Kapitel 7

23 2 0
                                    

Emmaly war schon mehrfach bei Ona und Oz Zuhause gewesen, meistens weil ihre Mentorin sie zum Tee eingeladen oder die Unterrichtsstunden dorthin verlegt hatte. Das erste Mal war das Mädchen mit ihr zusammen vom Post Mortem gelaufen und hatte nicht auf den Weg geachtet. Beim zweiten Mal hatte sie versucht, sich den Weg zu merken, war aber nach einigen Abzweigungen völlig durcheinander gekommen. Und irgendwann hatte Emmaly einmal versucht, das Haus allein zu finden. Doch so lange sie auch gesucht hatte, so viele Wege sie gegangen war, es war ihr nicht gelungen.

Bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen hatte Ona dem Mädchen schließlich erklärt, dass auf ihrem Heim ein besonders starker Schutzzauber lag. Nur die Menschen, die dort lebten, die tief mit dem Ort verbunden waren, konnten es finden. Für alle anderen würden die Wege niemals zum Haus führen, egal wie lange sie danach suchten.

Es war unheimlich faszinierend, und Emmaly ertappte sich immer noch dabei, wie sie versuchte, sich den Weg zu merken. Aber es war natürlich unnütz, denn der Pfad war jedes Mal ein anderer. Sie erkannte keines der Gebäude um sich herum, keine Straßenecke, aber irgendwann blieb Oz plötzlich stehen, und da war es: das Haus, das sie schon mehrere Male besucht hatte. Dunkelblau gestrichen, mit grünen Fensterläden und einem runden Dach. Vollkommen unvermittelt war es da, auch wenn es eigentlich von weitem hätte zu sehen sein müssen.

„Oh Mann.", entfuhr es Emmaly, und Oz lachte leise neben ihr. „Komm rein."

Sie gingen durch den kleinen Vorgarten, in dem links und rechts vom Weg bunte Blumen und Kräuter wuchsen. Es roch nach Lavendel und Basilikum, und trotz, dass es bereits Herbst war, waren zwischen dem Grün und den Blüten Schmetterlinge zu erkennen. Das hier war magisch, das spürte Emmaly in jeder Phase ihres Körpers.

Und der Zauber hörte nicht auf, als sie über die Schwelle des Hauses traten. Im Gegenteil – die Düfte wurden intensiver, und die Atmosphäre gleichzeitig leichter und schwerer. Es war unmöglich zu beschreiben.

Nicht nur der Ort des Hauses, sondern auch sein Inneres schien sich mit jedem Mal zu ändern. Emmaly erinnerte noch sich an eine weiße Wendeltreppe, einen marmornen Boden und einen lichtdurchfluteten Flur, die ein unheimlich modernes Bild abgegeben hatten. Davon war heute nichts mehr zu sehen. Statt Marmor gab es dunkles Holz, und überall wo man hinsah, standen Blumentöpfe und Vasen. Alles war grün und die Luft duftete herrlich nach feuchter Erde. Emmaly setzte langsame Schritte in den Flur und achtete darauf, sich wirklich alles anzusehen, jeden Eindruck in sich aufzusaugen. Sie war sich nicht sicher, wie Onas magische Fähigkeiten genau aussahen. Eigentlich konnte sie nicht einmal sagen, zu welcher Wesensgruppe sie ihre Mentorin ordnen sollte. War sie ein magisch begabter Mensch? Ein Dschinn? Emmaly war nie dahinter gekommen, und sie hatte es auch als unhöflich empfunden, danach zu fragen.

Wirklich sicher war sie sich aber einer Tatsache: Ona war unheimlich mächtig. Dinge wie der Schutzzauber über ihr Haus, die ständige Umgestaltung und der Fakt, das starke Wesen wie Luzifer Angst vor ihr hatten, erinnerte sie immer wieder daran. Es war wirklich gut, dass die beiden anscheinend auf der gleichen Seite standen.

„Emmaly!" Ona kam aus der Küche gelaufen, ihre Augen waren zu vergnügten Schlitzen verengt. Sie trug ein Kleid aus hunderten, unterschiedlichen Mustern und Stoffen, die alle einen grünen Schimmer hatten, und wunderbar ihre Augen betonten. Bevor Emmaly reagieren konnte, hatte ihre Mentorin sie schon in die Arme geschlossen. „Wie schön dich zu sehen."

Oz machte ein Geräusch, das entweder ein Brummen oder ein unterdrücktes Lachen war, dann huschte er an den beiden vorbei. „Die Damen.", war sein letzter Kommentar, bevor er im hinteren Teil des Hauses verschwand.

Emmaly sah ihm nach und fragte sich für einen Moment, wie es wohl war, mit Ona zusammen zu wohnen. Ständig umgeben von Magie und Veränderung, und einer Person, die sich um einen kümmerte. Fast schon wütend schob sie diesen Gedanken zurück in ihren Hinterkopf. Es war unfair ihrer Mutter gegenüber, so etwas auch nur zu denken. Wenn sie nicht krank wäre, würde die Frau alles für Emmaly tun, da war sie sicher. Und unter keinen Umständen durfte sie diese Tatsache vergessen.

Post MortemWhere stories live. Discover now