Kapitel 3 【Amy】

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"Komm schon!", lachte er höhnisch und klatschte triumphierend in die Hände. Dabei sah er kein bisschen müde aus, wenn man den Aspekt beachtete, dass es eine relativ lange Nacht gewesen war. "Als ob du den Typen wieder weggeschickt hättest ."

"Nun ja", seufzte ich immer noch schweratmig und strich mir nachdenklich eine widerspenstige blonde Strähne aus dem Sichtfeld, "was hätte ich denn sonst tun sollen?"

Poch, poch, poch.

Das Klopfen, ich hörte es wieder.

Dann ein seltsames Gebrüll. Ärgerte sich Theo etwa wieder über die Elstern im Vogelhäusschen? Sie stritten immer lautstark über das knapp bemessene Vogelfutter. Das geschah gefühlt alle paar Stunden.

Poch, poch, poch.

Still hatte ich mich in meinem Zimmer verschanzt.

Was war das für ein Vorfall gewesen? Daren zeigte sich mal wieder von seiner besten Seite.

Wieder klopfte es. Dann registrierte ich es. Die Haustür!

"Jerry", fordernd nickte ich zu meinem Mischling, "da ist jemand vor der Tür!"

Dieser Hund war wirklich zu Nichts mehr zu gebrauchen. Mit seinen stolzen neun Jahren gehörte er auch berechtigt nicht mehr zu den Jüngsten, aber das nutzte er vollkommen aus. Wenn da nicht noch die übersüßten belgischen Waffeln von Mom wären, würden sich wenigstens noch ein paar Knochen unter seinem ergrauten Fellmantel abzeichnen; oder eine Taille, das wäre das Mindeste, was ich im Gegenzug für die langen Routen bei Regenwetter wünschen würde. Basta: Jerry war dick, faul, alt und ein Kinderhasser und hob - nebenbei bemerkt - in solch einer Situation gerade mal unbekümmert den Kopf.

Ich konnte es nahezu von seinen Augen ablesen: Wie bitte, meinst du mich? Nein, entschuldige, ich liege hier gerade so bequem. Guck mal, wunderbar hier.

Inzwischen war ich relativ geübt darin, nachts auf Zehenspitzen in die Küche zu schleichen, um noch etwas Nachschub für meine Mädelsabende mit Blake zu stibitzen. Doch diesmal war ich allein, hatte niemanden sonst hier, der mir den Rücken freihalten könnte. Nur ich allein und die Person vor der Tür.

Während ich vorsichtig durch die Glasscheibe lugte, erhaschte ich den willigen Blick von Clancy. Er rüttelte an der Tür, gab nicht auf. Ich musste es tun.

Meine schweißnassen Hände umschlossen die kalte Klinke und drückten sie mit einem schnellen Ruck hinab.

"Was willst du hier, Clancy? Meine Eltern schlafen, sie-"

"Hör zu", unterbrach er mich gekonnt und wich meinem flehenden Blick aus, als er lässig an mir vorbei durch den abgedunkelten Flur streifte.

Ich hatte sicherheitshalber die Lichtschalter unbetätigt gelassen, denn obwohl unsere Wände ziemlich dünn waren und sie es wahrscheinlich längst mitbekommen hatten, wollte ich absolut sicher sein und jegliche unnötige Störung vermeiden.

"Ich hab es mir nicht freiwillig ausgesucht, sein Freund zu sein, also tu mir den Gefallen und sei für eine Minute mal still."

Was sollte das heißen, er hatte es sich nicht freiwillig ausgesucht? Ich meine, Daren konnte von Glück reden so viele Anhänger in ganz Greenville um sich zu haben, selbst in seiner Heimatstadt gab es da noch ein paar, also wieso behauptete Clancy plötzlich, dass ihm nicht danach war?

"Er ist berechnet, das ist dir bestimmt schon aufgefallen. Weißt du, es ist kompliziert, denn-"

"Schatz?", Licht erfüllte den Raum und ich entdeckte meine Mutter, die mit ihren Hausschuhen in Form eines pinken Einhorns auf uns zu schlitterte. "Wieso schläfst du nicht um diese Uhrzeit? Und, oh Gott!" Anscheinend hatte sie Clancy jetzt erst bemerkt, denn ihre Stimme brach abrupt ab, "Wer ist denn der Junge da?"

I Don't Know WhyWhere stories live. Discover now