5 باب

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„Habe ich etwas getan, was euch verärgert hat, meine Königin?"
Ich sah die Angst in ihren Augen, vor irgend einer Strafe, die sie sich wohl gerade ausmahlte. Wenn sie nur wüsste was ich ihr gerne antun würde, damit nicht sie es sein würde, die heute Abend in Ashers Gemächer schlief.
„Nein."
So sehr ich mich auch bemühte, meine schroffe Stimme wurde nicht weicher oder sanfter.
Ich trug eine unendliche Wut in mir und ich konnte sie nirgends raus lassen.
„Wieso...bin ich dann alleine mit euch hier?"
Unbehaglich knetete sie die Hände über dem himmelblauen Kleid, welches locker an ihrem jungen Körper hinunterging.
Wie alt war sie? Neunzehn? Ja, höchstens.
Ich schluckte und stellte mich dicht vor sie.
Die Hand lag schützend auf meinem flachen Bauch, es war zu meiner allgegenwärtigen, schrecklichen Gewohnheit geworden.
„Du musst mir versprechen Kaya, dass du auf keinen Fall ein Wort zu irgendjemandem sagst, wenn ich dir gleich etwas erzähle. Ansonsten lasse ich dich auf dem Hof ausbluten wie in Tier."
Sie riss die Augen auf und nickte verschreckt.
„Natürlich, Majestät."
„Gut."
Ich wandte ihr den Rücken zu und kniff die Augen zusammen.
Mein zitternden Hände spielten nun mit dem Saum meines schwarzsilbernen Schleiers, der mir weit über die Schultern hinab hing.
„Heute werde ich dir helfen, dich wie eine Königin anzuziehen. Du wirst heute in den Gemächern des Königs schlafen und alles tun, was er von dir verlangt."
Es war still hinter mir und ich musste dem Zwang widerstehen, mich umzudrehen und ihren Gesichtsausdruck zu sehen.
„Hast du das verstanden?"
Ein leises Ja ertönte hinter mir.
Doch ich konnte nicht darüber hinweg hören, dass Freude in ihrer Stimme lag.
Natürlich himmelte sie den König an. Jedes Mädchen an diesem Hof tat das, und alle hofften sie, eine Nacht mit ihm verbringen zu können.
Ash hatte sie alle immer links liegen lassen. Für mich.
Doch nun hatte sich die Situation geändert.
Erzürnt drehte ich mich zu ihr um und sie konnte das Glühen in meinen Augen sehen.
Hoffentlich.
„Du wirst niemandem davon erzählen, niemals.„
Sie nickte schnell und senkte den Kopf, sodass eine hellbraune Strähne unter ihrem Kopftuch hervor rutschte.
„Natürlich nicht, meine Königin."
Sie zögerte, als ich sie anwies, zu meinem Schrank zu gehen.
„Was ist?"
Ich fühlte mich schon genauso böse wie Ena, sie konnte gar nichts dafür.
Und doch empfand ich für niemanden eine solche Wut wie für das Mädchen, welches heute das Bett mit meinem Gemahl teilen würde.
„Ich...ich möchte nicht unhöflich sein. Aber wieso ich?"
Ich starrte sie nur an und antwortete nicht.
Ich hatte gelernt, dass ich das durfte, wenn mich jemand von niedrigerem Rang etwas fragte.
Nicht sonderlich höflich, doch ich hätte gerade sowieso kein Wort über die trockenen Lippen gebracht.
Also lief ich nur mit langsamen Schritten und verschränkten Fingern zu meinem Schrank und zog ihn auf.
„Such dir eines aus. Du darfst es behalten, wenn du morgen den Raum verlässt."
Meinte ich.
„Danke eure Majestät."
Sie strahlte über das ganze Gesicht, doch ich tat es nicht wirklich aus gutem Willen.
Ich könnte das Kleid nie wieder anziehen, also war es besser, es wäre einfach weg.
„Na los, entscheide dich."
Als sie mit rot glühenden Wangen und beinahe kindlicher Freude zwischen all den weichen Stoffen herumwühlte, beobachtete ich sie wehmütig von der Seite.
So hatte ich mich auch gefühlt, als ich neu an den Hof gezogen war.
Wie etwas Besonderes. Und heute wusste ich all das gar nicht mehr wirklich zu schätzen.
Niemand der alles hatte, schätzte überhaupt etwas davon.
Ich musste mich an mein früheres Leben erinnern, damit ich wieder Freude ab den Dingen bekam, die für mich so alltäglich geworden waren.
„Das hier."
Ihre Hand stoppte bei einem grünen, seidigen und sehr dickem Kleid. Weisse, dünne Silberketten hingen seitlich hinab, sodass sie beim laufen klimperten. Gleich übe der Hüfte.
Eine tolle Wahl, Ash würde es mögen.
Ich schluckte.
„Gut. Nimm es raus."
Sie tat wie ich ihr befahl und dann half ich ihr, sich hinein zu zwängen, ihre Haare zu machen und ihr Blütensaft auf die Lippen aufzutragen, sodass sie rot glänzten.
Als hätten wir unsere Positionen für einen Tag getauscht.
„Gut."
Nickte ich, als sie beinahe schon aussah wie eine Adlige.
Ihr fehlte die Haltung, aber das war Asher sowieso egal.
„Ich sehe..."
„Wunderschön aus. Ja."
Ich lächelte gequält und ihre Finger fuhren ungläubig ihr Gesicht nach.
„Danke."
Meinte sie und wollte sich vor mir verneigen, doch ich zog sie zurück hoch.
„Lass uns gehen."
Ich hatte mich ebenfalls umgezogen, trug ein weites Leinenkleid, welches nur ein Unterrock war und trug nur einen dünnen Schleier über meinem gelockten Haar.
So würden alle denken, ich würde aus einem bestimmten Grund die Gemächer des Königs aufsuchen.
Die Schritte über den Gang hinweg, an all den Blicken vorbei, die sich wissend auf mich richteten, waren die Schwersten seit langem.
Wie Steine klebten meine Füsse am Boden, am liebsten wäre ich in mich zusammengesunken, doch ich war nunmal jetzt verantwortlich für ein ganzes Reich.
Ein Reich welches auf die sinnlosen Worte eines alten Mannes hörten, die vielleicht einen Kern wahres an sich hatten, wenn nur genug Leute daran glaubten.
„Meine Königin, soll ich anklopfen?"
Ich blinzelte und bemerkte, wie schnell wir bereits beim Gemach meines Gemahls angekommen waren.
Ich wünschte wir hätten uns verlaufen.
„Nein."
Mit einem Seitenblick auf die nach vorne starrenden Wachen hob ich selbst die Hände und klopfte an.
Dabei rutschte das weisse Leinenkleid etwas zurück. Sofort wurde mir kalt, so kalt.
Die Türe öffnete sich und das erste was ich sehen konnte waren diese grünen Augen.
Sie glänzten als sie mich erblickten, ein so wunderschönes Leuchten darin.
Dann erlosch es wieder, als ich ohne ein Wort Kaya vor mir in den Raum schob.
Ich konnte nicht mit ihm reden, mein Hals war wie zugeschnürt.
Gerne wäre ich jetzt einfach erstickt.
Nach ihr trat ich selbst über die Schwelle und Asher liess die Türe zufallen.
„Ich war noch nie in so einem schönen Zimmer mein König."
Begeistert drehte sich Kaya um sich selbst. Sie sah wahrlich bezaubernd aus. Ich hatte eine gute Frau ausgesucht.
„Daya..."
Ash würdigte die junge Schönheit, die begeistert über sein gemachtes Bett strich, nicht eines Blickes. Aber das würde er noch.
Ich hob nur eine Hand als er die Arme nach mir ausstreckte und unterdrückte einen Schluchzer.
Wieso tat ich mir das selbst nur an. Aus Aberglaube? Loyalität zu meinem Volk? Verzweiflung?
„Daya sieh mich an.."
Er hob mein Kinn leicht an und zwang mich, ihn anzusehen.
Seine zerzausten Haare hingen ihm in die Stirn; Schatten lagen unter seinen Augen.
„Bitte sag einfach nichts."
Flüsterte ich und er biss die Zähne so fest zusammen, dass sich die Haut an seinen Wangen spannte.
Doch er hörte auf meine Bitte und liess die Hand sinken.
Sein typisches helles Hemd liess seine gebräunte Haut durchschimmern.
Ich wandte mich ab und eilte auf die Hintertür zu.
Ich würdigte Kaya keines Blickes mehr, aber trotzdem wusste ich, dass sie gleich an meiner Stelle dort liegen würde.
Neben meinem Mann, meinem Geliebten Ash.
Ich zog die Tür auf, ein modriger Geruch stieg mir entgegen.
Wunderbar.
ich setzte einen nackten Fuss auf den kalten, irgendwie nassen Boden und schauderte.
Hoffentlich hörte ich nichts. Ich war mir sicher, dass ich mich sonst für immer zwischen den Wänden des Schlosses vergraben hätte.
Ich zwang mich, nicht nochmals zurückzusehen, auch wenn ich spüren konnte, wie Ashers Blick sich durch meinen Rücken bohrte.
Eilig schloss ich die Türe hinter mir, damit ich wieder einigermassen einatmen konnte.
Als die letzten Strahlen der Kerzen durch die geschlossene Türe versiegten, wurde es stockdunkel.
Ich hatte vergessen eine Kerze mitzunehmen.
Ich atmete ein und fühlte, wie die Dunkelheit sich in all meinen Gliedmassen ausbreitete wie ein zerstörerischer Sandsturm. Bald fühlte ich die ersten Tränen in meinen Augen aufsteigen und versuchte sie vergebens weg zu blinzeln.
Nun verschwammen auch noch die blinden Schatten vor mir und neben dem hallen meiner Schritte hörte ich auch noch ein Vielfaches meiner Schluchzer von den Wänden widerhallen.
Als würden andere traurige Ehefrauen mein Leid teilen und mit mir weinen. Irgendwie fühlte ich mich weniger einsam, und das obwohl ich mich blind entlang eines versteckten Ganges tastete.
Es dauerte eine Zeit, bis ich den Ausgang fand und leise in mein Gemach zurück huschte.
Meine Wachen zuckten nicht mit der Wimper, obwohl sie meine geröteten Augen sahen und sie ignorierten auch die Tatsache, dass nicht die Zofe, sondern ich zurückgekehrt war.
Es war gut dass sie schwiegen.
Sie schlossen bloss schweigend die Türe hinter mir und ich befand mich wieder alleine in meinem geleerten Gemach.
Der Vorhang aus feiner Seide wehte leicht im kalten Wind der vom Balkon hinein wehte.
An anderen Tagen hätte ich jetzt gerne die Sterne am Himmel betrachtet, wie sie glitzerten und mir jeden Tag aufs Neue die schönen Nachrichten meines Liebsten vermittelten.
Es erinnerte mich an die Nächte die wir getrennt verbracht hatten und an die Tatsache, dass er jetzt an meiner Seite war.
Heute war er es nicht. Also würden die Sterne für mich ihren Glanz verlieren.
Ich liess mich schlaff auf das weiche Bett fallen.
Normalerweise war ich jede Nacht dankbar für den Hohen Lebensstandard den ich geniessen durfte.
Doch heute wünschte ich mir die leere Gasse zurück in der ich gross geworden war.
In der mein Herz noch nicht gebrochen war. In der ich mir abgewöhnt hatte, überhaupt eines zu haben.
Ich schloss die Augen und versuchte mir nicht vorzustellen, was mein Ehemann gerade mit meiner Zofe machte. Erneut kamen mir die Tränen und ich vergrub das Gesicht tief in den weichen Kissen.
Langsam fuhr ich mit den Fingern darüber.
Erinnerungen schossen durch meinen Kopf.
Von Ash und mir auf diesem Bett, die Liebe und die unglaubliche Freude die ich jedes Mal empfand, wenn ich bei ihm war.
Jetzt hätte ich mich am liebsten erstickt.

Am nächsten Morgen wäre ich am liebsten nicht aufgestanden.
Aber ich zwängte mich mühsam aus dem Bett, als mir meine übrigen Zofen beinahe Wasser über den Kopf geschüttet hätten.
Nachdem sie mich gewaschen und angekleidet hatten, schickte ich sie alle weg.
Niemand verlor ein Wort darüber, wieso Kaya heute nicht aufgetaucht war.
Vielleicht ahnten sie nichts, oder aber sie besassen genug Mitgefühl, nichts zu sagen.
Ich blieb alleine in meinem Zimmer stehen.
Ich schwitzte. Das Kopftuch fühlte sich an wie ein Gefängnis, welchem ich der unerträglichen Hitze des Tages nicht entkommen konnte.
Langsam kniete ich mich im roten Kleid auf den Boden vor dem Balkon und richtete den Blick gegen Himmel.
Ich hatte so etwas noch nie getan und ich wusste auch nicht wie es funktionierte.
Der Priester nannte es Glaube, ich wusste allerdings nicht woran ich glauben sollte.
Aber auch wenn ich nicht darauf vertraute, vielleicht war da tatsächlich etwas, das mir helfen konnte.
Und auch wenn nicht, ich war verzweifelt genug es trotzdem zu versuchen.
Also betete ich, zu allem was es gab.
Zu der Natur, zu den Menschen der Stadt, ja sogar zum Sand in der Wüste, dass sie mir halfen, meine verlorene Fruchtbarkeit wiederzufinden. Dass sie Ash nicht diesen Fehler begehen liessen, mich gegen eine andere auszutauschen und dass sie das Glück zurück in mein Leben kommen liessen.
Mein gestorbenes Kind besuchte ich nicht. Das hatte ich nur einmal seit seinem Tod getan.
Dank meinem Traum war ich mir sicher, dass es ein Junge gewesen war.
Ich brachte es einfach nicht übers Herz. Einerseits weil ich mein geliebtes Baby verloren hatte und andererseits weil es mich daran erinnerte, dass ich keine Kinder mehr haben würde.
Niemals ein gesundes kleines Ding in den Armen halten würde.
Aber geweint hatte ich lange genug, ja ich hatte nicht mehr aufgehört.
Jetzt hatte ich keine Tränen mehr.
Mit schmerzenden Knien stemmte ich mich wieder in die Höhe, als ich meine Gebete mit einem Danke beendet hatte. Es erschien mir angemessen, mich zu bedanken für den Fall, dass mir jemand oder etwas wirklich helfen würde.
Meine Narbe schmerzte nicht mehr, als ich mich gerade aufrichtete und die Haut am Bauch spannte. Wenigstens eine gute Nachricht.
Ich betrachtete mich im Spiegel, den mein Vater damals aus dem Westen hatte importieren lassen. Es war erstaunlich wie genau er mein Antlitz wiedergab.
Ich würde heute einfach in meiner Kammer bleiben, beschloss ich.
So müsste ich weder Kaya noch Asher noch sonst irgendjemanden sehen.
In diesem Moment öffneten sich meine Zimmertüren.

Daya-Reihe *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt