Kapitel 1 【Blake】

192 17 62
                                    

Eine schrille Melodie ertönte und unterbrach meinen wunderbaren Traum, der mal wieder davon handelte, wie ich in Charlys Schokoladenfabrik einbrach und mich ordentlich an den bunten Süßigkeiten bediente.

Das Lied klang übertrieben fröhlich, bis ein Mädel mit passender Stimmlage, die große Ähnlichkeit mit der einer gebärenden Ente hatte, über ihr ach so tolles Leben erzählte und hin und wieder erleichtert kicherte. Wie auch immer.

Ich krallte mir das Handy von Amy, stellte den Alarm ab und warf es achtlos davon, um noch ein paar Minuten wertvoll ausnutzen zu können, denn mein Bett liebte ich über alles. Vielleicht würde ich dort weitermachen können, wo der Traum aufgehört hatte, wer weiß. Ich zog mir die Decke erneut bis zur Nasenspitze und stöhnte geschafft. So, wo waren wir Willy Wonka?

...

"Scheiße, verdammt, wo ist mein Handy?"

Bitte, nur einen Tag ausschlafen. Nur einen Tag von meiner nicht mehr existierenden Zukunft absehen und die Ruhe vor den letzten Wochen der Highschool genießen. Beinahe hätte ich es umsetzen können, doch dann schlug die Realität wieder knallhart zurück, so wie ich es von ihr gewohnt war.

Ich spürte den Stoß eines Kissens auf meinen Kopf. "Wach endlich auf, wir haben verschlafen!"

Ach komm schon! Ich öffnete die Augen ein wenig und entdeckte Amy dabei, wie sie sich förmlich die Kleider vom Leib riss, gestresst den Kleiderschrank durchwühlte und ihre Schlafkleidung lieblos unter ihr Bett kickte.

"Bla-ake?", jammerte sie und legte nun einen dunkelvioletten Hoodie über meinen Kopf. Dadurch sollte ich wegen des Luftmangels offenbar von selbst auf die Idee kommen, aufzustehen, ihr zu sagen, was sie nur für eine tolle Freundin war und mich sorglos für die Schule fertigzumachen. "Zieh den endlich an, der gammelt bestimmt schon fünf Wochen in meinem Schrank umher und du hast ihn nicht einmal getragen."

Dabei hatte sie vermutlich Recht, denn nebenbei erwähnt war ihr Kleiderschrank sehr klein und somit fiel es schneller auf, wenn Kleidung von mir dazwischen gequetscht war.

Dazu schmiss sie noch irgendeine Leggins und ein paar Stiefel über meinen Unterkörper - vielen Dank an dieser Stelle für diesen unvorhersehbaren Schmerz - und fertig: Mein Outfit stand fest.

Dass Amy einen ganz anderen Geschmack vertrat, kümmerte sie herzlich wenig, denn sie fuhr stumm mit ihrem Vorgehen fort.

"Ich will nicht aufstehen", jammerte ich bewusst so verzweifelt, dass Amy hoffentlich Mitleid bekommen und mich mit ihrem sonst so vorhandenen Mitgefühl schlafen lassen würde, doch dem war heute bewusst ganz und gar nicht so.

Was ist heute für ein Tag? Dienstag?

"Denkst du ich?", erwiderte sie müde und verstummte beim Durchsuchen ihres Bettes in der Hoffnung, etwas zwischen dem Bettspalt wiederzufinden. "Wieso hast du überhaupt das Handy weggeworfen? Ich finde es nicht mehr."

Das tut mir ja wirklich leid, beste Freundin, aber heute werde ich dir nicht bei deinem lebensbedrohlichen Problem helfen, denn ich werde jetzt wieder-.

Ich spürte nur eine Präsenz über mir, dann hatte ich es auch schon im Gesicht, das eiskalte Wasser.

Erschrocken hechtete ich aus dem Bett und fiel kraftvoll auf den arschkalten Boden. Ein paar Mal musste ich husten, weil ich etwas Wasser verschluckt hatte. Dann fing ich mich aber wieder und funkelte sie böse an. "Bist du bescheuert, oder was?"

Ich spürte pures Adrenalin in meinen Venen und kundschaftete grob die Umgebung aus.

Eine Gänsehaut überkam mich, weil sie mal wieder sperrangelweit das Fenster geöffnet hatte und die Vögel mit ihrem nervigen Singsang die von mir gewünschte Ruhe zunichtemachten. Jetzt im Spätherbst fand ich das Gezwitscher tatsächlich noch schlimmer als die unverlangte Kälte.

I Don't Know WhyWhere stories live. Discover now