8.

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"Tsunade-sama, wir sind wieder zurück", verkündete Yamato, als wir zu zweit das Büro des Hokage betraten.
Die anderen drei hatte Yamato bereits nach Hause geschickt, damit sie sich ausruhen konnten.
"Sehr schön, und wie ich sehe, hat Tsuki euch gefunden", stellte die Frau fest und erhob sich von ihrem Stuhl.
"Genau. Und bevor wir über die Mission reden, würde ich gerne einige Dinge über sie-"
"Er glaubt mir nicht", unterbrach ich ihn und verschränkte meine Arme vor der Brust.
Sie hob eine Augenbraue.
"Ich habe vor Sasuke meine Abstammung offengelegt", führte ich weiter aus und sie seufzte.
"Und deshalb hatte ich Bedenken, dich zu schicken. Aber es war niemand anderes verfügbar", murmelte sie mehr zu sich selbst, "Yamato, ich kann dir versichern, dass ihre Geschichte der Wahrheit entspricht."
"Aber Tsunade-sama-"
"Sonst noch etwas?", schnitt sie ihm das Wort ab.
"Nein, Entschuldigung. Ich würde dann jetzt gerne mit dem Bericht fortfahren."
"Tu das. Du kannst gehen, Tsuki", befahl Tsunade und mit einer knappen Verbeugung verließ ich den Raum.
Auf dem Weg zu meiner Wohnung schweiften meine Gedanken ab zu dem Gefühl einer warmen Dusche und meinem gemütlichen Bett.
"Tsuki, warte!"
Aus meinen Tagträumen gerissen blieb ich stehen und drehte mich um.
"Hallo Naruto, Sakura."
"Willst du mit ins Krankenhaus kommen? Wir gehen Kakashi-sensei besuchen", fragte Sakura und ich hob schnell beide Hände.
"Eigentlich würde ich gerne erst einmal nach Hause gehen, wisst ihr, ich war-"
"Du wirst ihn bestimmt mögen. Außerdem warst du ja jetzt irgendwie ein Teil von Team Kakashi. Also los!", versuchte Naruto, mich zu überzeugen.
Seufzend zuckte ich mit den Schultern.
"Wenn es sein muss."
"Super! Dann lasst uns gehen!"
Hinter den beiden lief ich also wieder zurück zum Dorfkern und lauschte dabei ihrem Gespräch, während ich mit den Gedanken immer wieder ein bisschen abschweifte.
An unserem Ziel angekommen meldete Sakura uns als Besucher an und wir gingen das letzte Stück zu dem Zimmer, wo Sakura anklopfte.
Nach einem gedämpften "Herein" öffnete Naruto die Tür und wir betraten den Raum.
"Hallo, ihr zwei", begrüßte der Mann meine Begleiter, "wen habt ihr denn da mitgebracht?"
Kurz verbeugte ich mich.
"Mein Name ist Tsuki, ich bin als Verstärkung für die Mission geschickt worden."
"Verstehe, und-"
"Sensei! Stell dir mal vor, Tsuki ist eine Überlebende der Uchiha!", fiel Naruto ihm ins Wort und verdutzt musterte Kakashi mich mit dem einen freien Auge.
Als Bestätigung nickte ich und ließ ebenfalls meinen Blick über ihn wandern.
Er hatte sich nicht viel verändert, wobei man das unter der Maske sowieso nicht wirklich sehen konnte, aber allein die Vorstellung, das er ein Lehrer war, war ziemlich absurd.
"Wenn das tatsächlich stimmt, warum habe nicht mal ich etwas davon mitbekommen?", wollte er wissen und bereits zum zweiten Mal an diesem Tag gab ich die erfundene Geschichte zum Besten, am Schluss zeigte ich ihm auch noch kurz mein Sharingan, um ihn zu überzeugen.
"So ist das also", war seine einzige Reaktion, aber bei ihm hatte ich eh nicht mit sonderlich mehr gerechnet.
Eine ganze Weile blieben wir noch, bis ich nach einer gefühlten Ewigkeit aufstand.
"Tut mir Leid, aber ich war seit über einer Woche nicht mehr richtig zu Hause, also werde ich mal gehen", erklärte ich und verabschiedete mich, bevor ich mich endlich auf den lang ersehnten Heimweg machte.
Dort angekommen zog ich Schuhe und Weste aus, meinen Rucksack schmiss ich mit dem Vorhaben, ihn später aufzuräumen in eine Ecke.
Schnell zog ich mir Alltagskleidung an und band meine Haare zu einem hohen Zopf.

Nur wenig später klopfte ich an die Tür einer kleinen Wohnung, die nach ein paar Sekunden von einem jungen Mädchen geöffnet wurde.
"Du bist wieder zurück", stellte sie freudig fest und umarmte mich.
"Ja, schön dich wiederzusehen, Tenten", lächelte ich, ohne allerdings die Geste zu erwidern.
Auch, wenn wir uns gut verstanden, hatte ich mir noch immer vorgenommen, niemanden zu sehr zu mögen.
Eine Art Selbstschutz, nach allem, was ich erlebt hatte.
"Was gibt es?", fragte sie schließlich.
"Ich bin total erledigt und brauche unbedingt ein heißes Bad, also wollte ich fragen, ob du mit zur heißen Quelle kommst?"
Ihre Augen begannen zu leuchten.
"Gerne! Ich hab heute frei, also passt das perfekt. Lass uns gehen!"
Der Weg zum Onsen war kurz, also stiegen wir schon wenig später in das heiße Wasser.
Mit einem wohligen Seufzten glitt ich bis zum Kin hinein, während Tenten mich zögernd ansah.
"Tsuki, was hat es eigentlich mit diesen Narben auf sich?", fragte sie langsam und deutete auf meinen Bauchbereich.
Dort zeichnete sich eine große, kreisförmige Stelle auf meiner Haut ab, umgeben von einigen kleineren Narben etwas weiter oben.
Auch hinten zog sich eine wulstige Zeichnung vom Schulterblatt bis zur Rückenmitte.
Es waren Erinnerungen an meine bisherigen Tode, zum einen, als der Holzspieß von Hashirama mich durchbohrt hatte, dann die Shuriken, die ich für Yahiko abgefangen hatte und die Verletzungen, die entstanden waren, als der Kyuubi mich mit dem Rücken gegen einige Gebäude geschleudert hatte.
"Oh, das... das ist gar nicht so schlimm, wie es aussieht", wich ich aus, "die sind entstanden, als ich noch in Takigakure gelebt habe. Eine Mission wurde fälschlicherweise als D-Rang eingestuft, obwohl es eher B-Rang war. Zum Glück hatte ich damals ein stärkeres Team dabei."
Verstehend nickte sie und erleichtert atmete ich aus.
Über die Zeit hatte ich mir verschiedene Ausreden für alles Mögliche ausgedacht, allerdings war ich schon lange nicht mehr mit jemand Bekanntem in einem Bad gewesen.
"Das müssen extrem schwere Verletzungen gewesen sein, um solche Abdrücke zu hinterlassen", bemerkte sie, doch ich winkte ab.
"Ich hab ja schon gesagt, es sieht schlimmer aus, als es ist."
"Tenten, Tsuki, ihr seid ja auch hier", erklang eine Stimme hinter uns und drei weitere Mädchen stiegen ins Wasser, eine davon war Sakura.
"Hallo", begrüßte ich sie.
"Das hier sind Hinata und Ino, das ist Tsuki, sie ist noch nicht sonderlich lange hier", stellte Sakura uns einander vor und deutete auf ihre Begleiterinnen.
Freundlich nickte ich und schnell entwickelte sich ein Gespräch über die letzten Missionen, was ihre Teamkameraden so trieben und alles Mögliche.
Wir bleiben noch, bis das Onsen schloss und wir uns alle in verschiedene Richtungen aufteilten.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen lief ich summend die Straßen entlang nach Hause.
Doch mit einem Mal blieb ich stehen, denn schon wieder begann ich, mich wohl zu fühlen.
Aber das durfte ich nicht, denn mir war klar, dass ich es nicht noch einmal ertragen würde, meine Freunde und mein gewohntes Leben zu verlieren.
Das würde mich zerstören.
"Meine Anwesenheit hier hat nur einen einzigen Zweck, davon darf ich nicht abgelenkt werden", ermahnte ich mich und wiederholte diesen Satz ein paar Mal, während ich mich auf dem Absatz umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung losmarschierte.
Meine Wohnung war zwar nicht mehr weit entfernt, doch es gab einen Ort, den ich besuchen musste, um mir das eben Gesagte noch einmal zu verdeutlichen.
Nicht viel später stand ich wie schon so oft vor dem großen, eisernen Tor.
Mit langsamen Schritten betrat ich den Friedhof und ging zuerst direkt auf den Grabstein zu, auf dem mein eigentlicher Name eingraviert war.
Die Buchstaben waren schon ein bisschen verwittert, sodass man das 'T' am Anfang nur noch leicht erkennen konnte.
Mit einer Hand fuhr ich über den kühlen Stein, um ihn von der Staubschicht zu befreien.
Es war wohl lange niemand mehr hier gewesen.
Anschließend stattete ich Rin einen Besuch ab und blieb einige Zeit bei dem großen Gedenkstein stehen, bis ich schließlich durch die Reihen wanderte und jeden Namen kurz überflog.
Uchiha Yuna
Wie angewurzelt blieb ich stehen, als ich mein Ziel gefunden hatte.
Anders, als auf dem anderen hatte sich auf dem Marmor kein Staub gebildet, stattdessen lag sogar eine rote Rose darauf.
"Hallo", ich schreckte auf und drehte mich blitzschnell um.
Hinter mir stand Kakashi, in die Uniform von Konoha gekleidet und die Hände lässig in den Taschen.
"Tsuki, richtig? Was machst du hier?"
"Ich... ähm... habe nach einem bestimmten Grab gesucht. Aber es ist anscheinend nicht auf dieser Seite", murmelte ich und wollte mich an ihm vorbei drängen.
"Ach ja? Dafür stehst du aber schon ganz schön lange hier", bemerkte er und machte eine Kopfbewegung in Richtung von Yunas Grab.
"Mir kam der Name bloß bekannt vor, aber ich hab mich wohl geirrt", erwiderte ich, ohne in sein Auge zu schauen.
"Naruto und Sakura bemerken es vielleicht nicht, aber ich weiß, dass etwas mit dir nicht stimmt. Es ist so gut wie unmöglich, dass eine Uchiha all die Jahre unentdeckt am Leben war. Vor allem nicht, wenn du als Ninja arbeitest."
Er machte einen Schritt auf mich zu.
"Du hast etwas zu verbergen, nicht wahr?"
"Ich habe keine Ahnung, was du meinst, tut mir Leid", lächelte ich gezwungen und schluckte, seine Ausstrahlung erdrückte mich fast.
Doch mit einem Mal war er wie ausgewechselt und unter der Maske zeichnete sich ein Lächeln ab.
"Dann entschuldige mich bitte, ich muss noch bei ein paar Freunden vorbeischauen."
Aber bevor er sich auf den Weg zu einem anderen Grab machte, erhob ich noch einmal die Stimme.
"Du kanntest diese Yuna, oder? Hast du die Blume dort hingelegt?"
Er blieb stehen.
"Ja, ich kannte sie sogar sehr gut. Aber die Blume ist nicht von mir. Ein Mann namens Genma legt jeden Tag eine dorthin."
Ohne auf eine Antwort zu warten setzte er seinen Weg fort und ließ mich alleine zurück.
"Ich hasse Rosen. Hat er das etwa vergessen?", murmelte ich und verließ das Gelände.
Es war spät geworden, also machte ich mich so schnell wie möglich auf den Heimweg.
Und trotzdem ging ich ein weiteres Mal an diesem Tag nicht nach Hause, sondern lief weiter geradeaus bis in den angrenzenden Wald.
Inzwischen war die Sonne am untergehen und tränkte die Welt in eine dunkles Orange, durchzogen von blutroten Stellen.
Obwohl das Farbenspiel mich normalerweise in seinen Bann gezogen hätte, schenkte ich dem Spektakel nur einen kurzen Blick, bevor ich mit festen Schritten weiter stapfte, immer tiefer in das Dickicht.
Ab und zu blieb ich stehen und orientierte mich, aber zum Glück war mein Ziel gar nicht zu übersehen.
Eine erdrückende Stille herrschte im Wald, das einzige Geräusch ging von meinen Schritten aus und gelegentlich gab ein Tier im Unterholz ein leises Rascheln von sich.
Eine kalter Windstoß wirbelte meine Haare durcheinander und ließ mich frösteln, als ich schließlich zwischen den Bäumen hervortrat und trotz des spärlichen Lichtes bot sich mir eine atemberaubende Aussicht.
Von dem Felsen bei den Steingesichtern der Hokage konnte man über das ganze Dorf blicken, welches in ein dunkles Rot getaucht war.
In vielen der Häuser brannte bereits Licht und ich konnte unzählige kleine Gestalten auf den Straßen erkennen.
Mit einem tiefen Atemzug schloss ich die Augen und ließ meine Erinnerungen viele Jahre zurückschweifen.
Damals, als Konoha gerade jung war, wie ein Neugeborenes und es sich nicht einmal halb so weit erstreckte wie jetzt.
Zu der Zeit, als ich keine Ahnung hatte, was alles auf mich zukommen würde.
Ich hatte oft mit meinem Bruder hier gesessen, nachdem wir unsere Arbeit erledigt hatten.

"Sag mal, Madara", begann ich und stützte mein Kinn auf die angezogenen Knie, "bist du glücklich?"
Verdutzt sah er mich von der Seite an.
"So eine Frage passt gar nicht zu dir, Tsuki. Ist dir was auf den Kopf gefallen?"
Murrend gab ich ihm einen Klaps auf die Schulter.
"Sehr witzig. Ich hatte nur heute viel Zeit zum Nachdenken. Tobirama traut mir ja mit dem ganzen Papierkram sowieso nicht, deswegen bekomm' ich nur das unwichtige Zeug. Also?"
"Keine Ahnung. Ich meine, wir sollten glücklich sein, schließlich haben wir endlich den Frieden, von dem wir seit unserer Kindheit träumen", murmelte er, allerdings klang es nicht so, als würden diese Worte von Herzen kommen.
"Warum bist du es dann nicht?"
Er sah mich aus dem Augenwinkel an, um dann den Blick zum Himmel zu heben.
"Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht genau. Aber es wirkt, als wäre Hashirama der Gute und ich der Böse. Sogar die kleinen Kinder haben Angst vor dem gruseligen Uchiha."
Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen seine Schulter.
"Das hört sich aber so an, als wüsstest du es", erwiderte ich mit einem bitteren Grinsen, "aber du hast Unrecht. Du bist genau so ein Held wie er es ist. Die Leute brauchen nur etwas Zeit, um das zu verstehen. Ich bin mir sicher, es wird alles gut, wenn wir nur eine Weile warten."
Stumm nickte er und legte einen Arm um meine Schulter.
So saßen wir da noch eine ganze Weile und hingen schweigend unseren Gedanken nach, auf eine bessere Zukunft hoffend, die nie eintreten würde.

Warme Tränen benässten mein Gesicht, als ich mit einem gequälten Lächeln nach oben starrte.
"Es wird alles gut werden, Madara. Ich bin bald bei dir, warte nur noch, bis ich hier fertig bin. Dann komme ich zu dir, versprochen."
Als würde die Natur mir antworten, wirbelte ein kräftiger Windstoß einige Blätter um mich herum auf, während ich die Beine anzog und mein Gesicht zwischen beiden Händen vergrub.

Schwester einer Legende - Herzen aus FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt