ᚠ || Verträge im Schatten

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Monate zuvor:

Fünfzehn Augenpaare starrten mich an, als ich in der Tür zum königlichen Versammlungsraum aufstieß. "Bitte entschuldigt meine Verspätung, Eure Majestät. Meine Heilung hat noch etwas mehr Zeit in Anspruch genommen als gedacht", entschuldigte ich mein Zuspätkommen.

"Euch sei verziehen, Mylady", antwortete Odin, "doch wir müssen unglücklicherweise auch noch auf meinen älteren Sohn warten. Eure Eile war also unbegründet." Höflich verbeugte ich mich und setzte mich neben die Kriegerin Sif und meiner besten Freundin, der Walküre Amanthis an den langen Tisch. Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern und bemerkte recht schnell, dass fast alle Plätze belegt waren und vor jedem Krieger und jeder Kriegerin ein kleines Blatt Papier lag, welches mit dem jeweiligen Namen versehen war.

Nach fünf Minuten des von unangenehmer Stille begleiteten Wartens betrat schließlich auch Thor Odinsson den Saal. Seine Haare sahen unordentlich aus, so als wäre er soeben erst aufgestanden. Nicht wirklich bei sich stand er in der Tür und fuhr sich kurz durch die Haare und unternahm den hoffnungslosen Versuch, das Vogelnest auf seinem Kopf zu richten. Mit tiefer Stimme setzte er an: "Entschuldige mich, Vater. Ich hatte noch wichtige Sachen zu tun."


Odin nahm die Entschuldigung hin und trotzdem wusste jeder im Raum, dass der Prinz normalerweise um diese Zeit nichts Wichtiges zu tun hatte. Der König miteingeschlossen. Aber dieser grummelte nur kurz etwas Unverständliches als Antwort und bedeutete Thor dann, Platz zu nehmen. Dieser leistete seines Vaters Wunsch Folge und setzte sich an das gegenüberliegende Ende des Tisches.

"Da nun alle versammelt sind, können wir endlich anfangen", begann Odin, nicht ohne einen weiteren, strafenden Blick auf den Zuspätkommer zu werfen.

Thor war der Erste, der Odin unterbrach. "Wo ist mein Bruder?", fragte er. Odin antwortete ihm leicht genervt: "Er kann bei dieser Mission leider nicht teilnehmen, jedenfalls nichts aktiv. Das bedeutet auch, dass niemand ihm davon erzählen wird." Er blickte Thor scharf an. "Niemand. Aber er wird uns passiv unterstützen."

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: "Nun zum Grund unserer Versammlung. Dies wird womöglich die wichtigste Mission, die es je geben wird und gegeben hat. Die Zukunft Asgards und aller Welten hängt von unserem Erfolg ab. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass nichts diese vier Wände verlässt." Alle nickten ernst und Odin fuhr fort.

"Wie alle von Ihnen wissen, ist der Weltenbaum Yggdrasil die Brücke zwischen den einzelnen Welten, aber er ist auch noch viel mehr als das. Er dient als Schutzschild. Dank ihm mussten wir die letzten Jahrtausende keine Gefahren aus anderen Dimensionen befürchten. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Schutz, den wir all die Zeit für selbstverständlich gehalten haben, droht uns genommen zu werden von jemanden, dessen Namen kaum mehr als ein Flüstern im Wind ist. Einige unserer Spione haben uns von Unruhen in den äußeren Regionen der Welten, die Losnaheim, der dunkelsten aller Welten, am nächsten sind, berichtet. Uns liegen Informationen vor, wonach ganze Städte ausgelöscht wurden. Es gab jedoch weder Zeugen, noch Überlebende.

Teilweise fliehen ganze Dörfer in der Nähe der angegriffenen Städte aus Angst vor dieser neuen Bedrohung. Die wenigen Informationen, die es über die mysteriösen Angriffe gibt, erwähnen immer wieder einen Namen: Nathair. Wir vermuten, dass er es ist, der für all die Morde verantwortlich ist."

Eine unheilvolle Stille brach ein. Jeder schien sich spätestens jetzt der Bedeutung dieses Treffens bewusst zu sein. Eine der Walküren räusperte sich: "Dieser Nathair... er muss große Macht besitzen. Doch wir wissen nur seinen Namen und selbst diese Information könnte auch nur ein Gerücht sein, schließlich gab es doch keine Überlebenden. Vielleicht ist es nur eine Täuschung. Wie können wir uns da sicher sein?" Ich konnte in vielen Gesichtern Zustimmung erkennen. Sie alle schauten Odin erwartungsvoll an, der jedoch eine Antwort parat hatte.

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