Flügel

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Mit einem tiefen Seufzer, der all die Traurigkeit in ihrem Herzen ausdrückte, legte sie den Brief auf das Bett ihres Besten Freundes. Sie hatte lange überlegt, diesen Schritt zu wagen, aber sie sah keinen anderen Ausweg, konnte sie diesen Schmerz doch nicht anders entkommen. Sie hatte schon immer mit Schmerz umgehen können, war es doch der Hauptbestandteil, dessen was ihre Eltern ihr beibrachten, aber es kommt der Punkt, wo selbst ihr Herz, an dieser Menge von Schmerz zerbricht.

Für sie gab es keinen Weg zurück.

Minho,

Ich habe oft über das Wort „Liebe" nachgedacht. Die Menschen sagen es ständig, aber meinen sie auch wirklich „Liebe" damit? Du kannst ein Wort sagen, etwas völlig anderes damit meinen und das ist das, finde ich, das Erschreckende an unserer Gesellschaft. Leute sagen so oft „Ich liebe dich", dass diese besonderen drei Wörter immer mehr an Bedeutung verlieren.

Ich habe diese drei Wörter nie in den Mund genommen und werde es wahrscheinlich auch nie tun, denn es gibt nur einen Menschen, dem ich dies sagen wöllte und der darf es nie erfahren. Es würde zu viel kaputt machen. Aber ich werde sie mir immer für diesen Menschen aufsparen.

Es gibt viele Arten von Liebe. Die Liebe zu Dingen wie Sex, ich meine daran ist nichts verwerfliches, ist es doch einer der reinsten Akte die die Liebe hervorgebracht hat. Dann gibt es noch die freundschaftliche Liebe zu Menschen die einem wichtig sind, was gesteigert durch die familiäre Liebe gesteigert wird. Die Liebe zur Familie gibt nicht vor, dass man nur Menschen lieben darf, mit denen man blutsverwandt ist, sondern die Menschen zu lieben, die einem so wichtig sind, dass man sie nie wieder in seinem Leben missen will, denn Familie bestimmt sich nicht durch Blut. Sie bestimmt sich in unserem Herzen. Es gibt noch so viele Arten von Liebe, die ich jetzt alle aufzählen könnte, aber das würde viel zu lange dauern und zu viel Papier verschwenden.

Doch es gibt noch die eine Art von Liebe. Die eine Art, nach der sich jeder von uns sehnt. Die Liebe zu deinem Seelenverwandten, dem Gefährten deines Herzens. Die reinste Art der Liebe. Eine Legende besagt, dass jeder von uns, einen Flügel von Gott bekommen hat, zusammen mit dem Auftrag, den anderen passenden Flügel zu finden. Viele suchen ein Leben lang nach ihrem Flügel, aber finden ihn nie, andere haben mehr Glück und sind zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Ich hab meinen Flügel gefunden, nur weiß meine andere Hälfte nichts davon. Vielleicht bin ich ja auch gar nicht seine Hälfte und all die Hoffnung war umsonst. Ich glaube deswegen haben so viele Angst vor der Liebe und wollen deshalb gar nichts von ihr wissen oder halten sie für Müll. Tief in ihrem Herzen sehnen sie sich nach genau dieser Liebe, so wie wir anderen auch, aber die Angst vor einer Zurückweisung lässt ihre Worte und auch langsam ihr Herz hässlich werden. Und genauso wird unsere Welt immer mehr zugrunde gehen. Sie wird hässlich, unerträglich für uns, bis wir irgendwann aufgeben.

Irgendwann gibt jeder von uns seinen Glauben an das Gute in dieser Welt auf. Egal, wie sehr man immer das Gute sehen will, wir alle enden irgendwann an genau dem Punkt, an dem ich jetzt stehe. Ich will nicht aufgeben, versteh mich nicht falsch, aber ich hab keine Kraft mehr. Du bist mein bester Freund, Minho, aber es macht mich kaputt dich so wenig bis gar nicht mehr zu sehen. Ich unterstütze deinen Traum wirklich, denn ich weiß, dass er dir alles bedeutet, aber du entgleitest meinen Händen, wie Sand.

Für mich steht dein Glück an erster Stelle, selbst wenn ich daran zerbrechen würde. Es ist egal was mit mir passiert, solange es dir gut geht und ja ich weiß, dass ist nicht gesund, aber du warst für mich immer schon wichtiger.

Ich würde sterben für dein Glück.

Und genau das tue ich innerlich. Tag für Tag, Stunde für Stunde sterbe ich 1000x nur bei dem Gedanken, dass du bei IHR bist. Du hast dein Glück gefunden und meines zerbricht immer mehr. Ich schätze das Leben will es nicht, dass wir gleichzeitig glücklich sind, aber es ist okay, solange ich diejenige bin, die unglücklich ist. Ich will dass du glücklich bist.

Aber ich will nicht sehen müssen, wie du mich langsam vergisst. Ich stehe dir im Weg, in deinem Weg zu IHR und dass ist dir bewusst, du willst es nur nicht wahrhaben. Menschen lügen sich gerne was vor. Sie reden sich ein, dass der Lauf der Dinge Unrecht hat und sie ihr Schicksal selbst bestimmen können. Dass Dinge für immer in ihrem Herzen bleiben, dass sie sich gegen das Schicksal wehren können, denn jeder hat Angst, dass einem dasselbe passiert. Dass sie von einem geliebten Menschen vergessen werden, also versuchen sie sich das Gegenteil zu beweisen und klammern sich an diesen kleinen Strang Hoffnung, bis sie daran zerbrechen.

Wir alle zerbrechen irgendwann. Das ist unser Schicksal.

Aber das ist der Lauf der Dinge, wir haben keine Wahl, egal wie sehr wir hoffen. Meine Hoffnung ist gestorben in dem Moment wo du SIE trafst. Ich bin froh wenn du glücklich bist, aber ich hatte gehofft wir könnten beide glücklich sein. Falsch gehofft.

Ich will den Tag nicht erleben, an dem ich dir nur noch eine Last bin. Versuch nicht es zu leugnen, fängt der Prozess schon langsam an. Wir sehen uns noch weniger als wir es so schon taten, weil du deine Zeit mit IHR verbringen willst und trotzdem hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du mir mal wieder absagen musst. Ich werde nur noch das nervige Anhängsel sein, das euch im Weg steht.

Du warst immer mein strahlender Prinz, der mich vor allem Bösem rettete, aber du hast dir eine andere Prinzessin gesucht. Aber ich schätze dass das der Lauf der Dinge ist. Man sucht sich eine neue Prinzessin wenn man der Alten überdrüssig geworden ist. Anscheinend hält keine Freundschaft für immer und Versprechen werden alle irgendwann gebrochen.

Unsere Welt besteht aus so vielen gebrochenen Versprechen, verlorener Hoffnung und zerstörten Träumen, da werden ein paar mehr nicht weiter auffallen.

Ich mach dir keinen Vorwurf, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist, ist es doch einfach der Lauf der Zeit. Ich wünschte nur wir hätten mehr Zeit miteinander gehabt, gibt es doch noch so vieles was ich dir sagen möchte.

Du bist mein bester Freund, mein Beschützer, mein Held. Die wichtigste Person in meinem Leben, hatte ich doch nie viele Menschen die mich liebten, warst du immer da. Egal was die anderen gesagt haben, hast du doch immer zu mir gehalten und dafür bin ich dir dankbar. Du warst da, egal was war. Du warst einer der Menschen, die mich wirklich liebten und das will ich so in Erinnerung behalten. Ich will die schönen Momente für immer in meinem Herzen tragen.

Ich will nicht irgendwann im Park sitzen und darüber nachdenken, zu welchem Zeitpunkt wir uns verloren haben. Ich will nicht in diesen langsamen Fluss des Vergessens fallen. Ich will nicht, dass du irgendwann keine Ahnung mehr hast wer ich bin.

Ich will, dass du mich als deine beste Freundin, deine kleine Schwester in Erinnerung hältst. Vielleicht wirst du irgendwann, in 20 Jahren, unsere alten Fotoalben ansehen und mit einem Lächeln zurückblicken.

Das ist es was ich mir wünsche.

Ich weiß, dass du willst, dass ich dir verzeihe, aber es gibt nichts zu verzeihen. Es ist nicht deine Schuld, es trägt niemand daran schuld. Ich will dir noch so viel mehr sagen, aber dafür reicht die Zeit nicht. Ich kann diesen Schmerz nicht länger ertragen und ich kann es auch nicht mehr. Dieser Schmerz ist zu viel für mein, schon so oft, gebrochenes und zerrissenes Herz. Ich kann dich mit diesem Schritt vielleicht loslassen, auch wenn die Liebe über den Tod hinausgehen kann. Vielleicht hat da oben Gnade mit mir.

Es ist nicht deine Schuld.

Es gibt noch eine letzte Sache, die ich dir sagen wollte. Ich hab dir von der Legende mit den Flügeln und davon, dass ich meinen Flügel gefunden hab, erzählt, oder?

Du bist mein Flügel.

Leilani

Er hatte es für einen schlechten Scherz gehalten, aber er erkannte ihre Denkweise über die Menschheit. Er war fassungslos, wie konnte er nicht bemerken, dass sie ihn liebte? Wie konnte sie nicht bemerken, dass er sie liebte? Das Mädchen war doch nur eine Ablenkung, hatte er doch nie zu glauben gewagt, dass seine Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen.

Aber er durfte sich nicht ablenken, vielleicht war es noch nicht zu spät und Minho konnte sie von ihrem Plan abhalten. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, rannte er los. Seine Füße trugen ihn automatisch zu der Brücke, wo sie oft zusammen ihren Gedanken hinterherhingen.

Außer Atem kam er an und konnte seinen Augen nicht glauben. Dort stand sie.

„NEIN!"...

Letters From Me To YouWhere stories live. Discover now