Beschützerinstinkt

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Melissas Sicht

"Guten Morgen, Liebling", begrüßte mich meine Mutter, als ich mich - nachdem mich mein Wecker - schrill und laut geweckt hatte - leise nach unten schlich, um meine kleine Schwester und meinen Bruder nicht zu wecken. "Möchtest Du schon frühstücken, Melissa?" "Klar", antwortete ich und meine Mutter verschwand in der Küche, während ich mich an den Frühstückstisch setzte und wartete. Ich dachte daran, was mich heute wohl wieder in der Schule erwarten würde. Ich dachte an Kathrin, meine neue Klassenkameradin, deren Anfänge in unserer Klasse wahrlich schwer gewesen waren und die - na ja, wie sollte ich es besser formulieren - so was wie eine Freundin für mich geworden war. "Bedrückt Dich was, Melissa?", fragte meine Mutter besorgt, als sie - hereinkommend mit lecker duftenden Waffeln und einem warmen Kakao - meinen trüben Gesichtsausdruck bemerkte. "Ach", murmelte ich, "es ist nur..... es ist nur das neue Mädchen, das in meine Klasse gekommen ist. Die anderen mögen sie nicht, Mama. Sie mobben sie regelrecht, ich kann da nicht zusehen, aber..... ich glaube, ich kann da nicht viel tun und das ist es, was mich tierisch nervt. Niemand sollte das Gefühl haben, ausgeschlossen zu werden." "Da hast Du völlig recht", antwortete meine Mutter mitfühlend, "ich stimme Dir zu hundert Prozent zu, aber das mit dem..... das mit dem Nicht helfen können,  ist nicht so, wie Du glaubst, Melissa. Du kannst etwas tun. Du kannst Dich für deine neue Freundin einsetzen, das ist für den Anfang schon mal eine ganze Menge. So", beendete sie lächelnd ihre Aussage, "jetzt frühstücke, denn du musst gleich los." Ich hatte meinen Heißhunger auf die lecker duftenden Waffeln erst bemerkt, als ihn meine Mutter erwähnte und so kam es, dass ich mit Mamas selbst gebackenen, besonders gut schmeckenden Waffeln gestärkt in der Schule ankam. 

Ich hatte das Schulgebäude betreten, begrüßte meine Englischlehrerin, die aus dem Lehrerzimmer kam und eilig auf ein Klassenzimmer in der Nähe zusteuerte und ging, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf in das Stockwerk, in dem sich unser Schulflur (mit Klassenzimmer) befand. Schon aus einigen Metern Entfernung hörte ich das hänselnde Lachen meiner Mitschüler und ich konnte mir schon mehr als gut genug denken, was oder wer der "Auslöser" hierfür war. Entschlossen öffnete ich die Tür und sah, wie Kathrin, ihr Gesicht in den Händen vergraben, auf dem Boden an der Wand saß und von einigen meiner Klassenkameraden umringt war, die mit dem Finger auf sie zeigten und ihre doofen Witze über sie machten. Das konnte doch wohl nicht wahr sein, oder? "Alter", entfuhr es mir wütend, "hört ihr vielleicht mal auf?  Lasst. Sie. In. Ruhe!" Einige meiner Mitschüler wandten sich murrend zu mir um, während die anderen noch immer hinter vorgehaltenen Händen kicherten. "Na gut", ergriff David - unser Klassenmacho - das Wort, "fürs Erste ist Ruhe. "Aber, glaub nicht, dass das heute das letzte Mal war. Die passt einfach nicht hierher. Kommt, Leute!" David und die anderen verließen lachend das Klassenzimmer, während ich mich neben Kathrin setzte. Sie hatte inzwischen den Kopf aus ihren Händen "befreit", doch sie schaute traurig zu Boden. Undeutlich konnte ich erkennen, dass Tränen in ihren Augen glitzerten. "Hey", versuchte ich es zögernd und legte meine Hand auf ihre Schulter. Ich spürte, wie sie kurz zurückzuckte, doch dann hob sie den Kopf und sah mich an. "Nimm dir das nicht so zu Herzen, Kathrin", sagte ich leise, "die sind eben so." "Aber, es ist schwer", gab sie zurück und wischte sich eine kullernde Träne weg.  "Weißt du, meine Mama ist schwer krank. Mein Papa hat uns verlassen, als ich noch jünger war... das hat Mama ganz schön mitgenommen. Deshalb wohn' ich bei meiner Oma und meiner Tante. Ich weiß nicht, wie es meiner Mutter geht, aber meine Tante sagt mir nicht so viel, um mich nicht zu beunruhigen, weißt du? Ich möchte zurück, aber ich weiß, dass es ihr nicht gut tun würde, wenn ich zurückginge. Aber es ist so schwer, durchzuhalten, wenn jeder gegen dich ist. Wenn Dich jeder hatet, jeder fertigmacht...." "Nein", pflichtete ich bei, "das weiß ich nicht. Aber ab jetzt bist Du nicht mehr alleine, Kathi." Wir erhoben uns gleichzeitig, hatten die Arme um uns gelegt und ich lächelte sie an. Es dauerte ein bisschen, doch sie lächelte zurück. "Wir sind.... wir sind Freundinnen?", fragte Kathrin und ich nickte. "Sind wir", erwiderte ich, "beste Freundinnen...."  

Unzerstörbare Freundschaft?!Where stories live. Discover now