II.

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Am nächsten Morgen wachte sie in ihrem Bett auf. Die Sonne strahlte warm in ihr Zimmer. Trotzdem fühlte sie sich nicht wohl. Seit einiger Zeit konnte sie einfach nicht einfach nur rumsitzen, ohne sich dabei schlecht zu fühlen, was allerdings mit ihren ewigen Hochs- und Tiefs kompliziert war, da es so einige Tage gab, an denen sie sich keinen Zentimeter aus ihrem Bett herausbewegte.

Heute war es anders. Sie musste etwas finden, womit sie sich beschäftigen konnte. Sport, heute wollte sie joggen gehen. Sie suchte sich aus einem riesigen Berg Klamotten ihre Sportsachen heraus, seit Tagen hatte sie ihre Wäsche nicht gewaschen, nicht staubgesaugt oder war einkaufen.

Das Haus war ein einziges, riesiges Chaos. Es gab die Räume ihrer Eltern, die seit Jahren komplett oder zumindest größtenteils leer standen, ihr Schlafzimmer, das Wohnzimmer und die Küche. In der Küche hatte sich das Geschirr gestapelt, welches noch gespült werden musste, das Wohnzimmer hatte sie lang nicht mehr betreten, aber hier waren noch ihre Malsachen, als sie eine künstlerische Phase hatte und ihr Schlafzimmer war mit Abstand das chaotischste: Hier lag über den gesamten Boden verteilt Kleidung herum und auf ihrem Nachtschränkchen türmte sich auch dreckiges Geschirr.

In Sportsachen umgezogen ging sie die Treppe zur Küche hinunter. Ihre Laufschuhe vermutete sie unten, wenn sie es auch nicht mehr genau wusste. Bestimmt ein Jahr war es her, dass sie das letzte Mal joggen gegangen war. Da spürte sie ihren Kater zum ersten Mal. Ihr war übel und sie entschied sich dagegen, laufen zu gehen. Stattdessen würde sie sich in den mittlerweile verwilderten Garten setzen und ein weiteres Bild malen.

Sie strich sich über den Arm und bemerkte, dass sie neue Schnitte hatte. Wann sie diese gemacht hatte, wusste sie nicht mehr. Der gesamte letzte Abend war wie aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Sie konnte sich nur noch an die Schlägerei vorm Club erinnern, und, dass sie heftig angeflirtet wurde. Sie konnte sich nicht mehr an das One-Night-Stand erinnern und sich ihre blauen Flecken an den Knien ebenfalls nicht erklären.

Ihr war übel und sie fühlte sich schlecht, weil sie zu viel getrunken hatte, aber gleichzeitig hatte sie Hunger. Sie war hungrig und ihr war übel zugleich. Eine unangenehme Kombination. Dazu wusste sie haargenau, dass ihr Kühlschrank leer war. In der Verfassung, in der sie momentan war, wollte sie ungern das Haus verlassen.

Sie öffnete die Küchentür und Sonnenlicht strahlte ihr entgegen. Normalerweise hielt sie die Rollläden geschlossen, damit man nicht von der Straße aus auf ihr ungespültes Geschirr gucken konnte. Denn insgeheim schämte sie sich. Sie schämte sich so sehr dafür, dass sie ihr Leben nicht selbst hinbekam, dass sie sich vor Scham nicht einmal traute, sich Hilfe zu suchen.

Erst im zweiten Moment bemerkte sie es. Die Küche war aufgeräumt. Jemand hatte gespült, alles ordentlich in die Schränke gestellt, den Müll hinausgebracht und die Rollläden hochgezogen. Doch wer war dies gewesen? Sie zweifelte daran, gestern Nacht betrunken angefangen zu haben, ihr Haus zu putzen.

Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Hier in ihrem Haus war jemand gewesen. Wenn diese Person nicht immer noch da war. Was, wenn sie ihr etwas antun würde?
Sie musste auflachen. Es wäre ihr vermutlich ziemlich egal. Es gab keinen, der sie vermisste. Von ihren Eltern hatte sie ewig nichts gehört und nur eine Adresse, an der sie vor fünf Jahren mal gelebt haben. Ob sie immer noch stimmte, wusste sie nicht. Doch sich jetzt noch zu melden fand sie für zu spät. Diese zwei Menschen spielten jetzt einfach keine Rolle mehr in ihrem Leben. Ansonsten Bekannte oder Freunde hatte sie nicht wirklich. Sie hatte keinen Job, da sie zu regelmäßig so tief fiel, nicht zeitnah wieder hinaufzukommen und ziemlich viele Fehlzeiten hatte. Sie ging oft in Clubs, hatte kurze Bekanntschaften, an die sie sich meist am Tag darauf nicht mehr erinnerte. Nummern schrieb sie aus Prinzip schon nicht an. Ihr Leben war zu kompliziert und zu kaputt, um Menschen einzuweihen. Sie konnte das einfach nicht. Also warum sollte sie Angst haben? Sie schaute ja nicht mal nach Autos, wenn sie über die Straße ging.

schwarze LöcherWhere stories live. Discover now