Die falsche Zeit

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Zugegeben, ich hatte nie erwartet, dass der Vater meiner Kinder auch die Liebe meines Lebens sein würde. Es schien mir auf eine absurde Art und Weise zu viel verlangt, als ob ich dankbar genug dafür sein musste, dass mir vom Schicksal ein kleines, leidenschaftliches Abenteuer geschenkt worden war.

Die große Liebe schien immer wie Wunderkerzen – kurz, aber wunderschön.

Darum war es für mich nur logisch, dass sich der Mensch für die, zwar auch nicht immer auftrennende, doch zu mindestens wahrscheinlichere, Ewigkeit woanders finden lassen müsste.

Er war weder das eine noch das andere.

Das bedeutet nicht, dass ich nicht in ihn verliebt war. Im Gegenteil, ich war so aufgeregt, dass ich selber über mich lachen musste.

In meinen Kalender hatte ich die erste Verabredung eingetragen, mit meinem schwarzen, teuren Kugelschreiber, der früher so schön schwer in der Hand gelegen hatte aber nun, verglichen mit dem Gewicht meiner Gedanken, federleicht wirkte. Als ich noch vor dem Spiegel stand und mich fragte, welcher meiner zwei Lippenstifte besser zu meinem Oberteil passte.

Es bedeutete lediglich, dass wir einander mochten und unsere gemeinsame Zeit wirklich genossen hatten. Aber wir waren kein Zuhause. Wir waren kein Vertrauen. Wir waren nicht das Versprechen, an das man sich still erinnert, wenn man den anderen am liebsten umbringen wollte.

Vielleicht wären wir es irgendwann geworden. Vielleicht hätten wir, nach und nach, aus unseren kurzen Wochen einfach selber eine Unendlichkeit geschaffen. Vielleicht hätten wir irgendwann gelernt, all die Sachen, die wir von einander hassten, zu vergessen, für die eine Sache, die wir beide liebten.

Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter, während wir uns anhörten, dass der Embryo jetzt ungefähr einundhalb Zentimeter groß sei.

Der Arzt hatte ihm empfohlen, nicht mit reinzukommen.

Bauen sie keine Bindung auf. Das macht es nur noch schwieriger.

Aber er hatte darauf bestanden und nun starrten wir beide den Monitor an, wissend, dass dieser, fast unscheinbare, Fleck in meiner Gebärmutter wachsen würde, bis er ein kleiner, vollkommener Mensch war.

Ein Kind, das nicht auf unser „Irgendwann" warten konnte.

Unter meinem HerzenWhere stories live. Discover now