III.

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Einige Tage später dachte sie immer noch an das Angebot von Maximilian. Sie könnte das Geld eigentlich gut gebrauchen und vielleicht sollte sie sich wirklich so langsam vom Schlafzimmer ihrer Eltern trennen. Mit einem Mitbewohner könnte es ja auch ganz nett werden.

Doch sie kannte nur seinen Vornamen, Maximilian. Sie kannte keine Telefonnummer, keinen Nachnamen, keine Adresse, kein nichts. Sie kannte ihn nicht und sie würde ihn nicht finden können.

Sie machte sich Vorwürfe, ihn quasi weggeschickt zu haben. Ihn weggestoßen zu haben.

Sie war wie immer allein. Er würde nicht nach ihr suchen und er würde nicht an sie denken. Er wollte nur an ein Zimmer kommen, er wollte sie nur benutzen. Sie selbst fühlte sich wieder so leer.

Leer, kalt und einsam. Sie kroch in ihr Bett und verkroch sich unter der Decke. Dieses schreckliche, dunkle, sich weiter zusammenziehende Vakuum ertragen. Mit Glück würde sie einschlafen und es nicht merken. Sie liebte schlafen. Es war wie tot sein, aber doch nicht verbindlich. Man wachte wieder auf. Denn zum endgültigen Schritt, da war noch die letzte Hoffnung. Wie ein Teelicht im Sturm.

Ein Klingeln weckte sie wieder auf. Tatsächlich war das Gefühl besser geworden. Nicht weg, aber besser. Sie überlegte, ob sie aufstehen sollte, um die Tür zu öffnen. Sie hatte einen Kloß im Bauch und nicht die Motivation.

Trotzdem raffte sie sich auf und lief langsam die Treppe hinunter, bei welcher jede zweite Stufe knarzte. Sie brauchte verhältnismäßig lange. Wäre es nur irgendwer, wäre er schon längst wieder gegangen.

Sie öffnete die Tür und fand niemanden vor. Die Person war also schon wieder gegangen. Sie wollte schon die Tür wieder schließen, als sie ein Knirschen auf dem Kies hörte. Es kam wieder jemand auf die Tür zu.

„Caro!", rief die bekannte Stimme. Es war Maximilian.
„Mmh?"
„Ich, ich wollte nochmal fragen, ob du es dir anders überlegt hast. Ich hab auch Blumen", sagte er und hielt einen Strauß Tulpen in die Luft.
„Komm rein.", sagte sie.

Er trat ein und ging direkt durch bis ins Wohnzimmer. Er setzte sich auf die beige Couch, die so gedreht war, dass man in den Garten schauen konnte. Auf dem Boden lag ein noch nicht vollendetes Gemälde auf ausgebreiteter Zeitung.

„Malst du viel?", fragte er.
„Es geht. Wie mir halt gerade so danach ist."
„Was machst du sonst so?"
„Ich? Nichts. Mich hier austoben. Malen, nicht viel."
„Du bist echt interessant."
„Krasses Kompliment...", erwiderte sie genervt.
„Tut mir leid. Also, hast du es dir nochmal überlegt?"
„Von mir aus. Du kannst hier wohnen. Aber bitte misch' dich nicht in mein Leben ein, ja? Und keinen Besuch. Ich mag Menschen nicht."
„Magst du überhaupt etwas?"
„Neue Küchenmesser..."
„Okay. Ist gut. Ich lass das mal. Aber das mit dem Besuch und sowas, das ist alles okay. Und danke, danke, dass du mich einfach aufnimmst."
„Was machst du eigentlich?"
„Ich? Ich...ja, ich bin Musiker. Straßenmusiker."
„Okay, echt cool. Sag mal, wann möchtest du denn mit deinem Zeugs vorbeikommen?"
„Steht schon vor der Tür", sagte er mit einem Grinsen im Gesicht.

Vor der Tür stand ein alter VW-Camper vollgepackt mit einigen Kisten. Nicht viele, aber einige.

„Das ist mein Krempel."
„Hast du die letzte Zeit in deinem Camper geschlafen?"
„Um ehrlich zu sein, ja. Weißt du, ich lebe da schon länger drin. Aber das wollte ich nicht zugeben. Irgendwie liegt mir ein bisschen was an dir."
„Danke für das Kompliment. Ich fühle mich schon viel besser.", sagte sie ironisch, als sie den Kofferraum öffneten und die ersten Kisten nahmen.

Die beiden trugen einige Kisten nach oben ins Schlafzimmer, in dem nur noch ein Schrank und ein altes Bett standen. Es hatte einen kleinen Erker mit einer Bank, von der aus man einen wunderschönen Blick über den Garten hatte.

„Warum ist das nicht dein Zimmer? Es ist doch wunderschön?", fragte er neugierig, als die Kisten fast alle hochgetragen wurden.
„Es war das Zimmer meiner Eltern, bevor wir uns zerstritten haben. Irgendwie hat es so eine unangenehme Aura für mich.", antwortete sie.
„Ich versteh' schon."
„Und deine so?"
„Meine Eltern? Die sind tot. Aber schon seit ich sechs bin. Ich kann mich nur verschwommen an sie erinnern. Hier irgendwo ist auch ein Foto von mir, meiner Schwester und ihnen."
„Deine Schwester? Ich habe keine Geschwister."
„Ja, sie sind bei einem Unfall gestorben. Meine Eltern wurden auf dem Rückweg von einem betrunkenen Autofahrer gerammt und sind einen Abhang hinuntergestürzt. Man hat sie leider zu spät gefunden. Da war ich sechs. Meine Schwester habe ich mit 16 verloren. Sie war 18 und ist nach einer Partynacht bei einem Unfall aus dem Auto geschleudert worden, aber niemand hat nach ihr gesucht. Sie, sie wurde zwei Tage später erst gefunden.", sagte er und wurde melancholisch, „das ist jetzt zehn Jahre her."
„Das tut mir leid."
„Schon in Ordnung. Wir haben alle diese Dinge."
„Du hättest einen Grund, so zu sein, wie ich bin."
„Du hast ihn auch. Du bist du."

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