Family of choice - a Christmas tale

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So sehr sich Amélie auch bemüht hatte, die Mensa zum Leidwesen aller unfreiwilligen Helfer zu schmücken, so recht wollte keine festliche Stimmung aufkommen, obwohl die Französin sich rege Mühe gegeben hatte. Zahlreiche grüne Tannenzweige hingen in langen Girlanden an den Wänden, verziert mit bunten Kugeln und funkelndem Lametta. Über der großen Eingangstür hing sogar ein dekorierter Mistelzweig, den Amélie selbst mit Gérard eingeweiht hatte. Dass dabei die Umstehenden demonstrativ mit den Augen gerollt hatten, hatte sie ebenso geflissentlich ignoriert wie die Proteste von Gabriel Reyes, der steif und fest behauptete, mit all diesem "Fimmel" könnte man glatt die gesamte US Army ausstatten.

Allein Ana hätte wohl Einspruch einlegen können, doch angesichts der großen Freude, die ihre Tochter Fareeha beim Anblick der bunten Lichter empfunden hatte, hatte sie geschwiegen, sodass Gabriel auf verlorenem Posten gestanden hatte. Da auch der Strike Commander Morrison nur ein mildes Lächeln für die Bemühungen Amélies übrig gehabt hatte und keinen Widerspruch, hatte der Protest Gabriels zu nichts geführt. Die Dekoration war geblieben.

Die Stimmung jedoch war nicht wie erhofft eingekehrt. Viele Overwatch-Mitglieder vermissten ihre Familien, denn nur wenige konnten über die Feiertage heimfahren, um ihre Liebsten zu sehen. Zugegeben hatten die meisten keine Familie außerhalb der Organisation, an denen sie besonders hingen, doch einige planten bereits jetzt lange Telefonate mit ihren Eltern, Geschwistern, Großeltern oder Kindern. Amélie hatte Ana dabei geholfen, für jeden einen Zeitrahmen zu schaffen, damit zwar alle Posten wie nötig besetzt waren, aber doch jeder ein wenig Ruhe für sich und seine Familie fände.

Das Weltgeschehen machte vor Heiligabend nun einmal nicht Halt, wie Jack zu sagen pflegte, dem die beiden Frauen prompt ein zweistündiges Videotelefonat mit seinen Eltern eingeplant hatten. Sie kannten den Strike Commander immerhin gut genug, um zu wissen, dass er immer der Erste war, der sich selbst zurück nahm, damit es seinen Kollegen gut ging.

Die Sorgenkinder, wie Amélie die kleine Blackwatch-Truppe gerne nannte, jedoch würden eine harte Nuss, wenn es darum ging, sich ein wenig vom Zauber von Weihnachten einfangen zu lassen. Besonders ins Auge gefasst hatte Amélie dieses Jahr Moira O'Deorain, denn im letzten Jahr hatte die Irin sich erfolgreich jeglichem Hauch Weihnachten erwehrt und nur erklärt, sie habe keine Zeit für solchen Firlefanz, es gäbe genug Arbeit und die zöge sie vor. Ihre Familie habe dafür Verständnis und würde das Fest ohne sie begehen. Dabei hatte sie die Lippen säuerlich verzogen, als müsse sie sich einen bissigen Kommentar über die Unnötigkeit dieser Feierlichkeiten sowie des Glaubens, dem ihre Eltern anhingen, verkneifen.

Dass Moira für Religion wenig übrig hatte, war kein Geheimnis und Angela hatte Amélie schon im Voraus gewarnt, dass bei Moira Hopfen und Malz verloren waren. Sie hasste Weihnachten förmlich, so sehr ihre stark gläubige Familie sich auch wünschte, Moira käme zum Fest heim. Das hatte Moira natürlich abgelehnt. Im letzten wie auch in diesem Jahr.

Deshalb hatte sich Amélie dieses Mal direkt an die eine Kollegin gewandt, mit der die Rothaarige überhaupt klar zu kommen schien: Dr. Ziegler. Das lag nicht unbedingt an deren umgänglichen Naturell, sondern vielmehr daran, dass Moira sehr kritisch war, wenn es darum ging, mit wem sie sich umgab. Sie zog eindeutig intelligente Menschen vor, Wissenschaftler und hatte wenig übrig für Waffennarren und einfache Soldaten, die in einem Gespräch mit Moira womöglich nicht einmal verstünden, wovon das Genie überhaupt sprach. Was es jedoch noch sehr viel schwieriger machte, war Moiras immense Liebe zu Logik und Wissen.

Die ging so weit, dass sie sogar versucht hatte, zu argumentieren, wieso es Sinn mache, Versuche an Menschen durchzuführen, auch wenn ein Wirkstoff noch in der Entwicklung war. Durch diese Opfer, hatte sie betont, könnte man viel schneller und gezielter weiterforschen. Es sei eine Frage der Effizienz und schließlich komme es der Menschheit zugute. Sie hatte sogar Zahlen zu Sterblichkeitsraten vorgelegt, doch natürlich hatte man ihr Anliegen rundweg abgelehnt. Allein, dass sie es versucht hatte jedoch, hatte sehr schnell die Runde in den Kreisen von Overwatch gemacht.

Family of choice - a Christmas taleWhere stories live. Discover now