Von wegen, nirgends ist es so schön wie zu Hause! Dorothy hatte unrecht!

19 3 0
                                    

Der Palast meiner Familie erstreckt sich weitläufig vor mir, als ich aus der Limousine steige. Meine Bodyguards tragen meine Koffer, während ich die Stufen zum Eingang erklimme und den beiden Palastwachen in Uniform einen guten Tag wünsche. Sie sind die Einzigen, die mich begrüßen, denn weder mein Bruder noch meine lieben Eltern sind in Sichtweite.

Natürlich nicht. Ich bin schlichtweg nicht wichtig genug, als dass sie mich mit Großaufgebot empfangen müssten. Was habe ich eigentlich erwartet? Schließlich war es ja auch meine Entscheidung, die Hochzeit meiner besten Freundin zu besuchen, und nicht die meiner Eltern, die zu Hause geblieben sind, obwohl sie auch eingeladen waren. Eigentlich hätten sie es gar nicht verdient, dass Bahía Dorada eine Handelspartnerschaft mit ihnen eingeht, aber andererseits sehe ich dann Sara öfter, also habe ich auch etwas davon.

Nachdem die Wachen mir die schwere doppelflügelige Eingangstür geöffnet haben, trete ich ins Foyer, das mit schlichter Eleganz überzeugt, wie Mom immer sagt. Wie im Rest des Palastes ist der Boden aus hellem Marmor und die Decke mit Stuck verziert.

Vom Foyer, das eher einer riesigen Eingangshalle gleicht, nehme ich den rechten Gang, der mich zu meinen Gemächern bringt. An den Wänden findet sich ein Portrait nach dem anderen. Meist sind es vorherige Könige, Königinnen oder andere Mitglieder der königlichen Familie, die ich nicht kenne, obwohl sie mit mir verwandt sind oder es waren. Nur die wenigsten Namen sagen mir etwas, dabei habe ich wirklich versucht, mir alles zu merken, als man mir den königlichen Stammbaum eingebläut hat. Leider vergeblich. Ich habe nach wie vor Probleme damit, mir die Namen meiner lebenden Verwandtschaft zu merken, wenn diese zu den Empfängen und Bällen in den Palast kommt. Meine Eltern sind deswegen natürlich furchtbar enttäuscht von mir – und wegen so ziemlich allem anderen, was ich tue –, aber heute scheint es tatsächlich so, als würde mich meine Sippschaft mit ihren Blicken verfolgen. Und auch sie sprühen nur so von Enttäuschung.

Als ich meine Gemächer im ersten Stock erreiche, fühle ich mich, als hätte jeder meiner Vorfahren die Möglichkeit gehabt, mich in Grund und Boden zu starren, und der Blick in meine Räumlichkeiten macht es auch nicht besser. Während ich weg war, hat meine Mutter gefühlt der gesamten königlichen Putzkolonne Zugang gewährt, um mein Chaos zu beseitigen.

Dabei mag ich mein Chaos. Es hat durchaus System, dass ich meine Kleidung auf dem Boden liegen lasse, bis man diesen nicht mehr als solchen erkennt. Und das ist noch nicht alles. Auch der Rest meines eigenen Reiches ist nicht wiederzuerkennen. Mein Bett ist gemacht, der Großteil meines Make-ups, das ich zu Hause gelassen habe, ist weg und auch die Tüten mit Süßigkeiten und Chips gehören eigentlich auf mein Nachtschränkchen.

Das ist ihr Platz. Was sollte da auch sonst hin, wenn nicht ein Snack, falls ich nachts wach werde und keine Lust habe, in die Küche im Erdgeschoss zu laufen? Ich kann nur hoffen, dass die Putzkolonne nicht den Rest von meinem Süßigkeitenvorrat entdeckt hat. Das werde ich gleich überprüfen.

Zunächst gleitet mein Blick weiter durch den Raum und mir fällt sprichwörtlich ein Stein vom Herzen, als ich meine Schneiderpuppe entdecke, die sich in der Ecke hinter der Tür zum Ankleidezimmer befindet. Dort lehnen ebenfalls einige Rollen mit verschiedenen Stoffen, die ich auf dem Markt einfach nicht nicht habe mitnehmen können. Nun lehnen sie an der Wand und warten darauf, dass mir der perfekte Einfall für ein neues Kleid kommt.

Apropos ... Noch bevor ich den Gedanken greifen kann, setze ich mich in Bewegung, passiere den Durchgang ins Ankleidezimmer und schiebe die Kleider an der Kleiderstange auf der rechten Seite weg, damit sich ein schmaler Durchgang findet. Hier stapeln sich allerlei Schuhkartons und darunter auch der meiner heißgeliebten Nähmaschine, die meine Mutter schon so oft verflucht hat, dass ich hoffe, dass sie sie nicht gefunden hat, während ich weg war.

Ich habe Glück! Nach wenigen Sekunden habe ich sie freigelegt und seufze erleichtert auf. Zumindest das hat Mom mir gelassen, und das, obwohl ich regelmäßig die teuren, maßgeschneiderten und teuren – das muss ich einfach doppelt erwähnen, weil Mom es auch immer betont – Designerkleider nach meinen Vorstellungen umgestalte. Das gefällt ihr nicht, obwohl niemand leugnen kann, dass die Klamotten im Nachhinein so viel besser aussehen.

Aber meiner Mutter gefällt so vieles nicht, was ich tue, wie ich mich kleide und wie ich mich verhalte. Sie versucht schon seit Ewigkeiten, aus mir eine gute Prinzessin zu machen. Eine, die man dem Land auch präsentieren kann. Aber da sie das bei mir bisher nicht geschafft hat – und auch nicht schaffen wird! –, hat sie regelmäßig ihren Spaß dabei, zumindest meine wundervoll-chaotischen Gemächer auf Hochglanz zu polieren. Mein Rekord liegt bei dreißig Minuten, um das Chaos wiederherzustellen, und drei Wochen, bis sie es gewagt hat, die Zofen auf meine Unordnung anzusetzen, aber das ist mir nur ein einziges Mal gelungen. Trotzdem bin ich wegen dieser Leistung sehr stolz auf mich.

Schnell verstaue ich die Nähmaschine wieder in ihrem Versteck. Gerade rechtzeitig, denn als ich aus meinem Ankleidezimmer komme, klopft es an der Tür und ich zucke unwillkürlich zusammen. Dann sammle ich mich. »Ja?«, rufe ich und die Tür wird geöffnet.

Herein kommt meine neue Kammerzofe. Ich kenne sie bisher nur flüchtig, weil sie kurz vor meiner Abreise in die USA im Palast angefangen hat, aber sie ist eigentlich ganz nett. Wie jeden Tag trägt sie ihre Uniform, bestehend aus einem schwarzen Kleid mit knielangem Rock und kurzen Ärmeln. Darüber hat sie eine weiße Schürze mit kleinen Rüschen gebunden. Schwarze Lackschuhe und ein weißes Häubchen in ihrem brünetten Haar komplettieren ihr Outfit.

»Eure Hoheit?«, begrüßt sie mich schüchtern und faltet die Hände vor der Schürze. »Die Königin verlangt nach Euch.«

»Hey, Caroline«, erwidere ich fröhlich. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich nicht ›Eure Hoheit‹ genannt werden möchte? Izzy reicht vollkommen.«

»Ich ... ähm ... habe meine Anweisungen«, wispert sie und Verlegenheit spiegelt sich in ihren Zügen. Hach, die neuen Zofen sind einfach zu niedlich, wenn sie anfangen, hier zu arbeiten.

»Und ich bin deine Chefin, oder nicht?«

»Ich schätze schon, Eure Hoheit.«

»Dann ist die Anweisung von deiner Chefin jetzt, dass du mich Izzy nennst«, beschließe ich und nicke zufrieden. »Also, Caroline, was möchte meine Mutter von mir?«

Eigentlich fallen mir gerade nicht viele Dinge an, über die Mom mit mir sprechen wollen könnte, und ich bin mir sicher, dass es etwas mit Alexej zu tun hat, trotzdem frage ich nach. Kann ja auch sein, dass ihr etwas vollkommen anderes eingefallen ist, um mir das Leben schwer zu machen.

Caroline wirkt bedrückt, was mir sofort sagt, dass sie keine Ahnung hat, was meine Mutter von mir will. »Ich ... Ich habe sie nicht danach gefragt«, gesteht sie mir.

Ich seufze. »Nicht schlimm. Jetzt weiß ich nur nicht, ob ich auch mit ihr sprechen will.«

Wobei hier im Grunde auch eine allgemeine Regelung zutrifft, denn eigentlich will ich nie mit meiner Mom reden. Sie hat doch eh immer nur etwas zu meckern.

»Ihr ... denkt darüber nach, die Königin zu versetzen?«

»Sie ist meine Mutter, ich darf das«, rechtfertige ich mich und verschränke die Arme vor der Brust. »Na ja, auch egal. Ich gehe mal schauen, was sie will. Wenn zwei Anzugträger meine Koffer vorbeibringen, sie sollen sie bitte neben das Bett stellen. Ich räume sie nachher aus. Oh, und wage es ja nicht, noch mehr aufzuräumen. Ich habe sowieso schon viel zu tun, wenn ich mein Chaos wiederhaben will!«, warne ich sie. Es ist eher scherzhaft gemeint, aber durch den ungewollten Befehlston wohl deutlich genug.

Mit diesen Worten gehe ich an ihr vorbei und mache mich auf den Weg zu dem Gespräch, das ich sehr gern noch ein paar Tage hinausgezögert hätte.

College Princess. Bürgerlich verliebt (XXL-Leseprobe)Where stories live. Discover now