Die vier apokalyptischen Reiter

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Erst war es ein Krieg aus der Ferne, dann aus der Nähe. Dann artete er aus in einen Zermürbungskrieg und endete mit Krankheit und Tod.

Lange hatten wir zu marschieren, trugen Gewehre bei uns, zogen Haubitzen und hörten die Panzer donnern. Es war noch nicht einmal Frühjahr, da befahlen sie uns, loszuziehen durch die scheinbare Stille, den scheinbaren Frieden, die scheinbare Reinheit des Schnees. Immer voran, nie anhaltend, rollte das Heer auf den Feind zu, stoppte nicht für einen verstauchten Knöchel, schnaubte, wenn jemand erschöpft war und überging jeden Liegengebliebenen. Tage und Wochen wurden es, bis wir sie trafen. Zuerst hörten wir dumpfes Grollen in der Ferne, schrilles Sirren in der Luft und Erschütterungen, schossen zurück mit allem, was wir zu bieten hatten, hielten uns gegenseitig auf Distanz, begannen uns einzugraben, auszuharren, die Tage zu zählen, die Zahlen der Gefallenen zu vergessen.

Und der erste Reiter hatte sein Werk vollendet.

Eines Morgens dann, ich weiß es noch genau, da riss jemand die Tür zum Schlafbereich auf, brüllte, wir sollten uns bereitmachen, bereit, dem Feind gegenüberzutreten, noch heute, noch in diese Stunde. Ohne zu zögern, sollten wir sie zurücktreiben in die Löcher, aus denen sie gekrochen seien. An jede einzelne Sekunde erinnere ich mich, wie ich parierte, zustach, auswich und Deckung suchte. Nur eines habe ich aus meinen Gedanken gelöscht. Das waren die Gesichter. Die Gesichter von Freund. Die Gesichter von Feind. Die Gesichter von Unschuldigen. Die Gesichter der Generäle. Sie alle habe ich gelöscht und vergessen, für immer.n

Und der zweite Reiter hatte sein Werk vollendet.

Am Tage nach der Schlacht wandelte ich über eine leere Ebene, hörte wie aus weiter Ferne die letzten Atemzüge von Kameraden wie Kontrahenten, spürte unter meinen Füßen nichts als Schlamm, Blut und Patronenhülsen. Weit und breit war kein Baum zu sehen, kein Grashalm zu entdecken, kein Lichtstrahl der Sonne zu erhaschen. Nur dieses undurchdringliche, undefinierbare Grau in Grau des Nebels leuchtete mir den Weg, zeigte mir, welcher Preis gezahlt werden musste für diesen Sieg wie sie es nennen.

Und der dritte Reiter hatte sein Werk vollendet.

Wochen später erreichte ich mein Zuhause, trug abgerissene Kleidung, hatte eingefallene Wangen und tiefdunkle Ringe unter den Augen, wollte nichts sehnlicher als mein Bett. Was ich aber vorfand war eine Ruine. Herabgebrannt bis auf die Grundfesten. Nur der Schornstein stand wie als Mahnmal einsam und allein aufragend in den dunklen, wolkenverhangenen Himmel. Der Geruch des Todes hatte sich in allen Ritzen festgesetzt, die Spuren von Elend, Krankheit und Niederlage waren überall zu sehen. Nicht nur hier, im ganzen Land. Tränen. Zerstörung. Tote.

Und der vierte Reiter hatte sein Werk vollendet.

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