~Kapitel 37 - Die Nacht wird zum Tag ( Teil 2 )~

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Als erstes sah ich den Wolf an, der immer noch betäubt und angekettet auf dem Boden lag.  Ich konnte mich noch daran erinnern, als Lenny jedes Mal zum Mittagessen sein rohes Fleisch aus dem Kühlschrank geholt und sie einfach so verdrückt hatte oder daran als er immer wieder wissenschaftlich gesprochen und seine logischen, die ebenfalls beeindruckend waren, Theorien aufgestellt hatte, womit er uns immer wieder aufs Neue überrascht hatte. Manchmal wussten wir echt nicht wovon er da in Wirklichkeit sprach, doch trotzdessen war er ein humorvolles und witziges Genie. Obwohl Lenny in Wirklichkeit ein Wolf war, ein übernatürliches Wesen, dass am liebsten rohes Fleisch aß, so war er dennoch ein guter Freund gewesen. Ein Freund, für den man sich zu kämpfen lohnte. Die Erinnerungen mit Lenny verblassten langsam, als meine Blicke zu Sam glitten, die erst meine verschmierte Blutspuren im Mundbereich fixierte und dann mich.

Sam war für mich wie eine Schwester und gleichzeitig auch meine beste Freundin. Ich konnte mich noch an die Zeiten erinnern, als sie mich durch jeden Laden in Berlin mitgeschleppt und mehrere Scheine für Sachen ausgegeben hatte, was jedes Mädchen einmal gerne besitzen würde. Sie war ein Mädchen gewesen, was gerne im Mittelpunkt stand und nebenbei gerne von Jungs schwärmte, die sie am Ende immer sitzen ließ, wann immer sie gemerkt hatte, dass der Junge nicht der Richtige für sie war. Dabei merkte sie nicht einmal, dass auch Lenny Gefühle für sie hatte. Ich wünschte alles wäre anders gelaufen, ich wünschte mir, dass Lenny und Sam eine zweite Chance bekommen und zusamme glücklich leben konnten, doch das wäre vielleich nicht mehr möglich und warum? Weil es alles meine Schuld war, weil sie alle wegen mir hier waren.  Die Bilder und somit auch die Erinnerungen an Sam verschwanden wieder, wie ein Nebel und steuerte direkt auf die nächsten zu, die diesmal mit Ramiel zu tun hatten.

Meine Blicke wanderten, wie gedacht, zu Ramiel, von der man den Schmerz ganz leicht von seinem Gesicht ablesen konnte. Auch die Zeit mit Ramiel erinnerte ich mich ganz genau. Alles hatte auch mit ihm angefangen. Er war derjenige gewesen, der mich in der Gasse von den Männern meines Onkels gerettet hatte. Er war auch derjenige gewesen, der mich in die WG genommen und mir somit eine Familie gegeben hatte. Ramiel war ein richtiger Freund für mich. Mein bester Freund auf dem man sich immer verlassen konnte, auf den man zählen konnte. Jedes Mal als es mir schlecht ging war er für mich da gewesen, hat mich getröstet, mich zum Lachen gebracht und mir gezeigt, dass man auch Spaß am Leben haben konnte. Zwar war Ramiel, wie Lenny und Sam, kein Mensch, sondern ein gefallener Engel, der für den Teufel arbeitete aber das spielte für mich keine Rolle. Ich wusste nicht genau, ob ich für Ramiel mehr empfand, als nur eine Freundschaft. Es gab aber Momente, da fühlte ich mich manchmal zu ihn hingezoegn, doch die Freundachaft zwischen uns war viel stärker gewesen, die ich niemals aufs Spiel setzen würde. Für mich war Ramiel ein wahrhaftiger Freund, der immer versuchte zu helfen, anstatt Angst und Schrecken durch den Teufel zu verursachen. Dies zeigte mir auch, dass er kein Gefallener sein konnte. Für mich war er vor meinen Augen kein Gefallener, sondern ein Engel. Ein wahrhaftiger, richtiger Engel mit Flügel.

„Tu es.", hörte ich plötzlich Nekael zu mir flüstern, der mich aus meinen Gedanken riss und in die Realität zurück brachte. Ich löste meine Blicke von Ramiel und schaute nun in die Augen des Vampirs, der meine Blicke ohne weiteres erwiderte und eine Art Wärme durchströmte mich.

Ich runzelte die Stirn,  da ich nicht sofort verstand, was er damit meinte. ,, Tu es, töte uns." Diesmal waren seine Worte ernst und hart, genau wie seine Blicke.

Nekael

Damals als ich in die WG kam, war er der einzige gewesen, der mir die kalten Schulter gezeigt und mir immer wieder angedeutet hatte, dass er mich hasste und mich nicht in seiner Nähe haben wollte. Sein Verhalten gegenüber mir hatte mich traurig gemacht und mich verletzt, doch als ich den wahren Grund für sein Verhalten wusste, wusste ich gleichzeitig, dass ich niemals einen Platz in seinem Leben bekommen würde, bis er mich geküsst hatte. Plötzlich tauchten Bilder vor mir auf, die ich am liebsten nie hergeben wollte und an denen ich mich immer festhalten wollte. Der Kuss, der zwischen Nekael und mir stattgefunden hatte, war für mich ein Beweis genug gewesen, dass er sich von mir nicht mehr distanzieren wollte, dass er es nicht mehr konnte. Zwar wusste ich immer noch nicht genau, was er für mich empfand und welche Bedeutung der Kuss hatte aber seitdem Kuss strahlte er eine Wärme aus, die mir gut tat, die mir Kraft gab und mich innerlich heilte. Ich wünschte bloß, ich hätte ihn viel früher kennengelernt, ich wünschte unser erstes Zusammentreffen wäre anders verlaufen und ich wünschte mir auch, dass wir ein ganz normales Leben führen könnten. Vielleicht ein Leben, ohne übernatürliche Wesen, Zauberei und Märchen aber trotzdessen würde ich ihn... lieben. Plötzlich spürte ich einen kräftigen Schlag in meinen linken Brustkorb. Ich zuckte leicht zusammen und merkte wie meine Augen in dem Moment größer wurden, bis sie anschließend seine alte Größe wieder hatten. Was war das? Warum fühlte ich plötzlich eine Wärme in mir, dass mein Herz umhüllte uns sie schneller schlagen ließ? Für einen kurzen Moment merkte ich, wie sich die Gefühle Wut und Hass, die mich kontrollierten, sich auflösten. Ich sah, dass sich die Mimik von Nekael ebenfalls veränderte, von hart zu weich. Was genau war das eben? Hatte ich gerade wirklich zugegeben, dass ich Gefühle für Nekael hatte und das ich ihn liebte? Fühlte sich so die Liebe an?

Ja, dass hatte ich...irgendwie. Ich hatte Gefühle für ihn entwickelt, ohne es gemerkt zu haben. Ich erinnerte mich. Schon damals, als er in mein Zimmer kam, um mich aus der Gefangenschaft meines Onkels zu befreien, fühlte ich etwas, was mein Herz umhüllt hatte. Etwas was mein Herz immer wieder wild zum Schlagen brachte, etwas was man… Liebe nannte. Ich liebte ihn, ich war in ihn verliebt gewesen, doch ich hatte es viel zu spät gemerkt. Viel zu spät...

Ich fühlte plötzlich wie meine Augen leicht brannten und merkte wie sich Nekael vor meinen Augen etwas verschwommen aussah, doch ich hielt die Tränen zurück.

„Wie lange brauchst du noch meine Liebe, um dich endlich entscheiden zu können? Ich möchte diese Sache so schnell wie möglich hinter uns bringen.", hörte ich Azrael ungeduldig hinter mir sagen und dabei merkte ich in seiner Stimme, dass er irgendwie ahnte, dass ich vielleicht meine Meinung doch geändert haben könnte.

Nein! Das durfte nicht sein! Er durfte es nicht ahnen, er durfte auf keinster Weisen herausbekommen, was ich für Nekael fühlte. Wenn er das täte, dann würde er die Sache selber in die Hand nehmen und meine Freunde ohne zu zögern töten. Das wollte ich nicht, dass durfte ich nicht zu lassen. Ich musste deshalb meine Gefühle, mein Trauer und  meine Tränen verbergen, damit Azrael sie ebenfalls nicht fühlen konnte. Er durfte davon nicht erfahren, niemals!   

Ich setzte leicht meine Stirn in Falten, da meldete sich Nekael wieder zur Wort. „Na los, fang bei mir an. Töte mich.", gab er locker von sich, als würde er diese Sache ebenfalls schnell hinter sich bringen wollen, wie Azrael. Er wollte, dass ich ihn als erstes tötete?  Ich war geschockt und mein Herz zog sich mächtig und schmerzhaft zusammen, doch ich durfte diese Gefühle nicht zeigen. Nekael ließ nicht locker. „Komm schon, hab keine Angst. Stich mit der Dolch ruhig zu. Mir ist es liebe von dir getötet zu werden, als von diesem Arschloch." Nekael sah an mir vorbei  und starrte Azrael finster an, der nur bitter lachte. Ich sah Nekael wie erstarrt an und am liebsten wäre ich abgehauen. Ganz weit weg, wo mich niemand finden konnte, doch sobald ich diese Sache nicht zu Ende brachte, würde es nie aufhören. Nicht Mal ein bisschen...

Als Nekael seine Blicke wieder auf mir ruhen ließ, so wusste ich sofort, dass ich keine Zeit mehr hatte, um mich zu entscheiden. Entweder überließ ich es Azrael, der ohne zu zögern alle hintereinander vor meinen Augen umbringen würde oder ich tat es selber. Doch konnte ich das denn?  Konnte ich es wirklich wagen, den Dolch ins Herz meiner Freunde zu stechen? Es musste doch einen anderen Weg geben, diesen Alptraum zu stoppen, oder? Ich schaute nach oben auf den Glasskuppel, wo die Sterne nicht mehr zu sehen waren und der Mond ebenfalls aber dafür sah ich den Himmel, der langsam sich erhellte. Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und betete.

Lieber Gott, wenn es dich da oben gibt, bitte ich dich mir zu helfen, mich vor dieser Lage zu bewahren, indem ich mich gerade befinde. Ich möchte meine Freunde nicht töten aber ich möchte auch nicht, dass sie getötet werden. Vielleicht verlange ich von dir vieles, doch wenn ich sie ebenfalls verliere, wie meine Eltern, dann will ich nicht mehr leben. Ich bitte dich deshalb, lass sie leben und nimm mich dafür...

Wie aus dem nichts, so als wurde ich von einem Blitz getroffen, kam mir nur eine einzige Gedanke, was auch gleichzeitig meine einzige Lösung war, das Ganze hier ein Ende zubereiten. Ich löste meine Blicke von der Glasskuppel und schaute wieder zu Nekael, der mich fragend ansah. Ohne Hauch von Gefühlen zu zeigen, begann ich ganz leise zu sprechen. „Azrael?“

„Ja, meine Liebe?“, hörte ich ihn hinter mir. „Ich habe mich entschieden.“ Nekael setzte seine Stirn in Falten und ich konnte erkennen, dass er versuchte herauszufinden, auf wem meine Entscheidung gefallen war. Ich konnte spüren, wie hinter mir Azrael breit grinste. „Endlich! Und wer ist es? Wer kann sich glücklich schätzen? Ich hoffe es ist Nekael, da ich seine Visage nicht mehr ertragen kann.“, gab er beim letzten Satz genervt von sich. Wenn du nur wüsstest, dachte ich, löste ganz langsam meine Blicke von Nekael, der immer noch versuchte von meinen Blicken meine Entscheidung abzulesen, doch ich drehte mich langsam zu Azrael um, sodass meine volle Aufmerksam ihm galt. „Also meine Geliebte, wer ist es?“, fragte er mich wieder neugierig und bevor ich meine Antwort gab, holte ich noch das letzte Mal tief Luft und krallte den Dolch noch fester in meine Hand. In der Halle war es still, während Azrael und die anderen schon ungeduldig darauf warteten, dass ich endlich antwortete und das tat ich. „WIR!“, schrie ich so laut wie es nur ging und stach mit voller Kraft den Dolch in meiner Haut.

Die Nacht der UnsterblichenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt