15: No Men's Land

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Am Abend ging es mir wirklich gut. Ich hatte keine Hausaufgaben mehr, weil so gut wie alle Prüfungen vorbei waren und kein Lehrer mehr mit einem neuen Kapitel begannen, da die Sommerferien nahten. So ziemlich alle fanden sich in unserem Garten ein. Es war lange hell draussen und sogar noch einigermassen warm. Lucien und Mitchell sassen im Baum, um die Kirschen zu pflücken, sodass Jeremy einen Kuchen daraus machen konnte. Dieser sass auf der Veranda und Finlay ebenfalls. Mit einer akustischen Gitarre im Schoss. Er spielte Stairway to Heaven rauf und rückwärts und Gregory und Lucien unterhielten sich, während sie Karten spielten und Joya rannte unter dem Kirschenbaum hin und her, sammelte kreischend lachend die runter fallenden Kirschen auf.

Und ich kehrte vom Einkaufen zurück. Trug meine geblümten kurzen Hosen und ein ärmelloses hübschen türkises Oberteil mit weissen Spitzen am Ausschnitt. Ich trat hinaus auf die Veranda und lächelte. Das hier nannte ich richtigen Sommer.

Ich stellte die Einkäufe ab und setzte mich auf die kleine Treppe, die hinab in den Garten führte und drehte mich zu Jeremy um und Finlay, der aber ganz auf seine Gitarre konzentriert war. Man sah ihm an, dass er sich mehr an den Bass gewöhnt war, als an die Gitarre. Es fiel ihm schwer, sich damit abzufinden, dass der Hals der Gitarre nicht so lang war, wie der des Basses und die Bundstäbchen viel näher beieinander waren. Doch er stellte sich gar nicht mal so ungeschickt an.

,,Echt schön hier, hm?“, sagte ich und Jeremy nickte lächelnd.

,,Ja. Und nachher machen wir einen Kirschkuchen“

Ich grinste und mein Blick fiel sehr diskret auf den blonden jungen Mann, der Gitarre spielend in seinem hölzernen Stuhl lehnte. Mit hochgekrempelten Jeans und braungrauem Shirt.

,,Jeremy?“ Er wandte sich fragend an mich.

,,Kannst du flechten?“ Ich grinste.

Jeremy lachte und schüttelte sich das blonde Haar aus dem Gesicht.

,,Ich habe zwei kleine Schwestern. Natürlich kann ich flechten!“

Ich strahlte.

,,Willst du mir einen Zopf flechten?“, fragte ich und schlug die Wimpern nieder und der junge Mann grinste.

,,Aber sicher“

So setzte ich mich vor ihm auf den Boden und lehnte mich an seine Beine an und von seinem Stuhl aus, begann er mir einen Zopf zu flechten.

Und als ob ich überhört hätte, dass Finlay sich mehr als drei Mal verspielte…

Wie ich so an Jeremy angelehnt sass, so war Finlay vis-à-vis von mir. Und ich starrte ihn an. Unentwegt, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken. Denn jetzt war meine Ungeduld am Ende. Ich würde ihn weiter so ansehen, bis er aufgab.

Es ging nicht lange und er hörte auf zu spielen und sah mich an. Seine blauen Augen waren matt und tief. Er biss sich hart auf die Zähne, denn ich sah wie der Kiefermuskel hervor trat. Er fuhr sich durchs Haar und genau wie ich, liess er den Blick nicht mehr sinken. Es war ein Kampf. Wer länger standhielt, sozusagen.

Und dann runzelte ich die Stirn. Legte einen: ,,Willst du nicht endlich etwas sagen?“ – Blick auf und dann… Ja, dann! Dann seufzte er tief und stand auf.

,,Ich muss mal..“ Und er hingegen warf mir einen: ,,Na dann komm“ – Blick zu und so ich:

,,Und ich geh was zu trinken holen“ Und stand ebenfalls auf. Jeremy hatte sein Werk vollbracht und zufrieden tastete ich meinen Zopf ab.

,,Danke, Jeremy!“ Ich lächelte ihn an und trat dann hinter Finlay zurück ins Haus. Wir gingen ein Stück hinein. Bis wir in den Flur gelangten, wo sich das Bad, mein Zimmer und das von Mitchell befand. Er blieb stehen und drehte sich zu mir um. Tapfer blieb ich vor ihm stehen.

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