¤Chapter One¤

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Lautlos fallen die Schneeflocken vom grauen Himmel und landen federweich auf dem Gehsteig, der Straße und auch auf mir. Die kleinen Kristalle verfangen sich in meinen Wimpern und erschweren mir die Sicht während die eisige Kälte durch meine dicken Winterklamotten kriecht und mir wie kleine Nadeln in meine Haut sticht.

Mit einem Lächeln bleibe ich stehen und hebe meinen Kopf. Sofort treffen die trudelnden Flocken auf mein gerötetes Gesicht um dort gleich darauf zu winzigen Wassertropfen zu schmelzen.
Wie ich den Winter doch liebe!
Schon als kleines Kind konnte ich den ersten Schneefall nicht erwarten. Jeden Tag nach dem aufstehen bin ich ins Wohnzimmer gerannt, nur um dort enttäuscht festzustellen das noch immer kein Schnee lag. Und heute tue ich das noch immer.

Die grauen Wolken über mir lassen immer mehr Flocken auf die Erde nieder rieseln. Genießerisch schließe ich meine Augen und lasse es einfach zu das mich die Kälte umfängt, meine Zehen und Finger taub werden lässt und wie eine eisige Wolke in meine Lunge kriecht.

Trotz des berauschendem Gefühls in meinem Herzen gebe ich mir nach einiger Zeit einen Ruck und öffne wieder die Augen, um nach einem kurzen, sehnsüchtigen Blick in den Himmel mein gerötetes Gesicht wieder in meinem dicken Schal zu vergraben und meinen Weg über die verschneiten Straßen fortzusetzen.

Langsam nähere ich mich der kleinen Kreuzung bei der es nichtmehr lange dauert um zu unserem kleinen Haus zu kommen. Hinter mir kann ich die Räder eines Wagens hören, die den knirschenden Schnee platt drücken um sich einen Weg über die Straße zu bahnen. Ohne mich umzudrehen ziehe ich meine Schultern noch mehr hoch und bete zu Gott, dass das Auto nicht allzu schnell an mir vorbei fährt.

Falsch gehofft. In einem Tempo, bei dem man sich wundern muss, dass das Auto nicht von der Straße abkommt, rast es an mir vorbei und kurz darauf fliegen mir matschige Schneebrocken um die Ohren.

Mit einem halb erschrockenen und halb erbosten Quieken springe ich zur Seite um dem kalten Matsch zu entkommen, was mir nicht unbedingt viel bringt. Meine komplette Hose hat nun die Farbe von blau zu grau gewechselt, von meinem Parker ganz zu schweigen.
"Rücksichtsloses Arschloch!" Wütend starre ich dem weißen Wagen hinterher, der an der Kreuzung abbiegt und kräusele angeekelt meine Lippe, als ich mir ein wenig dreckigen Schnee von der Wange wische.

Angesäuert stapfe ich weiter und ignoriere nun den wunderschönen Schnee der unter meinen Schuhen verheißungsvoll knirscht. Immernoch den Matsch abschüttelnd biege ich in die Auffahrt zu unserem Haus ein und nestele meinen Hausschlüssel aus meiner Jackentasche.

Mit klammen Fingern versuche ich das Schlüsselloch zu treffen, scheitere aber kläglich bis mir der Schlüssel aus meinen halb abgefrorenen Fingern rutscht und in den weichen Pulverschnee fällt. Grummelnd bücke ich mich um ihn wieder aufzuheben und endlich die Tür aufzustoßen.

Erleichtert werfe ich meinen Rucksack ab und streife meine schwarzen Winterstiefel ab. Während ich mich umständlich aus meiner Jacke schäle rufe ich laut.

"Mum, Dad ich bin zuhause!"

Aus Richtung des Esszimmers kann ich ein klägliches Husten hören und verdrehe die Augen. Mit einem Lächeln auf den Lippen trete ich in das kleine Zimmer und erblicke meinen Bruder, wie er jämmerlich schniefend und in mindestens drei Decken gehüllt auf der hellen Ledercouch liegt.

Männer und ihre Wehleidigkeit.
"Hey Bruderherz."
Kilian sieht mich mit müden Augen an und meint mit näselnder Stimme.
"Rose kammst du mir meimem Tee geben?"

Mit einer schwachen Kopfbewegung nickt er zu dem Couchtisch vor sich, auf der eine dampfende Tasse Tee steht. Ist das sein Ernst? "Es ist eine einfache Grippe Kil, kein Ebola, da wirst du dir deinen Tee doch wohl noch selber holen können."

The Wolf insideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt