Kapitel 16

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Er steht einfach nur da, rührt keinen Muskel und beobachtet mich. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich von ihm angezogen, aber ich unterdrücke das Bedürfnis zu ihm zu gehen und ihm durch sein haselnussbraunes Haar zu fahren. Reiß dich zusammen, Jenna! Das ist womöglich der Mörder deines Bruders!

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich weglaufen oder ihn anbrüllen sollte anstatt einfach nur dazustehen und in seine bernsteinfarbenen Augen zu blicken. "Wer bist du und was machst du hier?" "Mein Name ist Akiva und ich bin auf der Flucht."

Plötzlich knackst ein Zweig im Gebüsch und wir wirbeln beide herum, auf der Suche nach dem Verursacher des Geräusches. Angst steigt in mir auf, dass es womöglich Kaz ist, der mich verfolgt hat. Auch Akiva blickt fast panisch umher, als hätte auch er Angst, dass ihn jemand gefunden hat.

Erneut ertönt ein Knacksen, gefolgt von einem Rascheln und ein Eichhörnchen springt aus dem Gebüsch. Erleichtert atme ich aus und versuche mein wild pochendes Herz zu beruhigen. Das Eichhörnchen lässt sich nicht von uns stören und klettert blitzschnell auf den nächsten Baum. "Wow, wer hätte gedacht, dass Eichhörnchen so angsteinflösend sein können."

Obwohl jetzt bis auf das Zwitschern der Vögel und dem Rauschen des Windes nichts zu hören ist, wirkt er jedoch weiterhin nervös. "Also, nochmal zum Mitschreiben. Du bist ein Ikati, der allerdings nicht zu unserer Gruppe gehört, da ich dich noch nie bei uns gesehen habe und dich niemand von uns zu vermissen scheint, du hast meinen Bruder getötet und du bist auf der Flucht, habe ich was vergessen?"

Akiva kommt einen Schritt auf mich zu und ich muss mich fast zwingen einen Schritt zurück anstatt einen Schritt nach vorne zu gehen. Was ist bloß los mit mir? Wieso hat er diese anziehende Wirkung auf mich?

"Ich habe deinen Bruder nicht umgebracht und ich kann es dir auch beweisen - du musst dir nur meine Erinnerungen ansehen." Er sieht mich schon fast flehend an und obwohl ich wieder zurück gehen sollte, bevor noch jemandem auffällt, dass ich weg bin, muss ich einfach wissen wer für Alexanders Tod verantwortlich ist. "Okay, aber nicht hier." Ohne darauf zu achten, ob er mir folgt oder nicht gehe ich tiefer in den Wald hinein.

Eine Weile gehen wir einfach nur stumm nebeneinander her. "Hier waren wir doch schon." Okay, er scheint aufmerksam zu sein und einen guten Orientierungssinn zu haben! "Stimmt, hier waren wir sogar schon zweimal. Ob du es glaubst oder nicht, aber im Moment bist du nicht der Einzige, der nicht gefunden werden will." Außerdem weiß ich noch nicht ob ich dir trauen kann!

Bevor er noch etwas sagen kann bleibe ich vor einem Höhleneingang stehen. "Sie mag zwar nicht sonderlich einladend wirken, aber es wird reichen müssen bis ich weiß was ich mit dir anstellen werde."

Als ich mir sicher bin, dass außer uns wirklich niemand in der Nähe ist betrete ich die Höhle. Der Boden ist mit Moos bedeckt und die Decke funkelt mit unzähligen Edelsteinen. Im hinteren Teil der riesigen Höhle ist ein kleiner See.

"Also, bringen wir es hinter uns damit ich weiß ob ich dich hierlassen oder wieder zurück in den Wald schicken soll." Ich knie mich auf den feuchten Boden und Akiva setzt sich gegenüber von mir hin. "Bist du bereit?" Als er nickt lege ich meine Fingerspitzen an seine Schläfen, schließe die Augen und warte auf die Erinnerung.

Vor mir steht ein Mann, zumindest glaube ich, dass es ein Mann ist, denn seine ganze Gestalt ist dermaßen verschwommen, dass ich es nicht erkennen kann. "Ich habe einen ganz besonderen Auftrag für dich." Seine Stimme klingt tief und einfach nur schrecklich, sodass mir ein Schauer über den Rücken läuft. "Du wirst in den Wald gehen - in die Nähe der Ikati. Dort wartest du auf ein Mädchen - die Prinzessin um genau zu sein. Und wenn du sie siehst-" Er drückt mir Pfeil und Bogen in die Hand und obwohl ich sein fieses Grinsen nicht sehen kann höre ich es an seiner Stimme. "Und wenn du sie siehst bringst du sie um."

Die Szene ändert sich und ich bin nun im Wald - mitten im Gebüsch versteckt, sodass mich niemand so leicht sieht. Ein Rascheln erweckt meine Aufmerksamkeit und da sehe ich sie. Das wohl schönste Mädchen, dass ich je gesehen habe. Aus irgendeinem Grund weiß ich sofort, dass dies die Prinzessin ist. Ich nehme Pfeil und Bogen in die Hand mit dem ich sie eigentlich töten soll, aber alles in mir sträubt sich dagegen. Plötzlich werden mir Pfeil und Boden aus der Hand gerissen. "Feigling!"  Die Stimme klingt nach der eines Mannes, aber auch hier ist alles verschwommen, sodass ich mir nicht sicher sein kann. Bevor ich auch nur blinzeln kann hat er den Pfeil abgeschossen, aber trifft nicht das Mädchen - welches das eigentliche Ziel gewesen ist. Stattdessen trifft er einen Jungen, der in diesem Moment plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. "Verdammt!" Der Mann neben mir macht sich sofort aus dem Staub, aber ich kann nicht anders als voller Entsetzen das Mädchen ansehen wie es sich weinend über den Jungen beugt. Auf einmal hebt sie den Kopf und blickt mir direkt in die Augen.

Entsetzt über die Erinnerung nehme ich meine Finger von seinen Schläfen. Verdammt, ich bin nicht einmal stark genug, um die vollständige Erinnerung zu sehen!

Mein Blick wandert zu Akiva, der völlig erschöpft aussieht. "Alles okay?" "Ja, tut mir leid, dass ich dir nicht alles zeigen konnte, aber er ist einfach noch zu stark." "Was?" Es war also gar nicht meine Schuld?

"Der Schutzzauber, den man auf mich gelegt hat ist noch zu stark." "Ist schon okay, immerhin weiß ich jetzt, dass nicht du meinen Bruder umgebracht hast. Ich muss leider wieder gehen, wenn ich will, dass niemandem mein Verschwinden auffällt, aber ich komme heute Abend wieder und bringe dir ein paar Sachen mit."

Ich stehe auf und gehe zum Höhleneingang. "Das mit deinem Bruder tut mir leid und danke..." "Jenna. Ich heiße Jenna." Mit diesen Worten verlasse ich die Höhle und sprinte zurück zu unseren Zelten.

It's not easy being a princess!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt