Damals

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Dienstag war ein erbärmlicher Tag für ein Geständnis. Dienstag war ein erbärmlicher Tag, um überhaupt etwas zu tun. Entscheidende Dinge sollte man für Samstage reservieren. Oder Sonntage. Tage mit Gewicht. Aber am Dienstag traf Milan seine Autorenkollegen, also wurde es der Dienstag. Glücklicherweise waren diesmal nur Rob, Valentin und Eva dabei. Die, die er am ehesten als echte Freunde bezeichnet hätte. Er wollte wirklich nicht wissen, welche Weisheiten Zebulon zu seinem Problem beigesteuert hätte.

»Was gibt's Neues?«, fragte Eva und prostete in die Runde. Ihr akkurater Bob wippte. Sie war Mitte fünfzig, Regionalkrimiautorin und am Anfang sowas wie Milans Mentorin gewesen. Als er nach Berlin gekommen war, hatte sie ihn gleich unter ihre Fittiche genommen und ihm sogar ihre Agenten vermittelt. Sie wirkte unterkühlt, doch der Eindruck täuschte.

»Milan hat jemanden kennengelernt.« Rob lehnte sich zurück und grinste wie ein Kind, das einen Monstertruck zum Geburtstag bekommen hatte. »Der Blonde, mit dem er letzte Woche draußen stand? Den haben wir am Samstag in der Manobar getroffen. Und sie sind zusammen nach Hause gegangen.«

Eva und Valentin sahen Milan interessiert an.

»Sach bloß«, knarzte Eva. Sie rauchte noch mehr als Milan. »Ist dit was Ernstes?«

Milan schwieg. Eigentlich hätte er dankbar sein können, dass Rob gleich das Thema auf den Tisch packte. Aber es fiel ihm schwer, wenn alle schauten, als hätte er ihnen ein Überraschungsgeschenk gemacht. Es schien, als würde er über seine Gefühle sprechen müssen. Okay, das hatte er geahnt, aber ... lustig war das nicht.

»Milan und was Ernstes? Der ist doch vollkommen beziehungsunfähig.« Wo kam Zebulon jetzt her? Und warum sah sein Pullover aus, als hätte man ihn aus Ankertauen gestrickt? Milan blickte ihn verächtlich an, aber der Trottel setzte sich trotzdem.

»Schon, aber«, Rob besaß die Frechheit, zu kichern, »Milan hat ihn angestarrt, als wäre er ein Grundschüler und hätte auf dem Spielplatz den süßesten Jungen der Welt entdeckt. Erst hat er sich nicht mal getraut, ihn anzusprechen.«

»Das war es nicht, du Vollspacken.« Irgendwie musste Milan sich einen Rest Würde zurückerobern. »Ich kenne ihn. Von früher.«

»Oooh!«, machten alle vier. Zebulon beachtete nicht einmal die Kellnerin, die ankam, um seine Bestellung aufzunehmen. Erst nach drei Versuchen bestellte er sein dummes Craft Beer.

»Wart ihr ein Paar?«, fragte Valentin.

»Du hattest mal einen Freund?« Rob hob eine Augenbraue. »Warst du gar nicht immer so ein Flittchen?«

Milan zweifelte immer mehr daran, dass es eine gute Idee war, diese Idiotenrunde um Rat zu bitten. Aber die einzigen anderen Freunde, die er hatte, waren die aus dem Boxtraining. Und die waren noch schlechter in Herzensfragen. Vermutlich.

»Er war mein Stiefbruder«, sagte Milan. »Meine Mutter war mit seinem Vater zusammen.«

»Oho!« Rob richtete sich auf. »Habt ihr zusammen gewohnt? Und dann bist du nachts zu ihm ins Bettchen gekrochen? Hat er dir die Liebe unter Männern nähergebracht?«

»Nein.« Missmutig trank Milan einen Schluck. »Aber ... er war meine erste große Liebe. Sozusagen.«

Die anderen rückten näher wie eine Rotte Katzen, die an einen verwesten Fischkopf heranschlich.

»Liebe.« Robs Augen glitzerten. »Erzähl.«

»Nein.« Milan stürzte einen weiteren Schluck hinunter, dann noch einen. Das war eine saudumme Idee gewesen. »Ist nicht so wichtig.«

»Du hattest eine erste große Liebe. Das ist sehr wichtig.«

»Das hat ja wohl jeder, Rob. Mach kein Drama daraus.«

Milan - Dichte Dichter 1Where stories live. Discover now