The Mask

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Nervös streiche ich noch einmal mein Kleid glatt, hole tief Luft. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das tatsächlich mache. Doch ein Rückzieher ist jetzt nicht mehr möglich. Also rücke ich die Maske vor meinen Augen zurecht und beobachte weiterhin die Menschen in dem großen, festlich geschmückten Saal.

Ein Maskenball zur Feier des Jahreswechsels.

Eine wirklich tolle Idee, doch so gar nichts für mich.

„Was will man auch von einem neunmalklugen Mauerblümchen erwarten?"

Die Stimme meiner Schwester halt in meinem Kopf wieder und bringt mich dazu, meine Maske gerade zu rücken und mich erneut dem Barkeeper zu zuwenden. Ich bestelle mir einen Wodka, den ich zügig in einem Zug hinunterschütte, nur um im Anschluss ein Glas Sekt in Empfang zu nehmen.

Hätte meine beste Freundin mir nicht vor drei Wochen diese Einladung mitsamt der wunderschönen Maske in die Hand gedrückt, würde ich wohl zu Hause vor dem Fernseher sitzen und allein den Beginn des nächsten Jahres feiern. Aber Mauras Worte gaben mir letztlich den entscheidenden Anstoß.

„Setz die Maske auf und sei für einen Abend wer auch immer du sein möchtest."

Und nun stehe ich hier, in einem schwarzen Kleid, dessen Beinschlitz bei einer falschen Bewegung mein kaum erwähnenswertes Höschen der ganzen Gesellschaft preisgibt. Aber heute möchte ich genau das sein, was diesen Kleid zusammen mit der schwarzen Maske ausdrückt.

Selbstbewusst, elegant, verführerisch, sexy.

Ich möchte nicht mehr die Stimmen meiner Schwester und meiner Mutter hören, die mir wieder und wieder vorhalten, ich sein ein schüchternes graues Mäuschen. Eine Streberin, die ihr Bett lieber mit Büchern teilt, als mit einem Mann.

Heute kann ich jemand anders sein. Hier und jetzt bin ich nicht Lou, das stille kleine Ding mit der Nerdbrille.

Heute bin ich Louana, eine Frau, die sich nur zu gern um Mitternacht ins neue Jahr küssen lassen würde.

Allerdings brauche ich dafür neben der Maske, hinter der ich mich verstecken kann, dringend noch ein wenig mehr Sekt. Gerade als ich mein drittes Glas von dem netten Barkeeper entgegennehme, taucht ein Mann neben mir auf. Kaum habe ich seine Anwesenheit bemerkt, spüre eine warme Hand zwischen meinen Schulterblättern und diese Berührung ist alles andere als unangenehm.

Diese zarte Geste löst ein Kribbeln in meinem Körper aus, dass ich bisher nur einmal gespürt habe. Kurz genieße ich dieses neu aufkommende Gefühl, ehe ich mich zu ihm umdrehen und schon nach dem ersten Blick verschlägt es mir den Atem.

Vor mir steht ein Bild von einem Mann. Groß, gut gebaut, dunkles Haar, dass im Schein der Kronleuchter samtig schimmert. Sein Anzug sitzt wie angegossen und die Fliege, die lediglich locker um seinen Hals hängt, machen seinen Auftritt einfach perfekt.

Doch es sind seine Augen, die mich anziehen wie das Licht die Motten. Dieses helle, leuchtende Grün fasziniert mich und tief in meinem Innern versucht sich etwas an die Oberfläche zu kämpfen, dass ich lange Zeit gut verschlossen gehalten habe. Doch ich kann gar nicht weiter darüber nachdenken, denn kaum ist er vor mich getreten, hält er mir ein Glas entgegen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst", murmelt er leise als ich das Glas aus seiner Hand nehme. „Wie bitte?", krächze ich mit heiserer Stimme, versuche das Brennen meiner Wangen zu ignorieren. Mein Gegenüber lächelt und diesmal ist es ein warmes, fast schon sanftes Lächeln. „Schon gut." Er prostet mir zu und ich tue es ihm gleich. „Auf einen unvergesslichen Start ins neue Jahr."

Während wir beide einen Schluck aus unseren Gläsern nehmen, versinke ich erneut in seinen Augen und fasse einen Entschluss. Ob es die Maske ist oder aber der Alkohol, kann ich nicht sagen. Doch wie von selbst trete ich noch einen Schritt näher an ihn heran, sauge seinen herben, männlichen Duft ein, ehe ich ihm antworte: „Auf einen unvergesslichen Neuanfang."

The Mask #afterdarknewyearscontestWhere stories live. Discover now