31st Kiss

42.6K 2.5K 1.3K
                                    

31st KISS

... oder als die Damentoilette zur Problemzone wurde

Wir sind wieder zu Hause. In Houston. Doch meine Gedanken scheinen zurückgeblieben zu sein. Sie erinnern mich die ganze Zeit daran, wie bescheuert ich war und noch immer bin. Sie wiederholen in Dauerschlaufe den Moment, als ich über Kian herfiel. Als würde ich es sonst vergessen. Dabei tue ich das nicht. Dieser Moment brennt wie heißes Eisen in mir.

Und jedes Mal stelle ich mir die gleiche Frage. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Wie konnte ich ausnutzen, dass er etwas für mich empfindet, nur damit ich mich besser fühle?

Ich glaube, Kian hasst mich jetzt. Den ganzen nächsten Tag hat er nicht mit mir geredet. Er ist mir aus dem Weg gegangen. Er hat es nicht offensichtlich gezeigt, aber ich habe es trotzdem bemerkt. Die Blicke, die er mir sonst immer schenkte, blieben aus.

Und obwohl das erst ein Tag war, habe ich es vermisst, in seine dunkelbraunen Augen zuschauen, die so viel Tiefe aufweisen und mich irgendwie zum Lächeln brachten.

Noch immer starre ich gedankenverloren auf meinen Koffer, den ich noch nicht ausgepackt habe. Irgendwie komme ich auch nicht dazu. Ich habe das Gefühl, wenn ich ihn auspacke, lasse ich all das hinter mir. Als wäre das alles nicht passiert. Dabei will ich eigentlich, dass es passiert ist. Irgendwie.

Das Klopfen an meiner Tür unterbricht meine Gedanken. Und ich bin froh darüber. Sonst säße ich noch bis heute Abend auf meiner Bettkante und würde ins Leere starren.

Mein Bruder kommt herein und schließt leise die Tür hinter sich. »Ich hab mir schon gedacht, dass du dich noch keinen Zentimeter vom Fleck bewegt hast.«

»Wieso? Sehe ich so inkompetent aus?«, frage ich sarkastisch und seufze. Die Antwort lautet Ja.

Ben zieht unsicher die Schultern hoch und schiebt die Hände in die Hosentaschen, während er auf mein Bett zuläuft und sich neben mich setzt. »Um ehrlich zu sein, siehst du das immer.«

Mir klappt der Mund auf. Dann schlage ich gegen seinen Oberarm, was ihn zischend nach Luft schnappen lässt. »Arschloch.«

»Danke«, erwidert er, verdreht die Augen und reibt sich über seinen nackten Arm. »Warum musst du mich immer schänden?«

»Weil du es nicht anders verdienst.«

Ben gibt nur einen murmelnden Laut von sich, lässt das Thema aber fallen. »Eigentlich wollte ich nachsehen, wie es dir geht. Du hast gestern ziemlich reserviert gewirkt und auch heute hast du kaum geredet. Was ziemlich ungewöhnlich für dich ist, weil du immer deinen unnötigen Senf zu allem und jedem gibst.«

»Ich habe endlich verstanden, dass ihr mir alle unterlegen seid. Wieso also meine nützliche Energie damit verschwenden, euch ein höheres Niveau beizubringen?«

Ben verdreht die Augen. »Du kannst ruhig zugeben, dass du verletzt bist.«

Dazu sage ich nichts. Vorerst. »Bist du deswegen hergekommen? Willst du, dass ich vor deinen Augen weine?«

»Nein!«, stößt er erschrocken aus. »Ich weiß nur, dass du Steph gestern Morgen noch gesehen hast, bevor sie zu ihr nach Hause gegangen ist. Und da ich weiß, dass du Gefühle für Levin hast, kann ich mir zusammen reimen, dass du deshalb nicht viel gesprochen hast.«

Ich blinzele. »Wow. Du bist so ein Detektiv.« Dass Steph in der Nacht bei uns geschlafen hat, lässt nicht viel Freiraum für jugendfreie Gedanken. Vor allem dann nicht, wenn sie auch noch aus Levins Zimmer kam. Und schon gar nicht, wenn sie mir auf dem Weg nach draußen zuzwinkerte.

Blind KissWhere stories live. Discover now