Natürlich hat mich das nicht gerade glücklich gestimmt. Um ehrlich zu sein, war ich sogar ziemlich wütend. Auf Levin. Auf mich. Weil es mir etwas ausgemacht hat, obwohl es das nicht mehr sollte.

»Ich habe dich gewarnt, dass du heulen wirst«, sagt Ben und bekommt von mir prompt einen giftigen Blick. Entschuldigend hebt er die Hände. »Okay, sorry. Aber ich hab's gesagt.«

Ich verdrehe die Augen und lege mich in mein Bett. Mit den Füßen schiebe ich meinen Bruder von der Matratze, sodass er fluchend aufsteht und genervt auf mich herab blickt. »Kannst du dann wieder gehen? Deine Aufmunterungen gleichen eher einer Schadenfreude.«

»Aber der Versuch zählt, oder?«

Ich schlucke. »Nein.«

»Dann musst du dich auch nicht wundern, dass aus mir nur Schadenfreude kommt, wenn du so gemein bist«, beschwert er sich und reißt die Tür auf, als er aus meinem Zimmer verschwindet.

»Ben!«, rufe ich ihm hinterher. Neugierig und vielleicht auch hoffnungsvoll, dass ich mich entschuldige, kommt er zurück. »Mach die Tür zu.«

Ben schließt augenrollend die Tür und lässt mich allein. Die freien Tagen von einer Woche sind morgen vorbei. Denn morgen ist Montag. Und Schule. Und ich könnte nicht nervöser sein als ich es gerade bin. Die Chance, Kian im Unterricht zu sehen, habe ich nicht. Das ist gut. Ein Vorteil, wenn er zu den Seniors gehört.

Aber vor der Pause habe ich Angst.

. . .

Ich tausche gerade meine Bücher im Spind um, damit ich die richtigen Unterlagen für die nächste Stunde habe, als Olivia Hastings grinsend auf mich zugetänzelt kommt. Sie stößt mein Schließfach an, sodass es mit einem Knall zufällt.

»Ey«, stöhne ich. »Ich muss da ran.«

»Gib mir nur zwei Minuten«, verspricht sie, weswegen ich ich seufzend nicke und sie abwartend anschaue. Aus ihrer Jackentasche kramt sie ihr Handy heraus, tippt darauf herum und hält es mir dann direkt unter die Nase. »David hat mir gestern einen Kusssmiley hinter seiner Nachricht geschickt.«

Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich sie an. »War das etwas das erste Mal, oder wieso bist du so aufgeregt darüber?«

Ihre Mundwinkel sacken nach unten. Dann steckt sie das Handy wieder weg. »Hab vergessen, dass du schlechte Laune hast«, sagt sie genervt und will sich umdrehen, doch letztlich entscheidet sie sich noch einmal um. »Aber weißt du was? Nur weil du einem Typen hinterher rennst, der eindeutig nichts von dir will und du so tust, als wäre er daran Schuld, gibt dir noch lange nicht das Recht, dein Antida sein an mir auszulassen. Denn ich halte mich wenigstens an einen, der mich auch mag.«

Geschockt sehe ich sie an.

»Okay, das Letzte war gemein. Tut mir leid«, schiebt sie schnell hinterher, als sie unsicher das Gesicht verzieht. »Tut mir leid, Tate. Ich habe das nur für etwas Besonderes gehalten, und dann tust du so, als wäre es nichts weiter.«

Ich seufze.

»Warum sagst du nichts?«

Die Wahrheit ist leicht. Aber so schwierig, auszusprechen. »Weil ich dich beneide, Liv.«

Überrascht öffnet sich ihr Mund. »Was?«

Tief hole ich Luft. »David ist ein klasse Typ, Liv. Und er mag dich. Er mag dich wirklich. Du hast ein riesiges Glück, ihn zu haben.«

»Noch habe ich ihn nicht«, erwidert sie und gluckst. Vermutlich um die Stimmung ein bisschen zu heben.

Ich ignoriere ihren Einwand und öffne meinen wieder meinen Spind. »Aber ich . . . vergraule die Typen nur. Im ernst, bin ich wirklich so eine Nacktschnecke?«

Blind KissWhere stories live. Discover now