ᛊᚨ || Unsichtbare Magie-Blume

30 0 0
                                    

Ich hörte ein sanftes Räuspern. "Kann man euch bei eurer Suche behilflich sein, Mylady?", ertönte eine tiefe und auch etwas belustigte Stimme direkt neben meinem Ohr. Erschrockener als ich eigentlich wollte fuhr ich herum. Ich fand mich Auge in Auge mit dem Prinzen von Asgard wieder. Seine smaragdgrünen Augen schauten belustigt in meine und bildeten einen fast leuchtenden Kontrast zu seinem tief schwarzen Haar. Ein leicht amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Auch wenn ich es ungern zugab, äußerlich stand er Thor in nichts nach. Er schien gemerkt zu haben, dass er mich auf dem falschen Fuß erwischt hatte, zumal es mir bei dieser ungewohnten Nähe nicht möglich war, auf seine Frage zu antworten. Er trat einen Schritt zurück und setzte erneut an: „Wie ich sehe, habt Ihr Wachdienst? Bei all euren Verpflichtungen... Wessen Idee das wohl gewesen sein mag? Unverständlich."

Ich schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Ich bin mir sicher, dass Ihr rein gar nichts damit zu tun habt, mein Prinz?" Mittlerweile kannte ich seine aufgesetzte Unschuldsmiene nur zu gut.

„Ich würde es doch nicht wagen, meinen Lehrling um ihren kostbaren Schlaf zu berauben. Aber genug davon. Jetzt, wo Ihr nun schon einmal hier seid, können wir auch zur Sache kommen."

„Zur Sache kommen? Was genau habt Ihr hier überhaupt zu suchen?" Ich hatte mich wieder genug gefasst, um mich an meine Aufgabe als Wache zu erinnern. „Es mag zwar euer Plan gewesen sein, dass ich jetzt genau hier mit euch in Odins Schatzkammer stehe, aber ich habe immer noch Wachdienst und muss dafür sorgen, dass keine unbefugten Personen etwas Verbotenes unternehmen."

"Was für ein Glück für euch, dass ich weder unbefugt bin, noch etwas Verbotenes unternehme." Ungläubig blickte ich ihn an. Loki, der Unfug in Person war, verkündete mir, dass er keinen Unfug vorhatte. Das konnte er sonst wem vormachen, aber nicht mir!

Misstrauisch beäugte ich seine Mimik in Hoffnung, dass sie ihn irgendwie verraten möge. „Ich erlöse euch von eurem hoffnungslosen Versuch, meine Gedanken zu lesen. Ich bin hier, um nach Antworten zu suchen." Ich sah mich in der Schatzkammer um. Die Spuren des Kampfes waren bereits alle beseitigt worden und bis auf die neue Tür sah hier alles aus wie vor dem Angriff. Loki, der im Gegensatz zu mir Gedanken lesen konnte, erklärte jedoch: „Nein, nein, nicht diese Art von Spuren. Ich rede von magischen Spuren. Residuen. Restmagie."

„Da seid ihr aber spät dran. Als der Allvater mich nach dem Kampf zu sich gebeten hat, haben wir genau dies untersucht. Aber es war zwecklos, der Angreifer hat seine eigenen Spuren verschleiert, sodass wir keine Hinweise auf die Identität des feindlichen Magiers haben." Ich konnte in seinem Blick sehen, dass ich ihm gerade nichts neues erzählte. Natürlich, er hatte schließlich mein Gespräch mit Odin belauscht.

„Es ist kein Wunder, dass Ihr nichts gefunden habt. Das was ihr gesehen habt diente vermutlich nur zur Ablenkung von den eigentlichen Residuen." Er fuhr sich übers Kinn, nur dass dort plötzlich ein langer weißer Bart in seinem Gesicht war und sprach mit allwissender Stimme: „Mein Lehrling, ihr müsstet den Band ‚Die Formen und Farben der Magie' bereits gelesen haben, habe ich Recht?" Ich sah ihn irritiert an.

„Das stimmt, Eure Hoheit", stimmte ich ihm zu. „Aber wozu der Bart?" „Ich nutze natürlich jede Möglichkeit, um meinem fleißigen Lehrling mein Wissen weiterzugeben. Nun, was sagt der Band über die Magie der Radices?"

„Der Band sagt, dass die Magie der Radices eine seltene und sehr alte Form der Magie ist. Sie erfordert die perfekte Kontrolle des eigenen Magieflusses sowie viel Zeit. Sollte der Magier während eines Zaubers unterbrochen werden, so fällt die Stärke des Zaubers auf ihn zurück. Dafür ist es jedoch eine äußerst starke Magie. Sie ermöglicht das Platzieren von Zaubern, welche erst nach einer bestimmten Zeit ihre Wirkung entwickeln. Die Techniken wurden nur von einer kleinen elitären Sekte Dunkelalben in einem abgelegenen Gebirge in Svartalfheim praktiziert, welche für viele Morde an hochrangigen Personen aus allen neun Welten verantwortlich gemacht werden. Doch konnten die Anschuldigungen nie bewiesen werden..." Ich war von mir selbst überrascht, wie viel ich tatsächlich durch das ganze Lesen gelernt und behalten hatte.

Loki nickte zufrieden und schien Gefallen gefunden zu haben, seinen neuen langen weißen Bart zu streicheln. „Gut gemacht, mein Lehrling." „Ist euer Bart wirklich notwendig um mich zu belehren?" „Er gibt mir ein gewisses Gefühl von Weisheit." Ich rollte mit den Augen. „Die Magie der Radices funktioniert wie ein Samen, der mit viel Kraft und Aufwand gepflanzt wird. Ist er erstmal unter der Erde, so beginnt er zu wachsen und wenn die Zeit reif ist, so können wir einen blühenden Zauber betrachten."

„Poetisch. Aber wieso konnten der Allvater und ich keine Spuren dieser Zauber-Blume sehen? Wurde sie nicht genug gegossen?" Loki lächelte belustigt. „Das ist der Trick des Ganzen. Diese Form der Magie ist so alt und stark, sie kann nicht nachgewiesen werden." „Also ist diese Magie-Blume unsichtbar?", fragte ich skeptisch. „Unsichtbar für die, die nicht wissen wo sie hinschauen müssen." „Verstehe, das ergibt so viel Sinn." Nichts davon ergab irgendwie Sinn. Loki nickte zufrieden. „Also ihr wollt nach dieser unsichtbaren Magie-Blume hier suchen, weil ihr vermutet, dass die Magie der Radices bei dem Angriff eingesetzt wurde? Habt ihr eurem Vater schon von dieser Möglichkeit berichtet?", fragte ich ihn. Sollte er tatsächliche Spuren dieser Magie finden, dann würde Odin ihn vielleicht nicht mehr verdächtigen. „Vater gab mir weder Vertrauen noch eine Antwort. Er sieht keinen Sinn darin seine Zeit mit sinnlosen ‚Zauber-Spielerein' zu verschwenden", gab Loki ernst und wieder bartlos zurück.

Er schritt an mit vorbei und setzte sich im Schneidersitz in die Mitte des Raumes. Schließlich presste er beide Hände auf den weißen Marmorboden und ließ ein grünes Leuchten sich in Stoßwellen über die gesamte Schatzkammer ausbreiten.

„Was tut ihr da?", fragte ich, während ich fasziniert auf das grüne Licht starrte, welches aus seinen Händen wie Blitze aus Gewitterwolken hervorkam. „Ich suche die Wurzeln." Langsam glaubte ich wirklich, dass es sich um magische Pflanzen und nicht nur um eine Metapher handelte.

Er saß so noch eine Weile, bevor die Wellen grünen Lichts plötzlich erstarrten und an einer Stelle neben der Tür verdichteten. Ich konnte seinen Blick nicht klar deuten, jedoch sah ich wie er die Augenbrauen zusammengezogen und den Kiefer angespannt hatte. „Hast du sie gefunden?", fragte ich gespannt. Er schien so in Gedanken versunken zu sein, dass ich mir nicht sicher war, ob er meine Frage überhaupt gehört hatte. Jedoch antwortete er nach einer Zeit: „Wenn ich nach Wurzeln gesucht habe, dann habe ich gerade eine blühende Wiese gefunden."

„Das ergibt keinen Sinn!", beklagte ich und dieses Mal stimmte er zu. „Nein, Skadi. Das ergibt überhaupt keinen Sinn."

Gerade wollte ich ihn fragen, was er damit gemeint hatte, da rief die raue Stimme der Wache vor der Tür: „Walküre Skadi? Alles in Ordnung bei euch?" Ich konnte nur schätzen wie lange wir nun in der Schatzkammer gewesen waren, aber ich war mir sicher, dass es auffällig sein würde noch eine Sekunde länger hier zu bleiben. Immer noch grübelnd die Augenbrauen zusammengezogen deutete Loki zur großen Tür und sagte: „Ihr solltet vermutlich besser gehen. Ehe ihr noch Ärger bekommt."

"Ich soll Ärger bekommen?", ich drehte mich wieder zu ihm um, doch er war schon verschwunden und nur ein sich langsam verflüchtigender grüner Nebel blieb zurück. 

BrokenWhere stories live. Discover now