Mordnacht

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Ein stummer Blitz erhellte den von schwarzen Wolken bedeckten Himmel.

Kurz darauf grollte der Donner in einem ohrenbetäubenden Schlag, sodass er regelrecht zusammenzuckte. Die vom peitschenden Regen durchtränkte Kutte weiter ins Gesicht ziehend, trat er auf die Pforte des Klosters vor ihm zu und klopfte, hoffend, dass in dem Lärm jemand seine Ankunft überhaupt mitbekam.

Das beständige Geräusch des prasselnden Regens auf die Ziegel der Hausdächer wurde von einem weiteren Donnerschlag übertönt. Der strömende Regen ertränkte die ohnehin schlammigen Straßen; aus Gassen wurden Bäche und aus Rinnsalen reißende Fluten, die sich in die Kloaken ergossen und bereits in überschwemmten Kanälen wieder als dreckig braune Pfützen und Lachen hervortraten.

Fluchende Laternenanzünder stolperten durch den Matsch und gingen trotz des Schauers ihrem Werk nach. Die Straßen der Stadt wirkten dennoch im zwielichtigen Abendlicht wenig einladend. Flackernde Schatten tanzten über die Hauswände.

Mit einem schwermütigen, sich seiner Situation hingebenden Seufzer, schob er sich unter den leichten Vorsprung über ihm, um dem herab prasselnden Wasser zumindest ein wenig zu entfliehen.

Endlich hörte er eine grummelnde Stimme und sich nähernde erlösende Schritte von der anderen Seite der Pforte. Ein Riegel wurde zur Seite geschoben und der Sehschlitz der Pforte geöffnet. Grimmig blickte ein faltiges Gesicht hindurch, den Störenfried mit wachsamen und erfahrenen Augen musternd.

Von der Gicht zitternde Hände hoben eine Lampe neben dem knolligen Gesicht empor. Erkenntnis und Freude zeichneten sich auf seinem faltigen Gesicht, als er die Konturen seines Gegenübers erkannte.

Es benötigte keiner Worte.

Der Riegel der Pforte glitt zur Seite, die Pforte öffnete sich mit einem knarrenden Geräusch und gewährte dem Ankömmling Einlass und Schutz.

Der Reisende betrat das Kloster und eilte durch die ihm durchaus bekannten Korridore, deren verwirrende Muster er sich in seiner Jugend nur zu gut verinnerlicht hatte.

Über eine schmale längst erodierte Treppe gelangte er in die obere Etage und dort ging er zielstrebig auf eine der letzten Türen des Flures zu, die ihn in ein großes Zimmer führte.

Er klopfte und trat ein.

An den Wänden gähnten schwere Regale unter einer Unmasse an eingereihten und gestapelten Büchern. Dort, wo keine Regale standen, waren entweder schwere Wandteppiche mit wunderschönen Mustern, oder seltsame alchemistische Apparaturen angebracht. Hinter einem Tisch ragte ein hohes Fenster bis zur Decke.

Ein schwerer weinroter Teppich bedeckte den kompletten Boden. Von der Decke hing ein großer dunkler Kronleuchter mit schweren roten Kerzen.

Auf einem großen Stuhl mit rotem Samtbezug saß sein alter Ordensmeister und schaute mit müdem Blick auf, als der Vermummte ehrfürchtig das Zimmer betrat.

„Du bist reichlich spät, Bruder Marek."

Der Gast griff an die Seiten seiner Kapuze und streifte sie zurück. Ein langer brauner Zopf fiel ihm auf die Schultern und ein ermunterndes Lächeln drang durch einen kurz geschnittenen Bart zu dem alten Mann.

„Ich komme mit einer Fähre aus dem Unwetter. Wir hatten einige Turbulenzen."

Der alte Mann in der karmesinroten Robe mit goldenen Beschlägen schaute aus dem hohen Fenster an der anderen Seite des Zimmers.

„Ob Avaelin dies als ein Omen mit dir vorausschickte? Wir wissen nie, was die Götter gerade im Schilde führen."

Marek lächelte.

Im Netz der Weißen SpinneWhere stories live. Discover now