ᚾᛗ || Verloren in Illusionen

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Ich trat zu Loki hin, der noch am Boden kniete und streckte ihm meine Hand hin. Es schien einen Moment zu dauern, bis er wieder in der Realität angekommen war und mich wieder wahrzunehmen schien.

Kurz schien er darüber nachzudenken, meine Hand zu ergreifen, doch dann schlug er sie weg. „Ich kann allein aufstehen!", sagte er, ehe er aufstand und begann, sich den Staub von seiner Kleidung zu klopfen. Ich beobachtete ihn aufmerksam und konnte erkennen, dass er versuchte, seine Hände beschäftigt zu halten, als wolle er nicht darüber reden und so tun, als sei all das gerade nicht passiert.

Gut, wenn Loki nicht darüber reden wollte, dann halt nicht. Ich wollte mich von ihm abwenden, doch in diesem Moment sah ich die Nebenfetzen hinter ihm, die vor uns auf dem Weg in der Luft hingen. Der Prinz schien diese nicht zu bemerken, sein Blick war in die leere Luft gerichtet, von ihr und von dem Baumstamm abgewandt.

„Loki?", fragte ich nach.

„Ich will nicht darüber reden. Vergiss einfach, was du gesehen hast. Wenn du auch nur ein Wörtchen von dem, was du gesehen hast, jemandem gegenüber erwähnst, dann kommst du nicht ungeschoren davon!"

„Nein, das ist es nicht!", sagte ich. „Guck mal nach vorne."

Die Fetzen, die in der Luft gehangen haben, ballten sich langsam zusammen und bewegten sich dann langsam. In dem Moment, in dem Loki nach vorne blickte, hatten sie uns einmal umkreist, wurden mit jeder Umdrehung schneller und dichter.

„Bei allen verfaulenden Draugar, nicht schon wiede...!", hörte ich Loki fluchen, ehe seine Stimme von dem Wirbelsturm verschluckt wurde. Innerhalb von wenigen Sekunden formte sich eine Umgebung, die von Bäumen und blühenden Büschen gesäumt war. Wir befanden uns in den Parkanlagen des Palastes. Zu meinen Erstaunen stand Loki immer noch neben mir, während sich vor uns eine kleine, jüngere Version seines selbst abbildete, die mit seiner Mutter Frigga durch die blühenden Wiesen schritt. Der Loki neben mir schien bereits realisiert zu haben, um was für eine Erinnerung es sich handelte. Er hatte seine Lippen fest zusammengepresst und seine Augen blickten gequält auf das, was begann sich vor uns abzuspielen.

„Loki, du musst deinen Vater versuchen zu verstehen. Er tut immer das, was er für das Beste für dich hält. Er macht sich Sorgen.", hörte ich Frigga besänftigend auf den kleinen Loki einreden. „NEIN!", schrie Loki trotzig zurück. „Er versteht gar nichts! Wieso verbietet er mir Magie? Ich will es lernen, Mutter! Ich will Magie lernen, genauso wie du auch Magie gelernt hast! Wieso verbietet mir Vater die Magie Ausbildung?" Frigga seufzte. „Mein Loki, ich weiß, dass das alles schwer zu verstehen ist. Ich habe oft mit deinem Vater darüber diskutiert und ich muss sagen, dass wir uns in dieser Angelegenheit nicht einig sind. Aber er ist dein Vater und noch viel wichtiger der Allvater. Seine Entscheidungen sind nun mal endgültig." Klein Loki schüttelte zornig den Kopf. „DAS IST UNFAIR! SO UNFAIR!", schrie er und schlug mit geballten Fäusten die Luft. Viele der umstehenden Personen hatten mittlerweile ihre Blicke auf den Prinzen und seine Mutter gerichtet.

„Thor bekommt immer alles, was er will! Er hat sogar diesen blöden Zwergenhelm von Vater bekommen! Wieso darf er alles und ich nichts?!? Ich will keinen blöden Zwergenhelm und auch kein doofes neues Schwert, ich will doch nur Magie lernen! Wieso darf ich nicht? Wieso liebt Vater mich nicht?!?", fuhr Loki schreiend fort. Frigga sah aus als würde sie den Schmerz ihres Sohnes mitfühlen. „Nein Loki, sag sowas nicht. Du bist noch zu jung, um zu verstehen, dass alles, was dein Vater tut...", versuchte Frigga zu erklären, aber der junge Loki unterbrach sie. „Er liebt mich nicht! Ich weiß das! Ich werde ihm beweisen, dass ich so gut, NEIN, dass ich besser als Thor bin! Ich werde ihm beweisen, dass ich es verdient habe Magie zu lernen!" Mit diesen Worten schlug er seine Handflächen zusammen. Ein lauter Knall, wie ein Donnerschlag, war über den gesamten Parkanlagen zu vernehmen. Grüne Funken flogen zwischen seinen Fingerspitzen, als er langsam begann seine Hände auseinanderzuziehen. Zwischen ihnen hatte sich eine kleine Sphäre konzentrierten Lichts geformt. Die Sphäre ruhte zwischen seinen Handflächen und glühte mir einer unfassbaren Stärke, sodass alle umstehenden Personen geblendet waren.

„Mutter, schau! Schau was ich kann!", verkündete der kleine Loki stolz. Frigga hatte ihre Augen geweitet, aber es schien nicht vor Bewunderung, sondern vor Angst zu sein. „Loki!", schrie sie mit gebrochener Stimme. „Loki, hör auf! Du wirst dich noch verletzten! Du kannst deine Kraft nicht kontrollieren!" Doch Loki wollte nichts davon hören. „Kann ich wohl! Du wirst schon sehen. Vater wird schon sehen, was ich alles kann!", rief der junge Loki. Er stand mittlerweile in einem zunehmenden Feuerwerk aus grünen Funken. Die Sphäre zwischen seinen Händen hatte zu surren begonnen und sprang unruhig umher. Loki, welcher sichtlich vor Wut brodelte, schrie gegen das immer lauter werdende Surren an, jedoch mit wenig Erfolg. Frigga schrie genauso erfolglos zurück, in der Hoffnung er würde aufhören. Ich begriff jedoch, es gab kein zurück mehr. Der junge Loki schien dies ebenfalls bemerkt zu haben. Seine Augen weiteten sich ängstlich und er schien zu versuchen seine Handflächen wieder zusammenzuführen. Je mehr er es jedoch versuchte, desto gefährlicher sprang die Sphäre zwischen seinen Händen. Plötzlich erhellte ein gleißendes Licht die Luft. Loki hatte noch Zeit sich in letzter Sekunde von seiner Mutter wegzudrehen, bevor das lautstarke Surren stoppte und nach einer Sekunde völliger Stille die Sphäre mit einem ohrenzerreißenden Knall explodierte. Der junge Loki stand mit dem Rücken zu Frigga, vor ihm bat sich eine Landschaft der Zerstörung auf. Dort, wo gerade noch Asen einen Spaziergang durch den friedlichen Park genossen hatten, lagen nun Schutt und Asche. Nicht nur die Bäume und Büsche waren pulverisiert worden, sondern auch die Asen.

Das erschreckende Bild verweilte nicht lange, bevor erneut Nebel um Loki und mich wirbelte und Frigga samt jungen Loki verschluckte. In der nächsten Sekunde standen wir im Thronsaal. Odin ragte wutentbrannt über den kleinen Loki, welcher noch in Schockstarre reglos vor dem Thron stand und die Wut und Enttäuschung des Allvaters über sich ergehen ließ. Die nächsten Momente waren wirr. Wir wechselten von Szene zu Szene innerhalb weniger Sekunden. Ich sah zu wie Thor und seine Freunde Loki den Rücken zukehrten, wie Loki allein durch die Gänge lief, während die Asen ihn und seinen Blick mieden. Ich hörte Fetzen von den Worten, die hinter seinem Rücken über ihn gesagt wurden. Als Prinz würde niemand es wagen ihm diese Worte direkt zu sagen, stattdessen flüsterte man sich fernab seines Blickes aber durchaus noch in Hörweite Kommentare wie „verfluchter Prinz" und „man sollte ihn dafür einsperren" zu.

Ich sah wie die Blicke und die Worte dem jungen Prinzen zusetzten, wie sie ihn veränderten, bis er schließlich alles gehört und alles gesehen hatte, dass er fast gleichgültig, eher abgestumpft schien. Szenen und Wortfetzen wirbelten um mich und Loki herum, wie die Galaxien es taten, wenn man durch den Bifröst schritt. Ich blickte besorgt zu meiner Seite. Ich mochte nur erahnen, wie der Prinz sich gerade fühlte. Er hatte in wenigen Augenblicken all seine schlimmsten Erinnerungen durchleben und mich dabei zuschauen lassen müssen. Lokis Blick war starr geradeaus gerichtet. Ich sah unwillkürlich den jungen Prinzen vor mir, der zu viel gehört hatte, als dass er noch etwas fühlen würde. Die Szenen wurden weniger, bis wir schließlich wieder in der Parkanlage standen. Die zerstörte Umgebung war verlassen und weder Frigga noch der junge Loki waren zu sehen. „Wo sind wir?", fragte ich vorsichtig, nicht sicher, ob Loki mich überhaupt hören konnte. Wenn er es konnte, dann ignorierte er mich gekonnt, bewegte sich plötzlich von dem kleinen Flecken unverschontes Gras, auf dem wir standen, weg und ging auf eine schwere Holztür zu unserer Linken zu.

Ohne groß drüber nachzudenken, folgte ich ihm. Wir betraten einen weißen Raum, dessen Wände zwischen festem weißem Marmor und dichten Nebel fluktuierten. Auf dem Boden spiegelte sich ein weiter blauer Himmel. Verwirrte blickte ich mich um. Ich hatte das Gefühl jegliche Orientierung in diesem Raum zu verlieren. Trotz dessen marschierte Loki zielstrebig weiter. Schnellen Schrittes lief er auf eine bestimmte Stelle im Raum zu, zückte einen seiner Dolche und stieß in den Nebel.

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