischendurch immer kurz stehen und wedelte sich den Duft zu ihr, um zu erkennen, ob an dieser Stelle schon genug Parfüm war.
Ich fragte mich langsam wirklich, wer solche Dinge in unsere Gepäcktaschen gesteckt hatte - und wer sie generell bestückt hatte.

Wir verfolgten ihr Geschehen ungläubig und ohne ein Wort zu sagen, jedoch interessierten sie unsere Blicke nicht. Sie hatte genug von ihrer neuen Duftaura, weshalb sie zurück in ihr Zelt stolzierte - Chloe hinterher.

Wir saßen weitere Sekunden da, bis Damon plötzlich anfing, leise zu lachen. Liam stimmte mit ein und so dauerte es nicht lange, bis wir in schallendes Gelächter ausbrachen. Es war der erste Moment, in dem wir uns damit abfanden, dass wir ungewollt zwei Wochen miteinander verbringen würden und für diese paar Sekunden war ich unglaublich dankbar. Und glücklich.
Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, saßen wir immer noch mit einem dämlichen Grinsen da, als jemand vorschlug, uns Gruselgeschichten zu erzählen. Es war Liam, der mich an einen großen Gorilla mit dunklen Haaren, breiten Armen und stolz erhobener Brust erinnerte. Aber irgendwie hatte er seinen eigenen Charme, weshalb ich ihn von der ersten Sekunde an sympathisch fand.

Wir stimmten ein, woraufhin sich Alec räusperte.
,,Die japanische, wunderschöne Frau Kuchisake-onna trägt - der Legende nach - einen roten Regenmantel und hält eine riesige Schere in den Händen.
Sie versteckt ihr Gesicht hinter einem Mund-Nasenschutz, den Japaner üblich tragen, wenn sie erkältet sind, weshalb sie dadurch nicht auffällt.
Sie läuft meist in der Nacht durch die Straßen und sucht sich ihre Opfer, die meistens Kinder sind. Jeden, den sie trifft, fragt sie immer die gleiche Frage:,,Bin ich schön?"
Antwortet die Person mit ,,ja", nimmt sie ihren Schutz ab und zeigt ihr furchtbar entstelltes Gesicht und fragt:,,Jetzt immer noch?" Bejaht der Betroffene die Frage immer noch, entstellt sie das Gesicht ihres Opfers, damit es genau so 'schön' wie sie ist. Wenn das Opfer jedoch am die anfängliche Frage verneint, tötet sie ihn. Falls es ein Kind ist, zerschneidet sie ihn bei lebendigem Leib in zwei Hälften oder versteckt ihn in ihr Versteck, um es zu Tode zu foltern.
Sollte man versuchen zu fliehen, wird er ebenfalls getötet, weil die Frau sehr schnell rennen oder sich sogar teleportieren kann. Sie findet ihr Opfer überall..."

,,Oh. Mein. Gott", Liv schaute sich beunruhigt um. ,,Och, komm, das ist doch nur eine Geschichte", versicherte Alec. In diesem Moment knackte etwas zwischen den Bäumen und Alec schreckte kaum sichtbar zusammen, aber er überspielte es mit einem Räuspern.
Damon und ich tauschen uns einen vielsagenden Blick aus. Alec fuhr fort: ,,Glaub da nicht dran." ,,Tust du es?", fragte Eve.
,,Pff, nein, natürlich nicht. Das haben doch nur irgendwelche alten Säcke geschrieben, die tagelang nichts besseres zu tun haben, als in vermoderten Bademänteln rumzuschlürfen und anderen Angst einzujagen."
,,Wenn du meinst."

Irgendwie schaffte es Adrian, Liv zu beruhigen und sie ließ sich sogar drauf ein, weitere Geschichten zu hören, weil sie meinte, dass sie schließlich irgendwie doch ganz spannend waren. Wir erzählten uns noch eine ganze Weile, bis wir alle müde wurden und nacheinander in unsere Zelte gingen. Als erstes gingen Adrian und Logan in ihr Zelt, danach zogen sich Liam und Alec zurück.

Und schon wieder waren nur noch Liv, Eve, Damon und ich da und redeten eine ganze Weile lang über Gott und die Welt.

,,Wollen wir uns dann auch mal langsam hinlegen?", fragte Liv und gähnte ihrer Aussage zustimmend. Wir bejahten es ebenfalls. Erst jetzt bemerkte ich wirklich, wie müde und geschafft ich eigentlich war. Damon löschte die nur noch leicht glühende Glut mit etwas Wasser. Ich hörte ein leises Zischen und grauer Rauch schlängelte sich in der Luft auf der Suche nach dem Weg in den Himmel.

Wir gingen zu unseren Zelten. Liv öffnete den Reißverschluss und kroch herein, nachdem sie sich von Damon verabschiedet hatte. Eve und ich taten es ihr gleich und das Letzte, was ich sah, war, dass Damon in dem gleichen Zelt verschwand, in das zuvor auch Alec und Liam gegangen sind. Dann schloss ich unser Zelt.

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